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Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].

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zwei Stunden ablösten, und ein Gefreiter. Der Zufall oder die Gunst des Feldwebels fügte es so, daß ich das erste Mal mit Paul und Dechen zusammen aufzog. Da ergötzten uns Pauls Unterredungen mit dem Gefreiten, einem Holländer, der sich nur unvollkommen im Deutschen ausdrückte. Es war ein schwüler Junitag. Gerade um die Mittagszeit ward ich nach der Hauptwache im Schlosse geschickt, um einem alten Schlendrian zufolge einen Rapport abzugeben und zwei Talglichter zu holen. Die letzten wurden mir ohne irgend eine Hülle überreicht; sie bei der vehementen Hitze in der Hand zu tragen, war eben so unthunlich, als sie einzustecken, da die Uniform keine Taschen hatte. Nicht ohne Verlegenheit, doch mit möglichst entschlossenem Tone fragte ich, was zu thun sei, und wie man bei ähnlichen Gelegenheiten verfahren habe? Der brummige Unteroffizier der Schloßwache meinte, die Pionire, die immer am geschicktesten sein wollten, wüßten sich auch gar nicht zu helfen. Er band die Dochte der beiden Lichter zusammen, und steckte eines davon in den Lauf meines Gewehres; so marschirte ich mit einem bammelnden Lichte durch die Stadt nach der Kaserne zurück, oft überdenkend, wie es sich ausnehmen werde, wenn ich vor einem begegnenden Offiziere das Gewehr anziehn müßte; aber in der Mittagschwüle begegnete mir keiner. Paul indessen fand reichlichen Stoff, die Situation weiter auszumalen und den König vorbeikommen zu lassen.

Am Abende überraschte uns mein Vater durch einen Besuch in der Wachtstube; er brachte mehrere Flaschen Wein und ein großes Stück Schmorfleisch. Diese Vorräthe wurden zum Theile verzehrt, zum Theile den Unteroffizieren überlassen. Am folgenden Mittage schickte mein

zwei Stunden ablösten, und ein Gefreiter. Der Zufall oder die Gunst des Feldwebels fügte es so, daß ich das erste Mal mit Paul und Dechen zusammen aufzog. Da ergötzten uns Pauls Unterredungen mit dem Gefreiten, einem Holländer, der sich nur unvollkommen im Deutschen ausdrückte. Es war ein schwüler Junitag. Gerade um die Mittagszeit ward ich nach der Hauptwache im Schlosse geschickt, um einem alten Schlendrian zufolge einen Rapport abzugeben und zwei Talglichter zu holen. Die letzten wurden mir ohne irgend eine Hülle überreicht; sie bei der vehementen Hitze in der Hand zu tragen, war eben so unthunlich, als sie einzustecken, da die Uniform keine Taschen hatte. Nicht ohne Verlegenheit, doch mit möglichst entschlossenem Tone fragte ich, was zu thun sei, und wie man bei ähnlichen Gelegenheiten verfahren habe? Der brummige Unteroffizier der Schloßwache meinte, die Pionire, die immer am geschicktesten sein wollten, wüßten sich auch gar nicht zu helfen. Er band die Dochte der beiden Lichter zusammen, und steckte eines davon in den Lauf meines Gewehres; so marschirte ich mit einem bammelnden Lichte durch die Stadt nach der Kaserne zurück, oft überdenkend, wie es sich ausnehmen werde, wenn ich vor einem begegnenden Offiziere das Gewehr anziehn müßte; aber in der Mittagschwüle begegnete mir keiner. Paul indessen fand reichlichen Stoff, die Situation weiter auszumalen und den König vorbeikommen zu lassen.

Am Abende überraschte uns mein Vater durch einen Besuch in der Wachtstube; er brachte mehrere Flaschen Wein und ein großes Stück Schmorfleisch. Diese Vorräthe wurden zum Theile verzehrt, zum Theile den Unteroffizieren überlassen. Am folgenden Mittage schickte mein

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[251/0259] zwei Stunden ablösten, und ein Gefreiter. Der Zufall oder die Gunst des Feldwebels fügte es so, daß ich das erste Mal mit Paul und Dechen zusammen aufzog. Da ergötzten uns Pauls Unterredungen mit dem Gefreiten, einem Holländer, der sich nur unvollkommen im Deutschen ausdrückte. Es war ein schwüler Junitag. Gerade um die Mittagszeit ward ich nach der Hauptwache im Schlosse geschickt, um einem alten Schlendrian zufolge einen Rapport abzugeben und zwei Talglichter zu holen. Die letzten wurden mir ohne irgend eine Hülle überreicht; sie bei der vehementen Hitze in der Hand zu tragen, war eben so unthunlich, als sie einzustecken, da die Uniform keine Taschen hatte. Nicht ohne Verlegenheit, doch mit möglichst entschlossenem Tone fragte ich, was zu thun sei, und wie man bei ähnlichen Gelegenheiten verfahren habe? Der brummige Unteroffizier der Schloßwache meinte, die Pionire, die immer am geschicktesten sein wollten, wüßten sich auch gar nicht zu helfen. Er band die Dochte der beiden Lichter zusammen, und steckte eines davon in den Lauf meines Gewehres; so marschirte ich mit einem bammelnden Lichte durch die Stadt nach der Kaserne zurück, oft überdenkend, wie es sich ausnehmen werde, wenn ich vor einem begegnenden Offiziere das Gewehr anziehn müßte; aber in der Mittagschwüle begegnete mir keiner. Paul indessen fand reichlichen Stoff, die Situation weiter auszumalen und den König vorbeikommen zu lassen. Am Abende überraschte uns mein Vater durch einen Besuch in der Wachtstube; er brachte mehrere Flaschen Wein und ein großes Stück Schmorfleisch. Diese Vorräthe wurden zum Theile verzehrt, zum Theile den Unteroffizieren überlassen. Am folgenden Mittage schickte mein

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/259>, abgerufen am 11.06.2024.