Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].

Bild:
<< vorherige Seite

Theaterintendant, da wird sich die Schlankheit bald einfinden!

Für Kostüm und Dekorationen begann unter Graf Brühl für die Berliner Bühne eine ganz neue Epoche. Die besten Kräfte wurden hiefür in Anspruch genommen. Schinkel verschmähte es nicht, auf Brühls Bitte eine ganze Menge von Stücken durch seine poetischen Konceptionen zu verherrlichen. Wie gern erinnre ich mich des wunderbaren Eindruckes, als in der neu-ausgestatteten Zauberflöte die aus Denon mir wohlbekannte ägyptische Architektur in lebendiger Verkörperung und in künstlerischer Verklärung zum Vorschein kam, und nicht genug zu schelten ist die Barbarei, mit der man in neuster Zeit zwischen die herrlichen Schinkelschen Entwürfe das absurde Machwerk irgend eines sinnlosen Schmierers eingeschoben hat.

Der Wilhelm Tell durfte in der Franzosenzeit wegen der darin herrschenden Freiheitsideen nicht gegeben werden. Als es neu einstudirt ward, ließ Graf Brühl zwei Dekorationsmaler 6 Wochen lang in der Schweiz reisen, um überall die richtigen Ansichten der klassischen Oertlichkeiten aufzunehmen, die Schiller selbst nur mit den Augen des Geistes gesehn, und doch so anschaulich beschrieben. Dafür gewährten auch der Sonnenaufgang am Grütli, das Abendglühen der Jungfrau, der Markt von Altorf einen bezaubernden Anblick. Professor Buttmann versicherte ganz ernsthaft, ihm sei dadurch eine Schweizerreise erspart worden.

Bei der Ausrüstung von Shakspeares Heinrich IV. schickte Graf Brühl den Kostümzeichner zu meinem Vater, um in der Nicolaischen Bibliothek ein seltnes englisches Werk über die Trachten des Mittelalters nachzusehn. Für

Theaterintendant, da wird sich die Schlankheit bald einfinden!

Für Kostüm und Dekorationen begann unter Graf Brühl für die Berliner Bühne eine ganz neue Epoche. Die besten Kräfte wurden hiefür in Anspruch genommen. Schinkel verschmähte es nicht, auf Brühls Bitte eine ganze Menge von Stücken durch seine poetischen Konceptionen zu verherrlichen. Wie gern erinnre ich mich des wunderbaren Eindruckes, als in der neu-ausgestatteten Zauberflöte die aus Denon mir wohlbekannte ägyptische Architektur in lebendiger Verkörperung und in künstlerischer Verklärung zum Vorschein kam, und nicht genug zu schelten ist die Barbarei, mit der man in neuster Zeit zwischen die herrlichen Schinkelschen Entwürfe das absurde Machwerk irgend eines sinnlosen Schmierers eingeschoben hat.

Der Wilhelm Tell durfte in der Franzosenzeit wegen der darin herrschenden Freiheitsideen nicht gegeben werden. Als es neu einstudirt ward, ließ Graf Brühl zwei Dekorationsmaler 6 Wochen lang in der Schweiz reisen, um überall die richtigen Ansichten der klassischen Oertlichkeiten aufzunehmen, die Schiller selbst nur mit den Augen des Geistes gesehn, und doch so anschaulich beschrieben. Dafür gewährten auch der Sonnenaufgang am Grütli, das Abendglühen der Jungfrau, der Markt von Altorf einen bezaubernden Anblick. Professor Buttmann versicherte ganz ernsthaft, ihm sei dadurch eine Schweizerreise erspart worden.

Bei der Ausrüstung von Shakspeares Heinrich IV. schickte Graf Brühl den Kostümzeichner zu meinem Vater, um in der Nicolaischen Bibliothek ein seltnes englisches Werk über die Trachten des Mittelalters nachzusehn. Für

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0114" n="106"/>
Theaterintendant, da wird sich die Schlankheit bald einfinden! </p><lb/>
        <p>Für Kostüm und Dekorationen begann unter Graf Brühl für die Berliner Bühne eine ganz neue Epoche. Die besten Kräfte wurden hiefür in Anspruch genommen. Schinkel verschmähte es nicht, auf Brühls Bitte eine ganze Menge von Stücken durch seine poetischen Konceptionen zu verherrlichen. Wie gern erinnre ich mich des wunderbaren Eindruckes, als in der neu-ausgestatteten Zauberflöte die aus Denon mir wohlbekannte ägyptische Architektur in lebendiger Verkörperung und in künstlerischer Verklärung zum Vorschein kam, und nicht genug zu schelten ist die Barbarei, mit der man in neuster Zeit zwischen die herrlichen Schinkelschen Entwürfe das absurde Machwerk irgend eines sinnlosen Schmierers eingeschoben hat. </p><lb/>
        <p>Der Wilhelm Tell durfte in der Franzosenzeit wegen der darin herrschenden Freiheitsideen nicht gegeben werden. Als es neu einstudirt ward, ließ Graf Brühl zwei Dekorationsmaler 6 Wochen lang in der Schweiz reisen, um überall die richtigen Ansichten der klassischen Oertlichkeiten aufzunehmen, die Schiller selbst nur mit den Augen des Geistes gesehn, und doch so anschaulich beschrieben. Dafür gewährten auch der Sonnenaufgang am Grütli, das Abendglühen der Jungfrau, der Markt von Altorf einen bezaubernden Anblick. Professor Buttmann versicherte ganz ernsthaft, ihm sei dadurch eine Schweizerreise erspart worden. </p><lb/>
        <p>Bei der Ausrüstung von Shakspeares Heinrich IV. schickte Graf Brühl den Kostümzeichner zu meinem Vater, um in der Nicolaischen Bibliothek ein seltnes englisches Werk über die Trachten des Mittelalters nachzusehn. Für
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[106/0114] Theaterintendant, da wird sich die Schlankheit bald einfinden! Für Kostüm und Dekorationen begann unter Graf Brühl für die Berliner Bühne eine ganz neue Epoche. Die besten Kräfte wurden hiefür in Anspruch genommen. Schinkel verschmähte es nicht, auf Brühls Bitte eine ganze Menge von Stücken durch seine poetischen Konceptionen zu verherrlichen. Wie gern erinnre ich mich des wunderbaren Eindruckes, als in der neu-ausgestatteten Zauberflöte die aus Denon mir wohlbekannte ägyptische Architektur in lebendiger Verkörperung und in künstlerischer Verklärung zum Vorschein kam, und nicht genug zu schelten ist die Barbarei, mit der man in neuster Zeit zwischen die herrlichen Schinkelschen Entwürfe das absurde Machwerk irgend eines sinnlosen Schmierers eingeschoben hat. Der Wilhelm Tell durfte in der Franzosenzeit wegen der darin herrschenden Freiheitsideen nicht gegeben werden. Als es neu einstudirt ward, ließ Graf Brühl zwei Dekorationsmaler 6 Wochen lang in der Schweiz reisen, um überall die richtigen Ansichten der klassischen Oertlichkeiten aufzunehmen, die Schiller selbst nur mit den Augen des Geistes gesehn, und doch so anschaulich beschrieben. Dafür gewährten auch der Sonnenaufgang am Grütli, das Abendglühen der Jungfrau, der Markt von Altorf einen bezaubernden Anblick. Professor Buttmann versicherte ganz ernsthaft, ihm sei dadurch eine Schweizerreise erspart worden. Bei der Ausrüstung von Shakspeares Heinrich IV. schickte Graf Brühl den Kostümzeichner zu meinem Vater, um in der Nicolaischen Bibliothek ein seltnes englisches Werk über die Trachten des Mittelalters nachzusehn. Für

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-01-07T13:04:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1) (2014-01-07T13:04:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht übernommen
  • Kolumnentitel: nicht übernommen
  • Kustoden: nicht übernommen
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/114
Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/114>, abgerufen am 19.05.2024.