Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].sehr bald zeigte mir mein Vater, indem er mich bei der vierteljährigen Rechnungsablegung des Administrators zugegen sein ließ, daß die unzufriedenen Miether in der Regel die schlechtesten Zahler und die ärgsten Querulanten seien. Hin und wieder sprach mein Vater auch von seinem früheren unstäten Leben; ich werde es nie vergessen, daß er mir einst sagte, der liebe Gott habe es doch recht gut mit ihm gemeint, als er ihn nach Berlin in das Nicolaische Haus gebracht. Ein ander Mal theilte er mir mit, in der Zeit des ärgsten Franzosendruckes sei es nahe daran gewesen, daß der Staatskanzler Hardenberg seinen Posten verloren hätte, weil er dem Kaiser Napolen I. nicht servil genug war. Hardenberg wohnte auf einem Landhause in Lichtenberg vor dem Frankfurter Thore, und mein Vater vermittelte als Vertrauensmann die geheimen Bestellungen, die man aus dem Kabinette nach Lichtenberg wollte gelangen lassen, ohne den französischen Spionen Verdacht zu geben. Er entledigte sich dieser schwierigen Aufträge mit so viel Geschick und Treue, daß Hardenberg ihn nach dem Kriege fragen ließ, ob er den Geheimerathstitel, den rothen Adlerorden oder den Adel zu erhalten wünsche. Mein Vater erwiederte dankend, er begnüge sich mit dem Bewußtsein, seine Pflicht gethan zu haben. Für die mehrstimmigen Musikstücke gewannen wir in diesem Sommer einen sehr schönen Tenor an dem Studiosus juris Joseph von Brassier, der zu Ostern 1819 aus dem Gymnasium in Züllichau auf die berliner Universität kam. Sein Vater, einer alten elsassischen Familie sehr bald zeigte mir mein Vater, indem er mich bei der vierteljährigen Rechnungsablegung des Administrators zugegen sein ließ, daß die unzufriedenen Miether in der Regel die schlechtesten Zahler und die ärgsten Querulanten seien. Hin und wieder sprach mein Vater auch von seinem früheren unstäten Leben; ich werde es nie vergessen, daß er mir einst sagte, der liebe Gott habe es doch recht gut mit ihm gemeint, als er ihn nach Berlin in das Nicolaische Haus gebracht. Ein ander Mal theilte er mir mit, in der Zeit des ärgsten Franzosendruckes sei es nahe daran gewesen, daß der Staatskanzler Hardenberg seinen Posten verloren hätte, weil er dem Kaiser Napolen I. nicht servil genug war. Hardenberg wohnte auf einem Landhause in Lichtenberg vor dem Frankfurter Thore, und mein Vater vermittelte als Vertrauensmann die geheimen Bestellungen, die man aus dem Kabinette nach Lichtenberg wollte gelangen lassen, ohne den französischen Spionen Verdacht zu geben. Er entledigte sich dieser schwierigen Aufträge mit so viel Geschick und Treue, daß Hardenberg ihn nach dem Kriege fragen ließ, ob er den Geheimerathstitel, den rothen Adlerorden oder den Adel zu erhalten wünsche. Mein Vater erwiederte dankend, er begnüge sich mit dem Bewußtsein, seine Pflicht gethan zu haben. Für die mehrstimmigen Musikstücke gewannen wir in diesem Sommer einen sehr schönen Tenor an dem Studiosus juris Joseph von Brassier, der zu Ostern 1819 aus dem Gymnasium in Züllichau auf die berliner Universität kam. Sein Vater, einer alten elsassischen Familie <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0293" n="285"/> sehr bald zeigte mir mein Vater, indem er mich bei der vierteljährigen Rechnungsablegung des Administrators zugegen sein ließ, daß die unzufriedenen Miether in der Regel die schlechtesten Zahler und die ärgsten Querulanten seien. </p><lb/> <p>Hin und wieder sprach mein Vater auch von seinem früheren unstäten Leben; ich werde es nie vergessen, daß er mir einst sagte, der liebe Gott habe es doch recht gut mit ihm gemeint, als er ihn nach Berlin in das Nicolaische Haus gebracht. Ein ander Mal theilte er mir mit, in der Zeit des ärgsten Franzosendruckes sei es nahe daran gewesen, daß der Staatskanzler Hardenberg seinen Posten verloren hätte, weil er dem Kaiser Napolen I. nicht servil genug war. Hardenberg wohnte auf einem Landhause in Lichtenberg vor dem Frankfurter Thore, und mein Vater vermittelte als Vertrauensmann die geheimen Bestellungen, die man aus dem Kabinette nach Lichtenberg wollte gelangen lassen, ohne den französischen Spionen Verdacht zu geben. Er entledigte sich dieser schwierigen Aufträge mit so viel Geschick und Treue, daß Hardenberg ihn nach dem Kriege fragen ließ, ob er den Geheimerathstitel, den rothen Adlerorden oder den Adel zu erhalten wünsche. Mein Vater erwiederte dankend, er begnüge sich mit dem Bewußtsein, seine Pflicht gethan zu haben. </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Für die mehrstimmigen Musikstücke gewannen wir in diesem Sommer einen sehr schönen Tenor an dem Studiosus juris Joseph von Brassier, der zu Ostern 1819 aus dem Gymnasium in Züllichau auf die berliner Universität kam. Sein Vater, einer alten elsassischen Familie </p> </div> </body> </text> </TEI> [285/0293]
sehr bald zeigte mir mein Vater, indem er mich bei der vierteljährigen Rechnungsablegung des Administrators zugegen sein ließ, daß die unzufriedenen Miether in der Regel die schlechtesten Zahler und die ärgsten Querulanten seien.
Hin und wieder sprach mein Vater auch von seinem früheren unstäten Leben; ich werde es nie vergessen, daß er mir einst sagte, der liebe Gott habe es doch recht gut mit ihm gemeint, als er ihn nach Berlin in das Nicolaische Haus gebracht. Ein ander Mal theilte er mir mit, in der Zeit des ärgsten Franzosendruckes sei es nahe daran gewesen, daß der Staatskanzler Hardenberg seinen Posten verloren hätte, weil er dem Kaiser Napolen I. nicht servil genug war. Hardenberg wohnte auf einem Landhause in Lichtenberg vor dem Frankfurter Thore, und mein Vater vermittelte als Vertrauensmann die geheimen Bestellungen, die man aus dem Kabinette nach Lichtenberg wollte gelangen lassen, ohne den französischen Spionen Verdacht zu geben. Er entledigte sich dieser schwierigen Aufträge mit so viel Geschick und Treue, daß Hardenberg ihn nach dem Kriege fragen ließ, ob er den Geheimerathstitel, den rothen Adlerorden oder den Adel zu erhalten wünsche. Mein Vater erwiederte dankend, er begnüge sich mit dem Bewußtsein, seine Pflicht gethan zu haben.
Für die mehrstimmigen Musikstücke gewannen wir in diesem Sommer einen sehr schönen Tenor an dem Studiosus juris Joseph von Brassier, der zu Ostern 1819 aus dem Gymnasium in Züllichau auf die berliner Universität kam. Sein Vater, einer alten elsassischen Familie
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