Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].Vater eine Kutsche, um uns drei Freunde abzuholen, was bei der drückenden Hitze sehr willkommen war. Ein anderes Mal hatte Paul eine Wache ohne mich abzuthun, und erlebte dabei die schönsten Abentheuer. Zwei Leute aus der Stadt erlustigten sich auf einem gemietheten Kahne, und fuhren in die, dicht bei unserer Kaserne errichtete Pfuelsche Schwimmanstalt. Da dies streng verboten war, so wurden sie von der dort stehenden Schildwache fortgejagt, stießen beim eiligen Davonrudern an einen Balken, fielen beide in das Wasser und hielten sich an der Uferschälung unseres Hofes. Paul stand eben auf dem Posten, und überlegte, ob die allgemeine Menschenliebe ihm erlaube, die "Obedienz" zu verletzen, den Posten zu verlassen, und den beiden Verunglückten zu Hülfe zu eilen. Bei dem entstandenen Geschrei und Lärm sah der Hauptmann Snethlage aus dem Fenster, und rief im höchsten Zorn der Schildwache zu, die Excedenten, welche inzwischen ans Land geklettert waren, sofort zu arretiren. Es würde Paul einige Mühe gekostet haben, die beiden wassertriefenden Delinquenten festzuhalten, jedoch setzte er sich, der unerbittlichen "Obedienz" folgend, gegen sie in Bewegung; mittlerweile liefen mehrere andere Pionire herbei, bemächtigten sich des leeren Kahnes und umringten die Schiffbrüchigen; indessen man verständigte sich; die beiden Durchnäßten machten eine gar zu klägliche Figur, man brachte sie in die Wachtstube, nicht um sie einzusperren, sondern um ihnen Gelegenheit zu geben, ihre Kleider auszuringen, und zuletzt wurden sie mit einer Strafpredigt des leicht versöhnten Hauptmannes entlassen. In tiefer Abendstunde auf dem Posten stehend, sah Paul hinter dem Oberbaum einen hellen Feuerschein, der Vater eine Kutsche, um uns drei Freunde abzuholen, was bei der drückenden Hitze sehr willkommen war. Ein anderes Mal hatte Paul eine Wache ohne mich abzuthun, und erlebte dabei die schönsten Abentheuer. Zwei Leute aus der Stadt erlustigten sich auf einem gemietheten Kahne, und fuhren in die, dicht bei unserer Kaserne errichtete Pfuelsche Schwimmanstalt. Da dies streng verboten war, so wurden sie von der dort stehenden Schildwache fortgejagt, stießen beim eiligen Davonrudern an einen Balken, fielen beide in das Wasser und hielten sich an der Uferschälung unseres Hofes. Paul stand eben auf dem Posten, und überlegte, ob die allgemeine Menschenliebe ihm erlaube, die „Obedienz“ zu verletzen, den Posten zu verlassen, und den beiden Verunglückten zu Hülfe zu eilen. Bei dem entstandenen Geschrei und Lärm sah der Hauptmann Snethlage aus dem Fenster, und rief im höchsten Zorn der Schildwache zu, die Excedenten, welche inzwischen ans Land geklettert waren, sofort zu arretiren. Es würde Paul einige Mühe gekostet haben, die beiden wassertriefenden Delinquenten festzuhalten, jedoch setzte er sich, der unerbittlichen „Obedienz“ folgend, gegen sie in Bewegung; mittlerweile liefen mehrere andere Pionire herbei, bemächtigten sich des leeren Kahnes und umringten die Schiffbrüchigen; indessen man verständigte sich; die beiden Durchnäßten machten eine gar zu klägliche Figur, man brachte sie in die Wachtstube, nicht um sie einzusperren, sondern um ihnen Gelegenheit zu geben, ihre Kleider auszuringen, und zuletzt wurden sie mit einer Strafpredigt des leicht versöhnten Hauptmannes entlassen. In tiefer Abendstunde auf dem Posten stehend, sah Paul hinter dem Oberbaum einen hellen Feuerschein, der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0260" n="252"/> Vater eine Kutsche, um uns drei Freunde abzuholen, was bei der drückenden Hitze sehr willkommen war. </p><lb/> <p>Ein anderes Mal hatte Paul eine Wache ohne mich abzuthun, und erlebte dabei die schönsten Abentheuer. Zwei Leute aus der Stadt erlustigten sich auf einem gemietheten Kahne, und fuhren in die, dicht bei unserer Kaserne errichtete Pfuelsche Schwimmanstalt. Da dies streng verboten war, so wurden sie von der dort stehenden Schildwache fortgejagt, stießen beim eiligen Davonrudern an einen Balken, fielen beide in das Wasser und hielten sich an der Uferschälung unseres Hofes. Paul stand eben auf dem Posten, und überlegte, ob die allgemeine Menschenliebe ihm erlaube, die „Obedienz“ zu verletzen, den Posten zu verlassen, und den beiden Verunglückten zu Hülfe zu eilen. Bei dem entstandenen Geschrei und Lärm sah der Hauptmann Snethlage aus dem Fenster, und rief im höchsten Zorn der Schildwache zu, die Excedenten, welche inzwischen ans Land geklettert waren, sofort zu arretiren. Es würde Paul einige Mühe gekostet haben, die beiden wassertriefenden Delinquenten festzuhalten, jedoch setzte er sich, der unerbittlichen „Obedienz“ folgend, gegen sie in Bewegung; mittlerweile liefen mehrere andere Pionire herbei, bemächtigten sich des leeren Kahnes und umringten die Schiffbrüchigen; indessen man verständigte sich; die beiden Durchnäßten machten eine gar zu klägliche Figur, man brachte sie in die Wachtstube, nicht um sie einzusperren, sondern um ihnen Gelegenheit zu geben, ihre Kleider auszuringen, und zuletzt wurden sie mit einer Strafpredigt des leicht versöhnten Hauptmannes entlassen. </p><lb/> <p>In tiefer Abendstunde auf dem Posten stehend, sah Paul hinter dem Oberbaum einen hellen Feuerschein, der </p> </div> </body> </text> </TEI> [252/0260]
Vater eine Kutsche, um uns drei Freunde abzuholen, was bei der drückenden Hitze sehr willkommen war.
Ein anderes Mal hatte Paul eine Wache ohne mich abzuthun, und erlebte dabei die schönsten Abentheuer. Zwei Leute aus der Stadt erlustigten sich auf einem gemietheten Kahne, und fuhren in die, dicht bei unserer Kaserne errichtete Pfuelsche Schwimmanstalt. Da dies streng verboten war, so wurden sie von der dort stehenden Schildwache fortgejagt, stießen beim eiligen Davonrudern an einen Balken, fielen beide in das Wasser und hielten sich an der Uferschälung unseres Hofes. Paul stand eben auf dem Posten, und überlegte, ob die allgemeine Menschenliebe ihm erlaube, die „Obedienz“ zu verletzen, den Posten zu verlassen, und den beiden Verunglückten zu Hülfe zu eilen. Bei dem entstandenen Geschrei und Lärm sah der Hauptmann Snethlage aus dem Fenster, und rief im höchsten Zorn der Schildwache zu, die Excedenten, welche inzwischen ans Land geklettert waren, sofort zu arretiren. Es würde Paul einige Mühe gekostet haben, die beiden wassertriefenden Delinquenten festzuhalten, jedoch setzte er sich, der unerbittlichen „Obedienz“ folgend, gegen sie in Bewegung; mittlerweile liefen mehrere andere Pionire herbei, bemächtigten sich des leeren Kahnes und umringten die Schiffbrüchigen; indessen man verständigte sich; die beiden Durchnäßten machten eine gar zu klägliche Figur, man brachte sie in die Wachtstube, nicht um sie einzusperren, sondern um ihnen Gelegenheit zu geben, ihre Kleider auszuringen, und zuletzt wurden sie mit einer Strafpredigt des leicht versöhnten Hauptmannes entlassen.
In tiefer Abendstunde auf dem Posten stehend, sah Paul hinter dem Oberbaum einen hellen Feuerschein, der
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/260 |
Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/260>, abgerufen am 27.07.2024. |