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Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].

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die Maske des Fallstaff wurden die allerliebsten Kalenderkupfer von Chodowiecki (No. 539) zu Rathe gezogen.

In Spontinis Olympia hatte man ein lebendiges Handbuch der griechischen Kriegsalterthümer aus der Diadochenzeit mit Elephanten und Argyraspiden (Silberschildnern) vor Augen; die Vestalin gewährte die vollständige Ansicht eines römischen Triumphes; die Dekorationen, von Schinkels Meisterhand entworfen, versetzten die Zuschauer nach Rom; die letzte Darstellung der drei Gräber der eingemauerten Vestalinnen an der Stadtmauer bot einen wahrhaft elegischen Anblick. Der Cortez führte uns in die tropische Natur der mexikanischen Landschaften; der hohe, nächtlich flammende Altar für die Menschenopfer konnte in der That Grauen erregen.

Noch genauer ward die Treue des Kostüms in der Maria Stuart beobachtet. Die Ansicht von Fotheringhay war an Ort und Stelle aufgenommen, die Baulichkeiten zeigten den reinsten Tudor-Style. Da man überdies in den Trachten die gleichzeitigen Bildnisse von Elisabeth, Maria Stuart, Burleigh, Leicester u. a. auf das getreuste nachahmte, so schienen jene Personen, aus dem Rahmen gestiegen, auf dem Theater umherzuwandeln. Nicht anders war es im Wallenstein, im Don Carlos, im Egmont.

Gegen diese allzu große Treue des Kostüms habe ich öfter Ludwig Tieck in Dresden eifern hören, der darin einen unnützen Kostenaufwand, eine Effekthascherei, eine Bestechung des Urtheils erblickte. Indessen war es nicht zu verkennen, daß bei ihm die Jugendeindrücke maaßgebend blieben. Er versicherte mich, daß Fleck, den er so schön im Phantasus (3, 604) karakterisirt, nur einen Hermelinmantel und eine goldne Krone gehabt, mit denen

die Maske des Fallstaff wurden die allerliebsten Kalenderkupfer von Chodowiecki (No. 539) zu Rathe gezogen.

In Spontinis Olympia hatte man ein lebendiges Handbuch der griechischen Kriegsalterthümer aus der Diadochenzeit mit Elephanten und Argyraspiden (Silberschildnern) vor Augen; die Vestalin gewährte die vollständige Ansicht eines römischen Triumphes; die Dekorationen, von Schinkels Meisterhand entworfen, versetzten die Zuschauer nach Rom; die letzte Darstellung der drei Gräber der eingemauerten Vestalinnen an der Stadtmauer bot einen wahrhaft elegischen Anblick. Der Cortez führte uns in die tropische Natur der mexikanischen Landschaften; der hohe, nächtlich flammende Altar für die Menschenopfer konnte in der That Grauen erregen.

Noch genauer ward die Treue des Kostüms in der Maria Stuart beobachtet. Die Ansicht von Fotheringhay war an Ort und Stelle aufgenommen, die Baulichkeiten zeigten den reinsten Tudor-Style. Da man überdies in den Trachten die gleichzeitigen Bildnisse von Elisabeth, Maria Stuart, Burleigh, Leicester u. a. auf das getreuste nachahmte, so schienen jene Personen, aus dem Rahmen gestiegen, auf dem Theater umherzuwandeln. Nicht anders war es im Wallenstein, im Don Carlos, im Egmont.

Gegen diese allzu große Treue des Kostüms habe ich öfter Ludwig Tieck in Dresden eifern hören, der darin einen unnützen Kostenaufwand, eine Effekthascherei, eine Bestechung des Urtheils erblickte. Indessen war es nicht zu verkennen, daß bei ihm die Jugendeindrücke maaßgebend blieben. Er versicherte mich, daß Fleck, den er so schön im Phantasus (3, 604) karakterisirt, nur einen Hermelinmantel und eine goldne Krone gehabt, mit denen

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[107/0115] die Maske des Fallstaff wurden die allerliebsten Kalenderkupfer von Chodowiecki (No. 539) zu Rathe gezogen. In Spontinis Olympia hatte man ein lebendiges Handbuch der griechischen Kriegsalterthümer aus der Diadochenzeit mit Elephanten und Argyraspiden (Silberschildnern) vor Augen; die Vestalin gewährte die vollständige Ansicht eines römischen Triumphes; die Dekorationen, von Schinkels Meisterhand entworfen, versetzten die Zuschauer nach Rom; die letzte Darstellung der drei Gräber der eingemauerten Vestalinnen an der Stadtmauer bot einen wahrhaft elegischen Anblick. Der Cortez führte uns in die tropische Natur der mexikanischen Landschaften; der hohe, nächtlich flammende Altar für die Menschenopfer konnte in der That Grauen erregen. Noch genauer ward die Treue des Kostüms in der Maria Stuart beobachtet. Die Ansicht von Fotheringhay war an Ort und Stelle aufgenommen, die Baulichkeiten zeigten den reinsten Tudor-Style. Da man überdies in den Trachten die gleichzeitigen Bildnisse von Elisabeth, Maria Stuart, Burleigh, Leicester u. a. auf das getreuste nachahmte, so schienen jene Personen, aus dem Rahmen gestiegen, auf dem Theater umherzuwandeln. Nicht anders war es im Wallenstein, im Don Carlos, im Egmont. Gegen diese allzu große Treue des Kostüms habe ich öfter Ludwig Tieck in Dresden eifern hören, der darin einen unnützen Kostenaufwand, eine Effekthascherei, eine Bestechung des Urtheils erblickte. Indessen war es nicht zu verkennen, daß bei ihm die Jugendeindrücke maaßgebend blieben. Er versicherte mich, daß Fleck, den er so schön im Phantasus (3, 604) karakterisirt, nur einen Hermelinmantel und eine goldne Krone gehabt, mit denen

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/115>, abgerufen am 24.11.2024.