Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].freunde versicherten öfter, die alte gepriesene Nicolaische Gastfreundschaft sei auch auf den Schwiegersohn übergegangen. So lange Frau von der Recke und Tiedge in Berlin wohnten, verging selten eine Woche, ohne daß wir sie bei uns sahen; der bewährte Freund Göckingk durfte dann nicht fehlen; der Probst Hanstein belebte die Tafel durch seine anziehenden Erzählungen, ohne daß jemals die oben beim Probste Zöllner gerügten Zweideutigkeiten zum Vorschein kamen. Von den Professoren am Grauen Kloster, die den großen Garten recht fleißig besuchten, war uns der ehrwürdige Mathematiker Gottfried Fischer wegen der Milde seines Karakters der liebste. Den berühmten Astronomen Bode sahen wir öfter in Gesellschaft seines Sohnes, des jetzigen Tribunalpräsidenten bei uns. Mit dem Sohne, der mir an Jahren etwas voraus war, harmonirte ich in der Verehrung für Jean Paul. Einst erwähnte ich mit Entzücken der Beschreibung von Italien im Titan, die um so bewundernswerther sei, da der Autor Italien nie gesehn habe. - Wissen Sie auch, warum er nie zu dieser Reise sich entschließen konnte? - Nein. - Weil in Baireuth das Bier zu gut ist. - Gegen diesen prosaischen Grund wollte ich protestiren, fand ihn aber durch den Staatsrath Langermann vollkommen bestätigt. Dieser hatte früher in Baireuth gelebt, war Jean Pauls Hausarzt gewesen, wurde vom Staatskanzler Hardenberg nach Berlin gezogen, und arbeitete jetzt als vortragender Rath für Medizinalsachen im Altensteinschen Kultusministerium. Langermann konnte nicht verschweigen, daß in Jean Pauls letzten Jahren die Vorliebe für das Bier allzu stark hervorgetreten sei. Dies werde zum Theil entschuldigt durch freunde versicherten öfter, die alte gepriesene Nicolaische Gastfreundschaft sei auch auf den Schwiegersohn übergegangen. So lange Frau von der Recke und Tiedge in Berlin wohnten, verging selten eine Woche, ohne daß wir sie bei uns sahen; der bewährte Freund Göckingk durfte dann nicht fehlen; der Probst Hanstein belebte die Tafel durch seine anziehenden Erzählungen, ohne daß jemals die oben beim Probste Zöllner gerügten Zweideutigkeiten zum Vorschein kamen. Von den Professoren am Grauen Kloster, die den großen Garten recht fleißig besuchten, war uns der ehrwürdige Mathematiker Gottfried Fischer wegen der Milde seines Karakters der liebste. Den berühmten Astronomen Bode sahen wir öfter in Gesellschaft seines Sohnes, des jetzigen Tribunalpräsidenten bei uns. Mit dem Sohne, der mir an Jahren etwas voraus war, harmonirte ich in der Verehrung für Jean Paul. Einst erwähnte ich mit Entzücken der Beschreibung von Italien im Titan, die um so bewundernswerther sei, da der Autor Italien nie gesehn habe. – Wissen Sie auch, warum er nie zu dieser Reise sich entschließen konnte? – Nein. – Weil in Baireuth das Bier zu gut ist. – Gegen diesen prosaischen Grund wollte ich protestiren, fand ihn aber durch den Staatsrath Langermann vollkommen bestätigt. Dieser hatte früher in Baireuth gelebt, war Jean Pauls Hausarzt gewesen, wurde vom Staatskanzler Hardenberg nach Berlin gezogen, und arbeitete jetzt als vortragender Rath für Medizinalsachen im Altensteinschen Kultusministerium. Langermann konnte nicht verschweigen, daß in Jean Pauls letzten Jahren die Vorliebe für das Bier allzu stark hervorgetreten sei. Dies werde zum Theil entschuldigt durch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0143" n="135"/> freunde versicherten öfter, die alte gepriesene Nicolaische Gastfreundschaft sei auch auf den Schwiegersohn übergegangen. </p><lb/> <p>So lange Frau von der Recke und Tiedge in Berlin wohnten, verging selten eine Woche, ohne daß wir sie bei uns sahen; der bewährte Freund Göckingk durfte dann nicht fehlen; der Probst Hanstein belebte die Tafel durch seine anziehenden Erzählungen, ohne daß jemals die oben beim Probste Zöllner gerügten Zweideutigkeiten zum Vorschein kamen. Von den Professoren am Grauen Kloster, die den großen Garten recht fleißig besuchten, war uns der ehrwürdige Mathematiker Gottfried Fischer wegen der Milde seines Karakters der liebste. </p><lb/> <p>Den berühmten Astronomen Bode sahen wir öfter in Gesellschaft seines Sohnes, des jetzigen Tribunalpräsidenten bei uns. Mit dem Sohne, der mir an Jahren etwas voraus war, harmonirte ich in der Verehrung für Jean Paul. Einst erwähnte ich mit Entzücken der Beschreibung von Italien im Titan, die um so bewundernswerther sei, da der Autor Italien nie gesehn habe. – Wissen Sie auch, warum er nie zu dieser Reise sich entschließen konnte? – Nein. – Weil in Baireuth das Bier zu gut ist. – Gegen diesen prosaischen Grund wollte ich protestiren, fand ihn aber durch den Staatsrath Langermann vollkommen bestätigt. Dieser hatte früher in Baireuth gelebt, war Jean Pauls Hausarzt gewesen, wurde vom Staatskanzler Hardenberg nach Berlin gezogen, und arbeitete jetzt als vortragender Rath für Medizinalsachen im Altensteinschen Kultusministerium. Langermann konnte nicht verschweigen, daß in Jean Pauls letzten Jahren die Vorliebe für das Bier allzu stark hervorgetreten sei. Dies werde zum Theil entschuldigt durch </p> </div> </body> </text> </TEI> [135/0143]
freunde versicherten öfter, die alte gepriesene Nicolaische Gastfreundschaft sei auch auf den Schwiegersohn übergegangen.
So lange Frau von der Recke und Tiedge in Berlin wohnten, verging selten eine Woche, ohne daß wir sie bei uns sahen; der bewährte Freund Göckingk durfte dann nicht fehlen; der Probst Hanstein belebte die Tafel durch seine anziehenden Erzählungen, ohne daß jemals die oben beim Probste Zöllner gerügten Zweideutigkeiten zum Vorschein kamen. Von den Professoren am Grauen Kloster, die den großen Garten recht fleißig besuchten, war uns der ehrwürdige Mathematiker Gottfried Fischer wegen der Milde seines Karakters der liebste.
Den berühmten Astronomen Bode sahen wir öfter in Gesellschaft seines Sohnes, des jetzigen Tribunalpräsidenten bei uns. Mit dem Sohne, der mir an Jahren etwas voraus war, harmonirte ich in der Verehrung für Jean Paul. Einst erwähnte ich mit Entzücken der Beschreibung von Italien im Titan, die um so bewundernswerther sei, da der Autor Italien nie gesehn habe. – Wissen Sie auch, warum er nie zu dieser Reise sich entschließen konnte? – Nein. – Weil in Baireuth das Bier zu gut ist. – Gegen diesen prosaischen Grund wollte ich protestiren, fand ihn aber durch den Staatsrath Langermann vollkommen bestätigt. Dieser hatte früher in Baireuth gelebt, war Jean Pauls Hausarzt gewesen, wurde vom Staatskanzler Hardenberg nach Berlin gezogen, und arbeitete jetzt als vortragender Rath für Medizinalsachen im Altensteinschen Kultusministerium. Langermann konnte nicht verschweigen, daß in Jean Pauls letzten Jahren die Vorliebe für das Bier allzu stark hervorgetreten sei. Dies werde zum Theil entschuldigt durch
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription.
(2014-01-07T13:04:32Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1)
(2014-01-07T13:04:32Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |