Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].Rückzuge genöthigt ward. Die von ihm Besiegten hatten nach so vielen Niederlagen endlich auch siegen gelernt. Die französischen Geschichtschreiber trösteten sich damit, daß er bei Leipzig von der Uebermacht erdrückt worden sei, es kam aber nachher mehr als einmal vor, daß er bei gleichen Streitkräften in offnen Felde den kürzeren zog. Wunderbar genug war von unseren näheren und entfernten Bekannten gar niemand in dem mörderischen Kampf umgekommen. Die frische Trauer um Theodor Körners Verlust ließ uns manchmal die kindische Frage aufwerfen, warum das Schicksal ihn nicht zwei Monate länger aufgespart? Dann hätte er an der Schlacht von Leipzig Theil nehmen, und seinem Wunsche gemäß in einem Entscheidungskampfe fallen können. Die engen Straßen des kleinen Leipzig, das damals keine Festung mehr war, und wenig Vorstädte besaß, steckten mehrere Tage nach der Schlacht ganz voll von Wagen aller Art, die erst durch ein systematisches Aufräumungsverfahren bei Seite geschafft werden konnten. Die Stadt selbst hatte wenig gelitten, aber in der Umgegend waren fast alle Dörfer in Flammen ausgegangen, und die Einwohner irrten obdachlos umher. Professor Stein vom Grauen Kloster, dessen Reiselust ich schon gerühmt, machte bald nachher einen Ausflug nach Leipzig, um an Ort und Stelle Nachrichten zu sammeln. Er gab uns getreue Schilderungen nicht bloß von dem dort herrschenden Elende, sondern auch von vielen einzelnen Vorgängen der Schlacht, deren Lokalitäten wir auf des Grosvaters Tabaksdose mit vielem Eifer aufzufinden strebten. Für die eingeäscherten Dörfer und Flecken, deren es von der Oder bis zur Elbe nicht wenige gab, ward die Rückzuge genöthigt ward. Die von ihm Besiegten hatten nach so vielen Niederlagen endlich auch siegen gelernt. Die französischen Geschichtschreiber trösteten sich damit, daß er bei Leipzig von der Uebermacht erdrückt worden sei, es kam aber nachher mehr als einmal vor, daß er bei gleichen Streitkräften in offnen Felde den kürzeren zog. Wunderbar genug war von unseren näheren und entfernten Bekannten gar niemand in dem mörderischen Kampf umgekommen. Die frische Trauer um Theodor Körners Verlust ließ uns manchmal die kindische Frage aufwerfen, warum das Schicksal ihn nicht zwei Monate länger aufgespart? Dann hätte er an der Schlacht von Leipzig Theil nehmen, und seinem Wunsche gemäß in einem Entscheidungskampfe fallen können. Die engen Straßen des kleinen Leipzig, das damals keine Festung mehr war, und wenig Vorstädte besaß, steckten mehrere Tage nach der Schlacht ganz voll von Wagen aller Art, die erst durch ein systematisches Aufräumungsverfahren bei Seite geschafft werden konnten. Die Stadt selbst hatte wenig gelitten, aber in der Umgegend waren fast alle Dörfer in Flammen ausgegangen, und die Einwohner irrten obdachlos umher. Professor Stein vom Grauen Kloster, dessen Reiselust ich schon gerühmt, machte bald nachher einen Ausflug nach Leipzig, um an Ort und Stelle Nachrichten zu sammeln. Er gab uns getreue Schilderungen nicht bloß von dem dort herrschenden Elende, sondern auch von vielen einzelnen Vorgängen der Schlacht, deren Lokalitäten wir auf des Grosvaters Tabaksdose mit vielem Eifer aufzufinden strebten. Für die eingeäscherten Dörfer und Flecken, deren es von der Oder bis zur Elbe nicht wenige gab, ward die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0422" n="410"/> Rückzuge genöthigt ward. Die von ihm Besiegten hatten nach so vielen Niederlagen endlich auch siegen gelernt. Die französischen Geschichtschreiber trösteten sich damit, daß er bei Leipzig von der Uebermacht erdrückt worden sei, es kam aber nachher mehr als einmal vor, daß er bei gleichen Streitkräften in offnen Felde den kürzeren zog. </p><lb/> <p>Wunderbar genug war von unseren näheren und entfernten Bekannten gar niemand in dem mörderischen Kampf umgekommen. Die frische Trauer um Theodor Körners Verlust ließ uns manchmal die kindische Frage aufwerfen, warum das Schicksal ihn nicht zwei Monate länger aufgespart? Dann hätte er an der Schlacht von Leipzig Theil nehmen, und seinem Wunsche gemäß in einem Entscheidungskampfe fallen können. </p><lb/> <p>Die engen Straßen des kleinen Leipzig, das damals keine Festung mehr war, und wenig Vorstädte besaß, steckten mehrere Tage nach der Schlacht ganz voll von Wagen aller Art, die erst durch ein systematisches Aufräumungsverfahren bei Seite geschafft werden konnten. Die Stadt selbst hatte wenig gelitten, aber in der Umgegend waren fast alle Dörfer in Flammen ausgegangen, und die Einwohner irrten obdachlos umher. Professor Stein vom Grauen Kloster, dessen Reiselust ich schon gerühmt, machte bald nachher einen Ausflug nach Leipzig, um an Ort und Stelle Nachrichten zu sammeln. Er gab uns getreue Schilderungen nicht bloß von dem dort herrschenden Elende, sondern auch von vielen einzelnen Vorgängen der Schlacht, deren Lokalitäten wir auf des Grosvaters Tabaksdose mit vielem Eifer aufzufinden strebten. </p><lb/> <p>Für die eingeäscherten Dörfer und Flecken, deren es von der Oder bis zur Elbe nicht wenige gab, ward die </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [410/0422]
Rückzuge genöthigt ward. Die von ihm Besiegten hatten nach so vielen Niederlagen endlich auch siegen gelernt. Die französischen Geschichtschreiber trösteten sich damit, daß er bei Leipzig von der Uebermacht erdrückt worden sei, es kam aber nachher mehr als einmal vor, daß er bei gleichen Streitkräften in offnen Felde den kürzeren zog.
Wunderbar genug war von unseren näheren und entfernten Bekannten gar niemand in dem mörderischen Kampf umgekommen. Die frische Trauer um Theodor Körners Verlust ließ uns manchmal die kindische Frage aufwerfen, warum das Schicksal ihn nicht zwei Monate länger aufgespart? Dann hätte er an der Schlacht von Leipzig Theil nehmen, und seinem Wunsche gemäß in einem Entscheidungskampfe fallen können.
Die engen Straßen des kleinen Leipzig, das damals keine Festung mehr war, und wenig Vorstädte besaß, steckten mehrere Tage nach der Schlacht ganz voll von Wagen aller Art, die erst durch ein systematisches Aufräumungsverfahren bei Seite geschafft werden konnten. Die Stadt selbst hatte wenig gelitten, aber in der Umgegend waren fast alle Dörfer in Flammen ausgegangen, und die Einwohner irrten obdachlos umher. Professor Stein vom Grauen Kloster, dessen Reiselust ich schon gerühmt, machte bald nachher einen Ausflug nach Leipzig, um an Ort und Stelle Nachrichten zu sammeln. Er gab uns getreue Schilderungen nicht bloß von dem dort herrschenden Elende, sondern auch von vielen einzelnen Vorgängen der Schlacht, deren Lokalitäten wir auf des Grosvaters Tabaksdose mit vielem Eifer aufzufinden strebten.
Für die eingeäscherten Dörfer und Flecken, deren es von der Oder bis zur Elbe nicht wenige gab, ward die
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription.
(2014-01-07T13:04:32Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1)
(2014-01-07T13:04:32Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |