Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].bald den entfernten Kirchthurm von Stralau erreichte; es schien für Paul unzweifelhaft, daß in Stralau ein heftiger Brand ausgebrochen sei. Pflichtgemäß weckte er den auf der Pritsche schnarchenden Gefreiten, und erwartete nichts anderes, als die ganze Kaserne allarmirt zu sehn; kaum jedoch hatte der Gefreite das Phänomen erblickt, so sagte er lachend: Lassen Sie sich nicht vexiren! Das Feuer wird noch größer werden, aber es hat damit nichts auf sich! Und bald stieg der glänzende Vollmond hinter dem fernen Horizonte herauf. Jedesmal, wenn wir in voller Montur einen Vormittag exercirt hatten, bemerkten die Damen unseres Kreises an mir jenen eigenthümlichen bekannten Kompagnie- oder Kommisgeruch, der allem Wechsel der Wäsche zu trotzen schien. Wenn wir Abends beim Boston saßen, so sagte zuweilen Fräulein Stock mit gerümpfter Nase: Lieber Gustav! heute haben Sie exercirt! Ich war außer mir, und wandte sogar einige Parfumerien an, trotz dem, daß uns auf dem Turnplatze vor solchen weibischen Räucherungen ein eben so großer Abscheu eingepflanzt war, als vor dem Branntwein; allein der fatale Geruch blieb an allen Exercirtagen während des ganzen Dienstjahres. Im Sommer des Jahres 1818 wurde, wie schon erwähnt, meinem Oheim Kohlrausch ein Sohn geboren. Er bat mich zu Gevatter und verlangte, daß ich in voller Pioniruniform erscheinen sollte. Meine arge Befangenheit, durch das rauhe Soldatenhandwerk noch lange nicht überwunden, sträubte sich um so mehr gegen diese Zumuthung, als ich hörte, daß der Oberst von Hedemann, damals Kommandeur der Schwarzen Husaren, und der General von Wedell auch Gevatter stehn würden; allein zuletzt mußte bald den entfernten Kirchthurm von Stralau erreichte; es schien für Paul unzweifelhaft, daß in Stralau ein heftiger Brand ausgebrochen sei. Pflichtgemäß weckte er den auf der Pritsche schnarchenden Gefreiten, und erwartete nichts anderes, als die ganze Kaserne allarmirt zu sehn; kaum jedoch hatte der Gefreite das Phänomen erblickt, so sagte er lachend: Lassen Sie sich nicht vexiren! Das Feuer wird noch größer werden, aber es hat damit nichts auf sich! Und bald stieg der glänzende Vollmond hinter dem fernen Horizonte herauf. Jedesmal, wenn wir in voller Montur einen Vormittag exercirt hatten, bemerkten die Damen unseres Kreises an mir jenen eigenthümlichen bekannten Kompagnie- oder Kommisgeruch, der allem Wechsel der Wäsche zu trotzen schien. Wenn wir Abends beim Boston saßen, so sagte zuweilen Fräulein Stock mit gerümpfter Nase: Lieber Gustav! heute haben Sie exercirt! Ich war außer mir, und wandte sogar einige Parfumerien an, trotz dem, daß uns auf dem Turnplatze vor solchen weibischen Räucherungen ein eben so großer Abscheu eingepflanzt war, als vor dem Branntwein; allein der fatale Geruch blieb an allen Exercirtagen während des ganzen Dienstjahres. Im Sommer des Jahres 1818 wurde, wie schon erwähnt, meinem Oheim Kohlrausch ein Sohn geboren. Er bat mich zu Gevatter und verlangte, daß ich in voller Pioniruniform erscheinen sollte. Meine arge Befangenheit, durch das rauhe Soldatenhandwerk noch lange nicht überwunden, sträubte sich um so mehr gegen diese Zumuthung, als ich hörte, daß der Oberst von Hedemann, damals Kommandeur der Schwarzen Husaren, und der General von Wedell auch Gevatter stehn würden; allein zuletzt mußte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0261" n="253"/> bald den entfernten Kirchthurm von Stralau erreichte; es schien für Paul unzweifelhaft, daß in Stralau ein heftiger Brand ausgebrochen sei. Pflichtgemäß weckte er den auf der Pritsche schnarchenden Gefreiten, und erwartete nichts anderes, als die ganze Kaserne allarmirt zu sehn; kaum jedoch hatte der Gefreite das Phänomen erblickt, so sagte er lachend: Lassen Sie sich nicht vexiren! Das Feuer wird noch größer werden, aber es hat damit nichts auf sich! Und bald stieg der glänzende Vollmond hinter dem fernen Horizonte herauf. </p><lb/> <p>Jedesmal, wenn wir in voller Montur einen Vormittag exercirt hatten, bemerkten die Damen unseres Kreises an mir jenen eigenthümlichen bekannten Kompagnie- oder Kommisgeruch, der allem Wechsel der Wäsche zu trotzen schien. Wenn wir Abends beim Boston saßen, so sagte zuweilen Fräulein Stock mit gerümpfter Nase: Lieber Gustav! heute haben Sie exercirt! Ich war außer mir, und wandte sogar einige Parfumerien an, trotz dem, daß uns auf dem Turnplatze vor solchen weibischen Räucherungen ein eben so großer Abscheu eingepflanzt war, als vor dem Branntwein; allein der fatale Geruch blieb an allen Exercirtagen während des ganzen Dienstjahres. </p><lb/> <p>Im Sommer des Jahres 1818 wurde, wie schon erwähnt, meinem Oheim Kohlrausch ein Sohn geboren. Er bat mich zu Gevatter und verlangte, daß ich in voller Pioniruniform erscheinen sollte. Meine arge Befangenheit, durch das rauhe Soldatenhandwerk noch lange nicht überwunden, sträubte sich um so mehr gegen diese Zumuthung, als ich hörte, daß der Oberst von Hedemann, damals Kommandeur der Schwarzen Husaren, und der General von Wedell auch Gevatter stehn würden; allein zuletzt mußte </p> </div> </body> </text> </TEI> [253/0261]
bald den entfernten Kirchthurm von Stralau erreichte; es schien für Paul unzweifelhaft, daß in Stralau ein heftiger Brand ausgebrochen sei. Pflichtgemäß weckte er den auf der Pritsche schnarchenden Gefreiten, und erwartete nichts anderes, als die ganze Kaserne allarmirt zu sehn; kaum jedoch hatte der Gefreite das Phänomen erblickt, so sagte er lachend: Lassen Sie sich nicht vexiren! Das Feuer wird noch größer werden, aber es hat damit nichts auf sich! Und bald stieg der glänzende Vollmond hinter dem fernen Horizonte herauf.
Jedesmal, wenn wir in voller Montur einen Vormittag exercirt hatten, bemerkten die Damen unseres Kreises an mir jenen eigenthümlichen bekannten Kompagnie- oder Kommisgeruch, der allem Wechsel der Wäsche zu trotzen schien. Wenn wir Abends beim Boston saßen, so sagte zuweilen Fräulein Stock mit gerümpfter Nase: Lieber Gustav! heute haben Sie exercirt! Ich war außer mir, und wandte sogar einige Parfumerien an, trotz dem, daß uns auf dem Turnplatze vor solchen weibischen Räucherungen ein eben so großer Abscheu eingepflanzt war, als vor dem Branntwein; allein der fatale Geruch blieb an allen Exercirtagen während des ganzen Dienstjahres.
Im Sommer des Jahres 1818 wurde, wie schon erwähnt, meinem Oheim Kohlrausch ein Sohn geboren. Er bat mich zu Gevatter und verlangte, daß ich in voller Pioniruniform erscheinen sollte. Meine arge Befangenheit, durch das rauhe Soldatenhandwerk noch lange nicht überwunden, sträubte sich um so mehr gegen diese Zumuthung, als ich hörte, daß der Oberst von Hedemann, damals Kommandeur der Schwarzen Husaren, und der General von Wedell auch Gevatter stehn würden; allein zuletzt mußte
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/261 |
Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/261>, abgerufen am 27.07.2024. |