Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].ihm nicht. Auch das blutige Zerlegen des Thieres mochten wir nicht betrachten, und scheuten uns mehrere Tage lang in den Garten zu gehn. Als wir endlich den Schauplatz des denkwürdigen Vorfalles wieder betraten, zeigte sich in der Rinde des Nußbaumes ein tiefes Loch, von dem Horne des Ochsen hineingestoßen. Dies galt uns als eines der merkwürdigsten Dinge, ja als das Wahrzeichen des Hauses. Das Mal ist noch jetzt, nach 60 Jahren vorhanden, und wird bleiben, so lange der Baum steht. Wurde auch der von den Franzosen geübte Druck von den Kindern am wenigsten empfunden, so hörten wir doch manches, wodurch das Unglück des Vaterlandes sich unvergeßlich einprägte. Bei der finanziellen Bedrängniß des Staates wurden die Beamtengehalte längere Zeit nicht ausgezahlt, und befreundete Personen klagten, daß sie nicht aus noch ein wüßten. Wir sahen einen königlichen Bedienten in verschossener Hoflivree als Wasserträger in der Brüderstraße auf und abgehn, um sein Brod zu verdienen. Weil gar keine preußischen Truppen mehr in der Stadt waren, so errichtete man in Berlin auch eine Nationalgarde, welche für die Sicherheit der Bürger zu sorgen hatte. Wir waren freudig erstaunt, als eines Tages der Vetter Valentin in der bunten Uniform, mit dem Säbel an der Seite und dem dreieckigen Hute auf dem Kopfe ins Zimmer trat. Nicht weniger Lust gewährte es, ihn bei den Sonntagsparaden unter Trommelschall über den Schloßplatz marschiren zu sehn. Aber das Institut fand durchaus keinen Anklang, weil es unter dem Drucke der Fremdherrschaft entstanden war. An eine Bewaffnung des Volkes für nationale Zwecke konnte damals nicht gedacht ihm nicht. Auch das blutige Zerlegen des Thieres mochten wir nicht betrachten, und scheuten uns mehrere Tage lang in den Garten zu gehn. Als wir endlich den Schauplatz des denkwürdigen Vorfalles wieder betraten, zeigte sich in der Rinde des Nußbaumes ein tiefes Loch, von dem Horne des Ochsen hineingestoßen. Dies galt uns als eines der merkwürdigsten Dinge, ja als das Wahrzeichen des Hauses. Das Mal ist noch jetzt, nach 60 Jahren vorhanden, und wird bleiben, so lange der Baum steht. Wurde auch der von den Franzosen geübte Druck von den Kindern am wenigsten empfunden, so hörten wir doch manches, wodurch das Unglück des Vaterlandes sich unvergeßlich einprägte. Bei der finanziellen Bedrängniß des Staates wurden die Beamtengehalte längere Zeit nicht ausgezahlt, und befreundete Personen klagten, daß sie nicht aus noch ein wüßten. Wir sahen einen königlichen Bedienten in verschossener Hoflivree als Wasserträger in der Brüderstraße auf und abgehn, um sein Brod zu verdienen. Weil gar keine preußischen Truppen mehr in der Stadt waren, so errichtete man in Berlin auch eine Nationalgarde, welche für die Sicherheit der Bürger zu sorgen hatte. Wir waren freudig erstaunt, als eines Tages der Vetter Valentin in der bunten Uniform, mit dem Säbel an der Seite und dem dreieckigen Hute auf dem Kopfe ins Zimmer trat. Nicht weniger Lust gewährte es, ihn bei den Sonntagsparaden unter Trommelschall über den Schloßplatz marschiren zu sehn. Aber das Institut fand durchaus keinen Anklang, weil es unter dem Drucke der Fremdherrschaft entstanden war. An eine Bewaffnung des Volkes für nationale Zwecke konnte damals nicht gedacht <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0087" n="75"/> ihm nicht. Auch das blutige Zerlegen des Thieres mochten wir nicht betrachten, und scheuten uns mehrere Tage lang in den Garten zu gehn. 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ihm nicht. Auch das blutige Zerlegen des Thieres mochten wir nicht betrachten, und scheuten uns mehrere Tage lang in den Garten zu gehn. Als wir endlich den Schauplatz des denkwürdigen Vorfalles wieder betraten, zeigte sich in der Rinde des Nußbaumes ein tiefes Loch, von dem Horne des Ochsen hineingestoßen. Dies galt uns als eines der merkwürdigsten Dinge, ja als das Wahrzeichen des Hauses. Das Mal ist noch jetzt, nach 60 Jahren vorhanden, und wird bleiben, so lange der Baum steht.
Wurde auch der von den Franzosen geübte Druck von den Kindern am wenigsten empfunden, so hörten wir doch manches, wodurch das Unglück des Vaterlandes sich unvergeßlich einprägte. Bei der finanziellen Bedrängniß des Staates wurden die Beamtengehalte längere Zeit nicht ausgezahlt, und befreundete Personen klagten, daß sie nicht aus noch ein wüßten. Wir sahen einen königlichen Bedienten in verschossener Hoflivree als Wasserträger in der Brüderstraße auf und abgehn, um sein Brod zu verdienen.
Weil gar keine preußischen Truppen mehr in der Stadt waren, so errichtete man in Berlin auch eine Nationalgarde, welche für die Sicherheit der Bürger zu sorgen hatte. Wir waren freudig erstaunt, als eines Tages der Vetter Valentin in der bunten Uniform, mit dem Säbel an der Seite und dem dreieckigen Hute auf dem Kopfe ins Zimmer trat. Nicht weniger Lust gewährte es, ihn bei den Sonntagsparaden unter Trommelschall über den Schloßplatz marschiren zu sehn. Aber das Institut fand durchaus keinen Anklang, weil es unter dem Drucke der Fremdherrschaft entstanden war. An eine Bewaffnung des Volkes für nationale Zwecke konnte damals nicht gedacht
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/87>, abgerufen am 26.07.2024. |