Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].lateinischen fester zu werden, so wurden jetzt ganze Stunden im gewissenlosesten Müßiggange vergeudet. Der Gegensatz zwischen Student und Pionir trat auch in manchen andern Stücken hervor; wir blieben in beständiger Uebung, diese beiden widerstrebenden Stellungen mit einander zu vereinigen. Als Pionire hatten wir nach den Kriegsartikeln die schärfste Bestrafung eines jeden Vergehens zu gewärtigen, als Studenten sicherte uns die Erkennungskarte vor jedem unsanften Einschreiten der Polizei. Die studentische Ehre erlaubte es nicht, die kleinste Beleidigung anders als durch eine Herausforderung zu beantworten, der arme Pionir in Reihe und Glied mußte sich manches, zwar nicht harte, aber doch unfreundliche Wort seiner Vorgesetzten gefallen lassen. Es kam nur auf den Rock an, ob man sich in der allerabhängigsten oder in der allerfreisten Lage fühlen wollte. Daher geschah es denn, daß in unserem Bewußtsein der Student immer die Hauptperson blieb, und daß der Pionir nur eine untergeordnete Stellung einnahm. Aus beiden Berufssarten sind mir die angenehmsten Erinnerungen geblieben, man wird es aber ganz natürlich finden, daß ich zuerst meine Reminiscenzen aus der Studentenzeit, dann die aus dem Pionirjahre anführe. Die Berliner Universität, die junge Schöpfung Wilhelm von Humboldts, hatte sich in der kurzen Zeit seit ihrer Gründung (1809) zu einer großen wissenschaftlichen Höhe erhoben, und erfreute sich eines immer wachsenden Besuches. Mit welcher eingehenden Sorgfalt Humboldt bemüht war, die besten Kräfte für das neue Institut zu gewinnen, das zeigt am besten sein Briefwechsel mit Fr. A. Wolf, dem mancherlei Verdrießlichkeiten den Aufenthalt lateinischen fester zu werden, so wurden jetzt ganze Stunden im gewissenlosesten Müßiggange vergeudet. Der Gegensatz zwischen Student und Pionir trat auch in manchen andern Stücken hervor; wir blieben in beständiger Uebung, diese beiden widerstrebenden Stellungen mit einander zu vereinigen. Als Pionire hatten wir nach den Kriegsartikeln die schärfste Bestrafung eines jeden Vergehens zu gewärtigen, als Studenten sicherte uns die Erkennungskarte vor jedem unsanften Einschreiten der Polizei. Die studentische Ehre erlaubte es nicht, die kleinste Beleidigung anders als durch eine Herausforderung zu beantworten, der arme Pionir in Reihe und Glied mußte sich manches, zwar nicht harte, aber doch unfreundliche Wort seiner Vorgesetzten gefallen lassen. Es kam nur auf den Rock an, ob man sich in der allerabhängigsten oder in der allerfreisten Lage fühlen wollte. Daher geschah es denn, daß in unserem Bewußtsein der Student immer die Hauptperson blieb, und daß der Pionir nur eine untergeordnete Stellung einnahm. Aus beiden Berufssarten sind mir die angenehmsten Erinnerungen geblieben, man wird es aber ganz natürlich finden, daß ich zuerst meine Reminiscenzen aus der Studentenzeit, dann die aus dem Pionirjahre anführe. Die Berliner Universität, die junge Schöpfung Wilhelm von Humboldts, hatte sich in der kurzen Zeit seit ihrer Gründung (1809) zu einer großen wissenschaftlichen Höhe erhoben, und erfreute sich eines immer wachsenden Besuches. Mit welcher eingehenden Sorgfalt Humboldt bemüht war, die besten Kräfte für das neue Institut zu gewinnen, das zeigt am besten sein Briefwechsel mit Fr. A. 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Es kam nur auf den Rock an, ob man sich in der allerabhängigsten oder in der allerfreisten Lage fühlen wollte. </p><lb/> <p>Daher geschah es denn, daß in unserem Bewußtsein der Student immer die Hauptperson blieb, und daß der Pionir nur eine untergeordnete Stellung einnahm. Aus beiden Berufssarten sind mir die angenehmsten Erinnerungen geblieben, man wird es aber ganz natürlich finden, daß ich zuerst meine Reminiscenzen aus der Studentenzeit, dann die aus dem Pionirjahre anführe. </p><lb/> <p>Die Berliner Universität, die junge Schöpfung Wilhelm von Humboldts, hatte sich in der kurzen Zeit seit ihrer Gründung (1809) zu einer großen wissenschaftlichen Höhe erhoben, und erfreute sich eines immer wachsenden Besuches. Mit welcher eingehenden Sorgfalt Humboldt bemüht war, die besten Kräfte für das neue Institut zu gewinnen, das zeigt am besten sein Briefwechsel mit Fr. A. Wolf, dem mancherlei Verdrießlichkeiten den Aufenthalt </p> </div> </body> </text> </TEI> [215/0223]
lateinischen fester zu werden, so wurden jetzt ganze Stunden im gewissenlosesten Müßiggange vergeudet.
Der Gegensatz zwischen Student und Pionir trat auch in manchen andern Stücken hervor; wir blieben in beständiger Uebung, diese beiden widerstrebenden Stellungen mit einander zu vereinigen. Als Pionire hatten wir nach den Kriegsartikeln die schärfste Bestrafung eines jeden Vergehens zu gewärtigen, als Studenten sicherte uns die Erkennungskarte vor jedem unsanften Einschreiten der Polizei. Die studentische Ehre erlaubte es nicht, die kleinste Beleidigung anders als durch eine Herausforderung zu beantworten, der arme Pionir in Reihe und Glied mußte sich manches, zwar nicht harte, aber doch unfreundliche Wort seiner Vorgesetzten gefallen lassen. Es kam nur auf den Rock an, ob man sich in der allerabhängigsten oder in der allerfreisten Lage fühlen wollte.
Daher geschah es denn, daß in unserem Bewußtsein der Student immer die Hauptperson blieb, und daß der Pionir nur eine untergeordnete Stellung einnahm. Aus beiden Berufssarten sind mir die angenehmsten Erinnerungen geblieben, man wird es aber ganz natürlich finden, daß ich zuerst meine Reminiscenzen aus der Studentenzeit, dann die aus dem Pionirjahre anführe.
Die Berliner Universität, die junge Schöpfung Wilhelm von Humboldts, hatte sich in der kurzen Zeit seit ihrer Gründung (1809) zu einer großen wissenschaftlichen Höhe erhoben, und erfreute sich eines immer wachsenden Besuches. Mit welcher eingehenden Sorgfalt Humboldt bemüht war, die besten Kräfte für das neue Institut zu gewinnen, das zeigt am besten sein Briefwechsel mit Fr. A. Wolf, dem mancherlei Verdrießlichkeiten den Aufenthalt
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