Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].konnte. Cosi fan tutte, eine Lieblingsoper meines Vaters, wurde damals sehr selten gegeben, Idomeneo war noch gar nicht über die Bühne gegangen. Wir lernten die beiden anziehenden Arbeiten nun recht genau kennen. Sie wurden natürlich, wie sie komponirt waren, italiänisch vorgetragen, worin ich damals schon recht gut Bescheid wußte. Die Sängerinnen hatten sich wohl auch ein wenig mit der Sprache vertraut gemacht, doch fühlte ich mich ganz besonders geschmeichelt, wenn Amalie oder Auguste mich heimlich um die richtige Aussprache eines schweren Wortes, wie sciagura, sfacciatello etc. befragten. Mein Vater hatte Mozart in Prag öfters gesehn, und wußte manches von ihm zu erzählen. Seine Beschreibung stimmte mit der von Fräulein Stock überein. Mozart war ein kleiner, sehr lebhafter Mann mit gebogener Nase und freundlichen durchdringenden Augen. Die Originalität seines Geistes zeigte sich sogleich, wenn er nur ein paar Griffe auf dem Klaviere that; seine Virtuosität in der Ueberwindung jeder Schwierigkeit setzte in Erstaunen; wenn er aus dem Stegreife ein fugirtes Thema behandelte, so überraschte seine gelehrte Stimmenführung die gewiegtesten böhmischen Musiker. Mein Vater war bei der ersten Aufführung des Don Juan in Prag zugegen; ich erinnre mich nicht, daß er über die vielbesprochene Ausführung der Ouvertüre ohne Probe etwas geäußert habe; wohl aber ist mir dies im Gedächtniß geblieben: als mein Vater seine wärmste Bewunderung der Musik ausdrückte, sagte ihm Mozart halb traurig, er habe die beste Kraft seines Geistes in diese Oper gelegt, und doch sei er gewiß, daß sie den Wienern nicht gefallen werde! So geschah es denn auch; sie ward in Wien sehr kalt aufgenommen. konnte. Cosi fan tutte, eine Lieblingsoper meines Vaters, wurde damals sehr selten gegeben, Idomeneo war noch gar nicht über die Bühne gegangen. Wir lernten die beiden anziehenden Arbeiten nun recht genau kennen. Sie wurden natürlich, wie sie komponirt waren, italiänisch vorgetragen, worin ich damals schon recht gut Bescheid wußte. Die Sängerinnen hatten sich wohl auch ein wenig mit der Sprache vertraut gemacht, doch fühlte ich mich ganz besonders geschmeichelt, wenn Amalie oder Auguste mich heimlich um die richtige Aussprache eines schweren Wortes, wie sciagura, sfacciatello etc. befragten. Mein Vater hatte Mozart in Prag öfters gesehn, und wußte manches von ihm zu erzählen. Seine Beschreibung stimmte mit der von Fräulein Stock überein. Mozart war ein kleiner, sehr lebhafter Mann mit gebogener Nase und freundlichen durchdringenden Augen. Die Originalität seines Geistes zeigte sich sogleich, wenn er nur ein paar Griffe auf dem Klaviere that; seine Virtuosität in der Ueberwindung jeder Schwierigkeit setzte in Erstaunen; wenn er aus dem Stegreife ein fugirtes Thema behandelte, so überraschte seine gelehrte Stimmenführung die gewiegtesten böhmischen Musiker. Mein Vater war bei der ersten Aufführung des Don Juan in Prag zugegen; ich erinnre mich nicht, daß er über die vielbesprochene Ausführung der Ouvertüre ohne Probe etwas geäußert habe; wohl aber ist mir dies im Gedächtniß geblieben: als mein Vater seine wärmste Bewunderung der Musik ausdrückte, sagte ihm Mozart halb traurig, er habe die beste Kraft seines Geistes in diese Oper gelegt, und doch sei er gewiß, daß sie den Wienern nicht gefallen werde! So geschah es denn auch; sie ward in Wien sehr kalt aufgenommen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0131" n="123"/> konnte. Cosi fan tutte, eine Lieblingsoper meines Vaters, wurde damals sehr selten gegeben, Idomeneo war noch gar nicht über die Bühne gegangen. Wir lernten die beiden anziehenden Arbeiten nun recht genau kennen. Sie wurden natürlich, wie sie komponirt waren, italiänisch vorgetragen, worin ich damals schon recht gut Bescheid wußte. Die Sängerinnen hatten sich wohl auch ein wenig mit der Sprache vertraut gemacht, doch fühlte ich mich ganz besonders geschmeichelt, wenn Amalie oder Auguste mich heimlich um die richtige Aussprache eines schweren Wortes, wie sciagura, sfacciatello etc. befragten. </p><lb/> <p>Mein Vater hatte Mozart in Prag öfters gesehn, und wußte manches von ihm zu erzählen. Seine Beschreibung stimmte mit der von Fräulein Stock überein. Mozart war ein kleiner, sehr lebhafter Mann mit gebogener Nase und freundlichen durchdringenden Augen. Die Originalität seines Geistes zeigte sich sogleich, wenn er nur ein paar Griffe auf dem Klaviere that; seine Virtuosität in der Ueberwindung jeder Schwierigkeit setzte in Erstaunen; wenn er aus dem Stegreife ein fugirtes Thema behandelte, so überraschte seine gelehrte Stimmenführung die gewiegtesten böhmischen Musiker. Mein Vater war bei der ersten Aufführung des Don Juan in Prag zugegen; ich erinnre mich nicht, daß er über die vielbesprochene Ausführung der Ouvertüre ohne Probe etwas geäußert habe; wohl aber ist mir dies im Gedächtniß geblieben: als mein Vater seine wärmste Bewunderung der Musik ausdrückte, sagte ihm Mozart halb traurig, er habe die beste Kraft seines Geistes in diese Oper gelegt, und doch sei er gewiß, daß sie den Wienern nicht gefallen werde! So geschah es denn auch; sie ward in Wien sehr kalt aufgenommen. </p> </div> </body> </text> </TEI> [123/0131]
konnte. Cosi fan tutte, eine Lieblingsoper meines Vaters, wurde damals sehr selten gegeben, Idomeneo war noch gar nicht über die Bühne gegangen. Wir lernten die beiden anziehenden Arbeiten nun recht genau kennen. Sie wurden natürlich, wie sie komponirt waren, italiänisch vorgetragen, worin ich damals schon recht gut Bescheid wußte. Die Sängerinnen hatten sich wohl auch ein wenig mit der Sprache vertraut gemacht, doch fühlte ich mich ganz besonders geschmeichelt, wenn Amalie oder Auguste mich heimlich um die richtige Aussprache eines schweren Wortes, wie sciagura, sfacciatello etc. befragten.
Mein Vater hatte Mozart in Prag öfters gesehn, und wußte manches von ihm zu erzählen. Seine Beschreibung stimmte mit der von Fräulein Stock überein. Mozart war ein kleiner, sehr lebhafter Mann mit gebogener Nase und freundlichen durchdringenden Augen. Die Originalität seines Geistes zeigte sich sogleich, wenn er nur ein paar Griffe auf dem Klaviere that; seine Virtuosität in der Ueberwindung jeder Schwierigkeit setzte in Erstaunen; wenn er aus dem Stegreife ein fugirtes Thema behandelte, so überraschte seine gelehrte Stimmenführung die gewiegtesten böhmischen Musiker. Mein Vater war bei der ersten Aufführung des Don Juan in Prag zugegen; ich erinnre mich nicht, daß er über die vielbesprochene Ausführung der Ouvertüre ohne Probe etwas geäußert habe; wohl aber ist mir dies im Gedächtniß geblieben: als mein Vater seine wärmste Bewunderung der Musik ausdrückte, sagte ihm Mozart halb traurig, er habe die beste Kraft seines Geistes in diese Oper gelegt, und doch sei er gewiß, daß sie den Wienern nicht gefallen werde! So geschah es denn auch; sie ward in Wien sehr kalt aufgenommen.
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/131>, abgerufen am 26.07.2024. |