Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].Ueber die Tafelmusik im zweiten Finale des Don Juan wußte mein Vater Folgendes zu berichten. Cosa rara von Martin war die Lieblingsmusik Kaiser Josephs II. Einst traf er beim Schlusse dieser Oper mit Mozart zusammen, und rief ihm ganz begeistert zu: Gelt, Mozart! so etwas schönes könnt Ihr doch nicht machen! - Wollens halt versuchen, Majestät! war die Antwort. - Darum ließ Mozart in jener Tafelmusik auf das Stück aus Cosa rara und aus I due Litiganti von Sarti sogleich die Arie Figaros folgen, mit der humoristischen Bemerkung Leporellos: Questa poi la conosco pur troppo! Cosa rara ist längst vergessen, und lebt nur noch in jener Anführung Mozarts, der Don Juan und der Figaro werden so lange leben, als überhaupt der Sinn für Musik bestehn wird. Für den Don Juan war mein Vater so eingenommen, daß er selten eine Aufführung versäumte, und ich will gern gestehn, daß ich diese Vorhebe von ihm geerbt. Als ich einst meine Verwunderung gegen ihn aussprach, wie Mozart einen solchen Text habe wählen können, in dem von Anfang bis zu Ende Situationen und Ausdrücke vorkommen, die die Gränze des Anstandes in ganz unerlaubter Weise überschreiten, da äußerte mein Vater, auf den Text habe Mozart überhaupt sehr wenig Werth gelegt, wenn er ihm nur Gelegenheit geboten, seine musikalischen Gedanken auszudrücken; das Unanständige falle dem Abbate Daponte anheim, der ein recht abschreckendes Exempel an seinem Dissoluto punitu habe aufstellen gewollt. Uebrigens mochte mein Vater nicht zugeben, daß der Gesang des steinernen Reiters: Di rider finirai pria dell' aurora! der wie eine Mahnung an den jüngsten Ueber die Tafelmusik im zweiten Finale des Don Juan wußte mein Vater Folgendes zu berichten. Cosa rara von Martin war die Lieblingsmusik Kaiser Josephs II. Einst traf er beim Schlusse dieser Oper mit Mozart zusammen, und rief ihm ganz begeistert zu: Gelt, Mozart! so etwas schönes könnt Ihr doch nicht machen! – Wollens halt versuchen, Majestät! war die Antwort. – Darum ließ Mozart in jener Tafelmusik auf das Stück aus Cosa rara und aus I due Litiganti von Sarti sogleich die Arie Figaros folgen, mit der humoristischen Bemerkung Leporellos: Questa poi la conosco pur troppo! Cosa rara ist längst vergessen, und lebt nur noch in jener Anführung Mozarts, der Don Juan und der Figaro werden so lange leben, als überhaupt der Sinn für Musik bestehn wird. Für den Don Juan war mein Vater so eingenommen, daß er selten eine Aufführung versäumte, und ich will gern gestehn, daß ich diese Vorhebe von ihm geerbt. Als ich einst meine Verwunderung gegen ihn aussprach, wie Mozart einen solchen Text habe wählen können, in dem von Anfang bis zu Ende Situationen und Ausdrücke vorkommen, die die Gränze des Anstandes in ganz unerlaubter Weise überschreiten, da äußerte mein Vater, auf den Text habe Mozart überhaupt sehr wenig Werth gelegt, wenn er ihm nur Gelegenheit geboten, seine musikalischen Gedanken auszudrücken; das Unanständige falle dem Abbate Daponte anheim, der ein recht abschreckendes Exempel an seinem Dissoluto punitu habe aufstellen gewollt. Uebrigens mochte mein Vater nicht zugeben, daß der Gesang des steinernen Reiters: Di rider finirai pria dell’ aurora! der wie eine Mahnung an den jüngsten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p> <pb facs="#f0132" n="124"/> </p><lb/> <p>Ueber die Tafelmusik im zweiten Finale des Don Juan wußte mein Vater Folgendes zu berichten. Cosa rara von Martin war die Lieblingsmusik Kaiser Josephs II. Einst traf er beim Schlusse dieser Oper mit Mozart zusammen, und rief ihm ganz begeistert zu: Gelt, Mozart! so etwas schönes könnt Ihr doch nicht machen! – Wollens halt versuchen, Majestät! war die Antwort. – Darum ließ Mozart in jener Tafelmusik auf das Stück aus Cosa rara und aus I due Litiganti von Sarti sogleich die Arie Figaros folgen, mit der humoristischen Bemerkung Leporellos: Questa poi la conosco pur troppo! Cosa rara ist längst vergessen, und lebt nur noch in jener Anführung Mozarts, der Don Juan und der Figaro werden so lange leben, als überhaupt der Sinn für Musik bestehn wird. </p><lb/> <p>Für den Don Juan war mein Vater so eingenommen, daß er selten eine Aufführung versäumte, und ich will gern gestehn, daß ich diese Vorhebe von ihm geerbt. Als ich einst meine Verwunderung gegen ihn aussprach, wie Mozart einen solchen Text habe wählen können, in dem von Anfang bis zu Ende Situationen und Ausdrücke vorkommen, die die Gränze des Anstandes in ganz unerlaubter Weise überschreiten, da äußerte mein Vater, auf den Text habe Mozart überhaupt sehr wenig Werth gelegt, wenn er ihm nur Gelegenheit geboten, seine musikalischen Gedanken auszudrücken; das Unanständige falle dem Abbate Daponte anheim, der ein recht abschreckendes Exempel an seinem Dissoluto punitu habe aufstellen gewollt. Uebrigens mochte mein Vater nicht zugeben, daß der Gesang des steinernen Reiters: Di rider finirai pria dell’ aurora! der wie eine Mahnung an den jüngsten </p> </div> </body> </text> </TEI> [124/0132]
Ueber die Tafelmusik im zweiten Finale des Don Juan wußte mein Vater Folgendes zu berichten. Cosa rara von Martin war die Lieblingsmusik Kaiser Josephs II. Einst traf er beim Schlusse dieser Oper mit Mozart zusammen, und rief ihm ganz begeistert zu: Gelt, Mozart! so etwas schönes könnt Ihr doch nicht machen! – Wollens halt versuchen, Majestät! war die Antwort. – Darum ließ Mozart in jener Tafelmusik auf das Stück aus Cosa rara und aus I due Litiganti von Sarti sogleich die Arie Figaros folgen, mit der humoristischen Bemerkung Leporellos: Questa poi la conosco pur troppo! Cosa rara ist längst vergessen, und lebt nur noch in jener Anführung Mozarts, der Don Juan und der Figaro werden so lange leben, als überhaupt der Sinn für Musik bestehn wird.
Für den Don Juan war mein Vater so eingenommen, daß er selten eine Aufführung versäumte, und ich will gern gestehn, daß ich diese Vorhebe von ihm geerbt. Als ich einst meine Verwunderung gegen ihn aussprach, wie Mozart einen solchen Text habe wählen können, in dem von Anfang bis zu Ende Situationen und Ausdrücke vorkommen, die die Gränze des Anstandes in ganz unerlaubter Weise überschreiten, da äußerte mein Vater, auf den Text habe Mozart überhaupt sehr wenig Werth gelegt, wenn er ihm nur Gelegenheit geboten, seine musikalischen Gedanken auszudrücken; das Unanständige falle dem Abbate Daponte anheim, der ein recht abschreckendes Exempel an seinem Dissoluto punitu habe aufstellen gewollt. Uebrigens mochte mein Vater nicht zugeben, daß der Gesang des steinernen Reiters: Di rider finirai pria dell’ aurora! der wie eine Mahnung an den jüngsten
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription.
(2014-01-07T13:04:32Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1)
(2014-01-07T13:04:32Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |