Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].grösten Eifer für das Interesse seines Herrn zeigte. Er wies die übertriebenen oder unberechtigten Forderungen der fremden Gewalthaber zurück, und errang manchmal durch richtig angebrachte deutsche Grobheit den Sieg über die französische Zudringlichkeit. Deshalb war er im Hause wohlgelitten, welches aber nicht hinderte, daß die Kinder sich manchen Schabernack mit ihm erlaubten. Wir hatten nämlich gar bald gemerkt, daß er mit Geistesgaben nicht übermäßig gesegnet sei, und spielten seiner Leichtgläubigkeit manchen Possen. Fritz war bei solchen Gelegenheiten der Anführer, und ich begnügte mich mit der zweiten Stelle. Unter andern hatte Fritz, nachdem wir Schillers Räuber gelesen, den Plan entworfen, auf dem Oberboden des Hinterhauses eine Räuberhöhle anzulegen. Hier gab es unter dem dicken Gebälk manchen weiten Schlupfwinkel, weil man damals den Raum der Häuser weniger zu Rathe hielt, als jetzt. Es war uns verboten worden, diese staubigen Oerter zu besuchen, und so lange ich allein stand, gehorchte ich sehr gewissenhaft. Als aber Fritz hinzutrat, hatte sein Vorwitz sehr schnell diese herrlichen Spiel- und Versteckplätze ausgekundschaftet, und bald waren wir darin ganz heimisch. Zu einem geräumigen Lattenverschlage, der im Sommer leer stand, hatten wir uns durch den gutwilligen Hausknecht den Schlüssel verschafft. Jeans Mansardstube lag in der Nähe. Auf diesen Umstand wurde ein großartiger Banditenanschlag gebaut. Jean sollte am Abend von uns beiden vermummten Räubern gefangen und in den Verschlag gesperrt werden. Am andern Morgen sollte er einen feierlichen Eid schwören, nichts von der Sache zu verrathen, und alsdann seine Freiheit wiedererhalten. Doch grösten Eifer für das Interesse seines Herrn zeigte. Er wies die übertriebenen oder unberechtigten Forderungen der fremden Gewalthaber zurück, und errang manchmal durch richtig angebrachte deutsche Grobheit den Sieg über die französische Zudringlichkeit. Deshalb war er im Hause wohlgelitten, welches aber nicht hinderte, daß die Kinder sich manchen Schabernack mit ihm erlaubten. Wir hatten nämlich gar bald gemerkt, daß er mit Geistesgaben nicht übermäßig gesegnet sei, und spielten seiner Leichtgläubigkeit manchen Possen. Fritz war bei solchen Gelegenheiten der Anführer, und ich begnügte mich mit der zweiten Stelle. Unter andern hatte Fritz, nachdem wir Schillers Räuber gelesen, den Plan entworfen, auf dem Oberboden des Hinterhauses eine Räuberhöhle anzulegen. Hier gab es unter dem dicken Gebälk manchen weiten Schlupfwinkel, weil man damals den Raum der Häuser weniger zu Rathe hielt, als jetzt. Es war uns verboten worden, diese staubigen Oerter zu besuchen, und so lange ich allein stand, gehorchte ich sehr gewissenhaft. Als aber Fritz hinzutrat, hatte sein Vorwitz sehr schnell diese herrlichen Spiel- und Versteckplätze ausgekundschaftet, und bald waren wir darin ganz heimisch. Zu einem geräumigen Lattenverschlage, der im Sommer leer stand, hatten wir uns durch den gutwilligen Hausknecht den Schlüssel verschafft. Jeans Mansardstube lag in der Nähe. Auf diesen Umstand wurde ein großartiger Banditenanschlag gebaut. Jean sollte am Abend von uns beiden vermummten Räubern gefangen und in den Verschlag gesperrt werden. Am andern Morgen sollte er einen feierlichen Eid schwören, nichts von der Sache zu verrathen, und alsdann seine Freiheit wiedererhalten. Doch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0084" n="72"/> grösten Eifer für das Interesse seines Herrn zeigte. Er wies die übertriebenen oder unberechtigten Forderungen der fremden Gewalthaber zurück, und errang manchmal durch richtig angebrachte deutsche Grobheit den Sieg über die französische Zudringlichkeit. Deshalb war er im Hause wohlgelitten, welches aber nicht hinderte, daß die Kinder sich manchen Schabernack mit ihm erlaubten. Wir hatten nämlich gar bald gemerkt, daß er mit Geistesgaben nicht übermäßig gesegnet sei, und spielten seiner Leichtgläubigkeit manchen Possen. Fritz war bei solchen Gelegenheiten der Anführer, und ich begnügte mich mit der zweiten Stelle. Unter andern hatte Fritz, nachdem wir Schillers Räuber gelesen, den Plan entworfen, auf dem Oberboden des Hinterhauses eine Räuberhöhle anzulegen. Hier gab es unter dem dicken Gebälk manchen weiten Schlupfwinkel, weil man damals den Raum der Häuser weniger zu Rathe hielt, als jetzt. Es war uns verboten worden, diese staubigen Oerter zu besuchen, und so lange ich allein stand, gehorchte ich sehr gewissenhaft. Als aber Fritz hinzutrat, hatte sein Vorwitz sehr schnell diese herrlichen Spiel- und Versteckplätze ausgekundschaftet, und bald waren wir darin ganz heimisch. Zu einem geräumigen Lattenverschlage, der im Sommer leer stand, hatten wir uns durch den gutwilligen Hausknecht den Schlüssel verschafft. Jeans Mansardstube lag in der Nähe. Auf diesen Umstand wurde ein großartiger Banditenanschlag gebaut. Jean sollte am Abend von uns beiden vermummten Räubern gefangen und in den Verschlag gesperrt werden. Am andern Morgen sollte er einen feierlichen Eid schwören, nichts von der Sache zu verrathen, und alsdann seine Freiheit wiedererhalten. Doch </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [72/0084]
grösten Eifer für das Interesse seines Herrn zeigte. Er wies die übertriebenen oder unberechtigten Forderungen der fremden Gewalthaber zurück, und errang manchmal durch richtig angebrachte deutsche Grobheit den Sieg über die französische Zudringlichkeit. Deshalb war er im Hause wohlgelitten, welches aber nicht hinderte, daß die Kinder sich manchen Schabernack mit ihm erlaubten. Wir hatten nämlich gar bald gemerkt, daß er mit Geistesgaben nicht übermäßig gesegnet sei, und spielten seiner Leichtgläubigkeit manchen Possen. Fritz war bei solchen Gelegenheiten der Anführer, und ich begnügte mich mit der zweiten Stelle. Unter andern hatte Fritz, nachdem wir Schillers Räuber gelesen, den Plan entworfen, auf dem Oberboden des Hinterhauses eine Räuberhöhle anzulegen. Hier gab es unter dem dicken Gebälk manchen weiten Schlupfwinkel, weil man damals den Raum der Häuser weniger zu Rathe hielt, als jetzt. Es war uns verboten worden, diese staubigen Oerter zu besuchen, und so lange ich allein stand, gehorchte ich sehr gewissenhaft. Als aber Fritz hinzutrat, hatte sein Vorwitz sehr schnell diese herrlichen Spiel- und Versteckplätze ausgekundschaftet, und bald waren wir darin ganz heimisch. Zu einem geräumigen Lattenverschlage, der im Sommer leer stand, hatten wir uns durch den gutwilligen Hausknecht den Schlüssel verschafft. Jeans Mansardstube lag in der Nähe. Auf diesen Umstand wurde ein großartiger Banditenanschlag gebaut. Jean sollte am Abend von uns beiden vermummten Räubern gefangen und in den Verschlag gesperrt werden. Am andern Morgen sollte er einen feierlichen Eid schwören, nichts von der Sache zu verrathen, und alsdann seine Freiheit wiedererhalten. Doch
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/84>, abgerufen am 16.02.2025. |