Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].

Bild:
<< vorherige Seite

diese kühne Unternehmung mislang auf die kläglichste Weise. Jean erkannte uns natürlich sehr bald trotz der Vermummungen und falschen Bärte; er schleuderte die beiden ungezogenen Buben, die ihn nach dem Verschlage zu zerren versuchten, mit einigen französischen Flüchen auf die Seite, und rief: die jungen Herren machen es doch gar zu arg! Dann ging er brummend in seine Kammer, und schloß von innen die Thür ab. Wir standen in unserem Räubercostüm sehr betroffen da, und schlichen endlich beschämt zum Abendessen hinunter. Noch mehrere Tage ängstigte Jean uns durch die Drohung, er werde die Sache den Aeltern anzeigen.

Da Jean außer seinem Dollmetscheramt auch zu Verschickungen gebraucht wurde, so entstanden manchmal, wenn er nicht zugegen war, zwischen unsern Dienstleuten und den Franzosen arge Misverständnisse. Der Koch eines Generales brauchte zu einer Verrichtung Bindfaden; er suchte dies der Köchin auf alle mögliche Weise begreiflich zu machen, aber vergebens; seine Gebehrden werden immer heftiger, doch sie versteht nichts. Da erblickt er auf dem Hauklotz das Küchenbeil, durch dessen Stiel ein Bindfaden gezogen ist. Mit südlicher Lebhaftigkeit stürzt er darauf zu, um den gesuchten Gegenstand der Köchin zu zeigen. Diese sieht ihn mit erhobenem Beile herankommen, und entflieht unter Zetergeschrei über die Gallerie nach dem Zimmer von Tante Jettchen, welche einige Mühe hatte, den Irrthum aufzuklären.

Die übermäßige Einquartirung, mit der die Stadt belastet war, trieb die Preise aller Waaren, und besonders der Lebensmittel auf eine unglaubliche Höhe. Die Bäcker und Schlächter behaupteten, daß die Lieferungen für die

diese kühne Unternehmung mislang auf die kläglichste Weise. Jean erkannte uns natürlich sehr bald trotz der Vermummungen und falschen Bärte; er schleuderte die beiden ungezogenen Buben, die ihn nach dem Verschlage zu zerren versuchten, mit einigen französischen Flüchen auf die Seite, und rief: die jungen Herren machen es doch gar zu arg! Dann ging er brummend in seine Kammer, und schloß von innen die Thür ab. Wir standen in unserem Räubercostüm sehr betroffen da, und schlichen endlich beschämt zum Abendessen hinunter. Noch mehrere Tage ängstigte Jean uns durch die Drohung, er werde die Sache den Aeltern anzeigen.

Da Jean außer seinem Dollmetscheramt auch zu Verschickungen gebraucht wurde, so entstanden manchmal, wenn er nicht zugegen war, zwischen unsern Dienstleuten und den Franzosen arge Misverständnisse. Der Koch eines Generales brauchte zu einer Verrichtung Bindfaden; er suchte dies der Köchin auf alle mögliche Weise begreiflich zu machen, aber vergebens; seine Gebehrden werden immer heftiger, doch sie versteht nichts. Da erblickt er auf dem Hauklotz das Küchenbeil, durch dessen Stiel ein Bindfaden gezogen ist. Mit südlicher Lebhaftigkeit stürzt er darauf zu, um den gesuchten Gegenstand der Köchin zu zeigen. Diese sieht ihn mit erhobenem Beile herankommen, und entflieht unter Zetergeschrei über die Gallerie nach dem Zimmer von Tante Jettchen, welche einige Mühe hatte, den Irrthum aufzuklären.

Die übermäßige Einquartirung, mit der die Stadt belastet war, trieb die Preise aller Waaren, und besonders der Lebensmittel auf eine unglaubliche Höhe. Die Bäcker und Schlächter behaupteten, daß die Lieferungen für die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="1">
          <p><pb facs="#f0085" n="73"/>
diese kühne Unternehmung mislang auf die kläglichste Weise. Jean erkannte uns natürlich sehr bald trotz der Vermummungen und falschen Bärte; er schleuderte die beiden ungezogenen Buben, die ihn nach dem Verschlage zu zerren versuchten, mit einigen französischen Flüchen auf die Seite, und rief: die jungen Herren machen es doch gar zu arg! Dann ging er brummend in seine Kammer, und schloß von innen die Thür ab. Wir standen in unserem Räubercostüm sehr betroffen da, und schlichen endlich beschämt zum Abendessen hinunter. Noch mehrere Tage ängstigte Jean uns durch die Drohung, er werde die Sache den Aeltern anzeigen. </p><lb/>
          <p>Da Jean außer seinem Dollmetscheramt auch zu Verschickungen gebraucht wurde, so entstanden manchmal, wenn er nicht zugegen war, zwischen unsern Dienstleuten und den Franzosen arge Misverständnisse. Der Koch eines Generales brauchte zu einer Verrichtung Bindfaden; er suchte dies der Köchin auf alle mögliche Weise begreiflich zu machen, aber vergebens; seine Gebehrden werden immer heftiger, doch sie versteht nichts. Da erblickt er auf dem Hauklotz das Küchenbeil, durch dessen Stiel ein Bindfaden gezogen ist. Mit südlicher Lebhaftigkeit stürzt er darauf zu, um den gesuchten Gegenstand der Köchin zu zeigen. Diese sieht ihn mit erhobenem Beile herankommen, und entflieht unter Zetergeschrei über die Gallerie nach dem Zimmer von Tante Jettchen, welche einige Mühe hatte, den Irrthum aufzuklären. </p><lb/>
          <p>Die übermäßige Einquartirung, mit der die Stadt belastet war, trieb die Preise aller Waaren, und besonders der Lebensmittel auf eine unglaubliche Höhe. Die Bäcker und Schlächter behaupteten, daß die Lieferungen für die
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[73/0085] diese kühne Unternehmung mislang auf die kläglichste Weise. Jean erkannte uns natürlich sehr bald trotz der Vermummungen und falschen Bärte; er schleuderte die beiden ungezogenen Buben, die ihn nach dem Verschlage zu zerren versuchten, mit einigen französischen Flüchen auf die Seite, und rief: die jungen Herren machen es doch gar zu arg! Dann ging er brummend in seine Kammer, und schloß von innen die Thür ab. Wir standen in unserem Räubercostüm sehr betroffen da, und schlichen endlich beschämt zum Abendessen hinunter. Noch mehrere Tage ängstigte Jean uns durch die Drohung, er werde die Sache den Aeltern anzeigen. Da Jean außer seinem Dollmetscheramt auch zu Verschickungen gebraucht wurde, so entstanden manchmal, wenn er nicht zugegen war, zwischen unsern Dienstleuten und den Franzosen arge Misverständnisse. Der Koch eines Generales brauchte zu einer Verrichtung Bindfaden; er suchte dies der Köchin auf alle mögliche Weise begreiflich zu machen, aber vergebens; seine Gebehrden werden immer heftiger, doch sie versteht nichts. Da erblickt er auf dem Hauklotz das Küchenbeil, durch dessen Stiel ein Bindfaden gezogen ist. Mit südlicher Lebhaftigkeit stürzt er darauf zu, um den gesuchten Gegenstand der Köchin zu zeigen. Diese sieht ihn mit erhobenem Beile herankommen, und entflieht unter Zetergeschrei über die Gallerie nach dem Zimmer von Tante Jettchen, welche einige Mühe hatte, den Irrthum aufzuklären. Die übermäßige Einquartirung, mit der die Stadt belastet war, trieb die Preise aller Waaren, und besonders der Lebensmittel auf eine unglaubliche Höhe. Die Bäcker und Schlächter behaupteten, daß die Lieferungen für die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-01-07T13:04:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1) (2014-01-07T13:04:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht übernommen
  • Kolumnentitel: nicht übernommen
  • Kustoden: nicht übernommen
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/85
Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/85>, abgerufen am 19.05.2024.