Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].Homer bei Fr. A. Wolf. Von nun an gingen die beiden Beschäftigungen mit den Wissenschaften und mit dem Kriegshandwerk parallel neben einander her, ohne daß sehr erhebliche Störungen vorkamen. Am 14. März 1818 hielt ich eine lateinische Abgangsrede auf dem Grauen Kloster, am 18. wurden die 33 Freiwilligen vom Obersten von Krohn als Pionire angenommen, am 22. hörte ich eine Osterpredigt von Schleiermacher , die mir ewig unvergeßlich bleiben wird, am 28. wurden wir in der Kaserne gemessen und eingestellt, am 1. April schworen wir den Fahneneid, am 4. begann das Exerciren und am 20. Wolfs Kollegium. Paul ließ sich bei der theologischen Fakultät immatriculiren, hörte aber neben einigen theologischen Kollegien auch den Homer bei Wolf. Dies entzündete seine frühere Liebe zur Philologie, und nach einem halben Jahre trat er zur philosophischen Fakultät über. Als er sich deshalb bei dem Rector Marheineke meldete, bekam er einige sehr spitzige Redensarten zu hören. Seine alte Mutter in Schwedt beruhigte er durch die Versicherung, daß er als Lehrer und Professor weit eher ein Auskommen finden werde, denn als Kandidat und Prediger. So gut die beiden widerstrebenden Lebensberufe als Student und als Pionir sich äußerlich vertrugen, so entstand doch innerlich ein nicht unerheblicher Streit der Empfindungen. Nach 6 langen Jahren von dem Alpdrucke des Gymnasialzwanges, von den täglichen 7 Lehrstunden befreit zu sein, war ein unbeschreiblich wonnereiches Gefühl; ich kann ohne Uebertreibung sagen, daß ich erst damals angefangen, mich meines Lebens recht zu freuen. Es war mir zu Muthe, wie einem umgebogenen und festgebundenen Baume, der nun plötzlich losgelassen in die Homer bei Fr. A. Wolf. Von nun an gingen die beiden Beschäftigungen mit den Wissenschaften und mit dem Kriegshandwerk parallel neben einander her, ohne daß sehr erhebliche Störungen vorkamen. Am 14. März 1818 hielt ich eine lateinische Abgangsrede auf dem Grauen Kloster, am 18. wurden die 33 Freiwilligen vom Obersten von Krohn als Pionire angenommen, am 22. hörte ich eine Osterpredigt von Schleiermacher , die mir ewig unvergeßlich bleiben wird, am 28. wurden wir in der Kaserne gemessen und eingestellt, am 1. April schworen wir den Fahneneid, am 4. begann das Exerciren und am 20. Wolfs Kollegium. Paul ließ sich bei der theologischen Fakultät immatriculiren, hörte aber neben einigen theologischen Kollegien auch den Homer bei Wolf. Dies entzündete seine frühere Liebe zur Philologie, und nach einem halben Jahre trat er zur philosophischen Fakultät über. Als er sich deshalb bei dem Rector Marheineke meldete, bekam er einige sehr spitzige Redensarten zu hören. Seine alte Mutter in Schwedt beruhigte er durch die Versicherung, daß er als Lehrer und Professor weit eher ein Auskommen finden werde, denn als Kandidat und Prediger. So gut die beiden widerstrebenden Lebensberufe als Student und als Pionir sich äußerlich vertrugen, so entstand doch innerlich ein nicht unerheblicher Streit der Empfindungen. Nach 6 langen Jahren von dem Alpdrucke des Gymnasialzwanges, von den täglichen 7 Lehrstunden befreit zu sein, war ein unbeschreiblich wonnereiches Gefühl; ich kann ohne Uebertreibung sagen, daß ich erst damals angefangen, mich meines Lebens recht zu freuen. Es war mir zu Muthe, wie einem umgebogenen und festgebundenen Baume, der nun plötzlich losgelassen in die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0221" n="213"/> Homer bei Fr. A. Wolf. Von nun an gingen die beiden Beschäftigungen mit den Wissenschaften und mit dem Kriegshandwerk parallel neben einander her, ohne daß sehr erhebliche Störungen vorkamen. Am 14. März 1818 hielt ich eine lateinische Abgangsrede auf dem Grauen Kloster, am 18. wurden die 33 Freiwilligen vom Obersten von Krohn als Pionire angenommen, am 22. hörte ich eine Osterpredigt von Schleiermacher , die mir ewig unvergeßlich bleiben wird, am 28. wurden wir in der Kaserne gemessen und eingestellt, am 1. April schworen wir den Fahneneid, am 4. begann das Exerciren und am 20. Wolfs Kollegium. Paul ließ sich bei der theologischen Fakultät immatriculiren, hörte aber neben einigen theologischen Kollegien auch den Homer bei Wolf. Dies entzündete seine frühere Liebe zur Philologie, und nach einem halben Jahre trat er zur philosophischen Fakultät über. Als er sich deshalb bei dem Rector Marheineke meldete, bekam er einige sehr spitzige Redensarten zu hören. Seine alte Mutter in Schwedt beruhigte er durch die Versicherung, daß er als Lehrer und Professor weit eher ein Auskommen finden werde, denn als Kandidat und Prediger. </p><lb/> <p>So gut die beiden widerstrebenden Lebensberufe als Student und als Pionir sich äußerlich vertrugen, so entstand doch innerlich ein nicht unerheblicher Streit der Empfindungen. Nach 6 langen Jahren von dem Alpdrucke des Gymnasialzwanges, von den täglichen 7 Lehrstunden befreit zu sein, war ein unbeschreiblich wonnereiches Gefühl; ich kann ohne Uebertreibung sagen, daß ich erst damals angefangen, mich meines Lebens recht zu freuen. Es war mir zu Muthe, wie einem umgebogenen und festgebundenen Baume, der nun plötzlich losgelassen in die </p> </div> </body> </text> </TEI> [213/0221]
Homer bei Fr. A. Wolf. Von nun an gingen die beiden Beschäftigungen mit den Wissenschaften und mit dem Kriegshandwerk parallel neben einander her, ohne daß sehr erhebliche Störungen vorkamen. Am 14. März 1818 hielt ich eine lateinische Abgangsrede auf dem Grauen Kloster, am 18. wurden die 33 Freiwilligen vom Obersten von Krohn als Pionire angenommen, am 22. hörte ich eine Osterpredigt von Schleiermacher , die mir ewig unvergeßlich bleiben wird, am 28. wurden wir in der Kaserne gemessen und eingestellt, am 1. April schworen wir den Fahneneid, am 4. begann das Exerciren und am 20. Wolfs Kollegium. Paul ließ sich bei der theologischen Fakultät immatriculiren, hörte aber neben einigen theologischen Kollegien auch den Homer bei Wolf. Dies entzündete seine frühere Liebe zur Philologie, und nach einem halben Jahre trat er zur philosophischen Fakultät über. Als er sich deshalb bei dem Rector Marheineke meldete, bekam er einige sehr spitzige Redensarten zu hören. Seine alte Mutter in Schwedt beruhigte er durch die Versicherung, daß er als Lehrer und Professor weit eher ein Auskommen finden werde, denn als Kandidat und Prediger.
So gut die beiden widerstrebenden Lebensberufe als Student und als Pionir sich äußerlich vertrugen, so entstand doch innerlich ein nicht unerheblicher Streit der Empfindungen. Nach 6 langen Jahren von dem Alpdrucke des Gymnasialzwanges, von den täglichen 7 Lehrstunden befreit zu sein, war ein unbeschreiblich wonnereiches Gefühl; ich kann ohne Uebertreibung sagen, daß ich erst damals angefangen, mich meines Lebens recht zu freuen. Es war mir zu Muthe, wie einem umgebogenen und festgebundenen Baume, der nun plötzlich losgelassen in die
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription.
(2014-01-07T13:04:32Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1)
(2014-01-07T13:04:32Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |