Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].Vorschein. Er hatte das stürmische Freiheitslied: Das Volk steht auf, der Sturm bricht los, mit gewaltigem Pathos vorgelesen. Wir hörten mit Entzücken zu, verstanden aber nicht, was der "Flamperk" bedeuten solle. Den Dichter gleich danach zu fragen, dazu hatte selbst Fritz nicht den Muth; wir erkundigten uns am andern Morgen bei meinem Vater, der uns belehrte, daß man die altdeutschen zweihändigen Schwerter "Flamberge" genannt. Das Sonett: Die Wunde brennt, die bleichen Lippen beben, machte den tiefsten Eindruck, und alles schwieg, als er es vorgelesen. Ja, ja, sagte er in seiner treuherzigen, natürlichen Art, da war ich allerdings in einer schlimmen Lage; die ersten 10 oder 11 Zeilen hatte ich so ziemlich im Kopfe fertig, aber gegen den Schluß hin vergingen mir wirklich die Sinne! Höchst unterhaltend waren seine Mittheilungen über die Erlebnisse in Wien, wo er seine kurze glänzende Laufbahn als Theaterdichter begann und beschloß. Der Ehrenbezeigungen, die er von den Ungarn wegen seines Zriny empfing, erwähnte er nur ganz beiläufig, dagegen erzählte er mit vielem Humor, wie die guten Wiener sich gewundert, daß ein Ausländer bei ihnen "ein so großes Thier" geworden sei. Nach seinen ersten Bühnenerfolgen habe die Elite der Wiener Gesellschaft sich an ihn gedrängt, um seine Bekanntschaft zu machen. Bei der Aufführung des "Grünen Domino" sei er einmal in das Parterre gegangen, um die Wirkung des Stückes zu beobachten. Dort habe er das Gespräch zweier Herren mit angehört, wovon der eine den andern gefragt, ob er den Dichter des Stückes kenne? O sehr gut, war die Antwort, es ist ein kleiner, untersetzter Mann, etwas korpulent, scheint mir im übrigen Vorschein. Er hatte das stürmische Freiheitslied: Das Volk steht auf, der Sturm bricht los, mit gewaltigem Pathos vorgelesen. Wir hörten mit Entzücken zu, verstanden aber nicht, was der „Flamperk“ bedeuten solle. Den Dichter gleich danach zu fragen, dazu hatte selbst Fritz nicht den Muth; wir erkundigten uns am andern Morgen bei meinem Vater, der uns belehrte, daß man die altdeutschen zweihändigen Schwerter „Flamberge“ genannt. Das Sonett: Die Wunde brennt, die bleichen Lippen beben, machte den tiefsten Eindruck, und alles schwieg, als er es vorgelesen. Ja, ja, sagte er in seiner treuherzigen, natürlichen Art, da war ich allerdings in einer schlimmen Lage; die ersten 10 oder 11 Zeilen hatte ich so ziemlich im Kopfe fertig, aber gegen den Schluß hin vergingen mir wirklich die Sinne! Höchst unterhaltend waren seine Mittheilungen über die Erlebnisse in Wien, wo er seine kurze glänzende Laufbahn als Theaterdichter begann und beschloß. Der Ehrenbezeigungen, die er von den Ungarn wegen seines Zriny empfing, erwähnte er nur ganz beiläufig, dagegen erzählte er mit vielem Humor, wie die guten Wiener sich gewundert, daß ein Ausländer bei ihnen „ein so großes Thier“ geworden sei. Nach seinen ersten Bühnenerfolgen habe die Elite der Wiener Gesellschaft sich an ihn gedrängt, um seine Bekanntschaft zu machen. Bei der Aufführung des „Grünen Domino“ sei er einmal in das Parterre gegangen, um die Wirkung des Stückes zu beobachten. Dort habe er das Gespräch zweier Herren mit angehört, wovon der eine den andern gefragt, ob er den Dichter des Stückes kenne? O sehr gut, war die Antwort, es ist ein kleiner, untersetzter Mann, etwas korpulent, scheint mir im übrigen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0390" n="378"/> Vorschein. Er hatte das stürmische Freiheitslied: Das Volk steht auf, der Sturm bricht los, mit gewaltigem Pathos vorgelesen. 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Vorschein. Er hatte das stürmische Freiheitslied: Das Volk steht auf, der Sturm bricht los, mit gewaltigem Pathos vorgelesen. Wir hörten mit Entzücken zu, verstanden aber nicht, was der „Flamperk“ bedeuten solle. Den Dichter gleich danach zu fragen, dazu hatte selbst Fritz nicht den Muth; wir erkundigten uns am andern Morgen bei meinem Vater, der uns belehrte, daß man die altdeutschen zweihändigen Schwerter „Flamberge“ genannt. Das Sonett: Die Wunde brennt, die bleichen Lippen beben, machte den tiefsten Eindruck, und alles schwieg, als er es vorgelesen. Ja, ja, sagte er in seiner treuherzigen, natürlichen Art, da war ich allerdings in einer schlimmen Lage; die ersten 10 oder 11 Zeilen hatte ich so ziemlich im Kopfe fertig, aber gegen den Schluß hin vergingen mir wirklich die Sinne!
Höchst unterhaltend waren seine Mittheilungen über die Erlebnisse in Wien, wo er seine kurze glänzende Laufbahn als Theaterdichter begann und beschloß. Der Ehrenbezeigungen, die er von den Ungarn wegen seines Zriny empfing, erwähnte er nur ganz beiläufig, dagegen erzählte er mit vielem Humor, wie die guten Wiener sich gewundert, daß ein Ausländer bei ihnen „ein so großes Thier“ geworden sei. Nach seinen ersten Bühnenerfolgen habe die Elite der Wiener Gesellschaft sich an ihn gedrängt, um seine Bekanntschaft zu machen. Bei der Aufführung des „Grünen Domino“ sei er einmal in das Parterre gegangen, um die Wirkung des Stückes zu beobachten. Dort habe er das Gespräch zweier Herren mit angehört, wovon der eine den andern gefragt, ob er den Dichter des Stückes kenne? O sehr gut, war die Antwort, es ist ein kleiner, untersetzter Mann, etwas korpulent, scheint mir im übrigen
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