Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].fällt Ihnen ein? fuhr ihn Körner an, kennen Sie mich nicht? Ich bin der Herr von Vitzthum, und dort drüben sehn Sie mein Schloß liegen. Sie werden doch keinen Paß von mir verlangen, wenn ich meinen Nachbar, den Herrn von Racknitz zu besuchen gehe, dessen Schloß nur 500 Schritte von hier entfernt ist! das könnte Ihnen bei dem Kommandanten, Herrn von Wietersheim, meinem speciellen Freunde, sehr schlecht bekommen! Mit vielen höflichen Entschuldigungen entfernte sich der Gendarme, und Körner kam glücklich über die Gränze. Diese Geschichte hörten wir mit namenloser Lust, und wiederholten sie uns später noch oft, doch will ich nicht läugnen, daß ich jetzt (1868) nach 55 Jahren, die Namen der sächsischen Gutsbesitzer und des Kommandanten nur aufs Gerathewohl hingeschrieben, und deren Richtigkeit nicht verbürgen kann. Körners beide Kopfwunden waren noch nicht geheilt, er konnte nur eine leichte Feldmütze tragen. Das dichte schwarze Haar, dessen Fülle uns bei seinem ersten Besuche in so große Verwunderung gesetzt, war kurz abgeschoren worden, doch konnte er jetzt schon die fatale Perücke entbehren. Ein glücklicher Umstand für uns war es, daß seine kurze Anwesenheit gerade in die Schulferien fiel, wir konnten also den ganzen Tag um den lieben Gast sein, wenn Geschäfte ihn nicht in der Stadt zurückhielten. Abends saß er im traulichen Gespräche an unserem Familientische, oder er las uns von seinen Gedichten aus einem kleinen Quarthefte vor, das er: fällt Ihnen ein? fuhr ihn Körner an, kennen Sie mich nicht? Ich bin der Herr von Vitzthum, und dort drüben sehn Sie mein Schloß liegen. Sie werden doch keinen Paß von mir verlangen, wenn ich meinen Nachbar, den Herrn von Racknitz zu besuchen gehe, dessen Schloß nur 500 Schritte von hier entfernt ist! das könnte Ihnen bei dem Kommandanten, Herrn von Wietersheim, meinem speciellen Freunde, sehr schlecht bekommen! Mit vielen höflichen Entschuldigungen entfernte sich der Gendarme, und Körner kam glücklich über die Gränze. Diese Geschichte hörten wir mit namenloser Lust, und wiederholten sie uns später noch oft, doch will ich nicht läugnen, daß ich jetzt (1868) nach 55 Jahren, die Namen der sächsischen Gutsbesitzer und des Kommandanten nur aufs Gerathewohl hingeschrieben, und deren Richtigkeit nicht verbürgen kann. Körners beide Kopfwunden waren noch nicht geheilt, er konnte nur eine leichte Feldmütze tragen. Das dichte schwarze Haar, dessen Fülle uns bei seinem ersten Besuche in so große Verwunderung gesetzt, war kurz abgeschoren worden, doch konnte er jetzt schon die fatale Perücke entbehren. Ein glücklicher Umstand für uns war es, daß seine kurze Anwesenheit gerade in die Schulferien fiel, wir konnten also den ganzen Tag um den lieben Gast sein, wenn Geschäfte ihn nicht in der Stadt zurückhielten. Abends saß er im traulichen Gespräche an unserem Familientische, oder er las uns von seinen Gedichten aus einem kleinen Quarthefte vor, das er: ‹Leyer und Schwert›, betitelt hatte. Seine tiefe wohlklingende Baßstimme drang bis in das innerste Herz. Obwohl er ein ganz reines Deutsch sprach, so kam doch manchmal der Sachse zum <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0389" n="377"/> fällt Ihnen ein? fuhr ihn Körner an, kennen Sie mich nicht? Ich bin der Herr von Vitzthum, und dort drüben sehn Sie mein Schloß liegen. Sie werden doch keinen Paß von mir verlangen, wenn ich meinen Nachbar, den Herrn von Racknitz zu besuchen gehe, dessen Schloß nur 500 Schritte von hier entfernt ist! das könnte Ihnen bei dem Kommandanten, Herrn von Wietersheim, meinem speciellen Freunde, sehr schlecht bekommen! Mit vielen höflichen Entschuldigungen entfernte sich der Gendarme, und Körner kam glücklich über die Gränze. </p><lb/> <p>Diese Geschichte hörten wir mit namenloser Lust, und wiederholten sie uns später noch oft, doch will ich nicht läugnen, daß ich jetzt (1868) nach 55 Jahren, die Namen der sächsischen Gutsbesitzer und des Kommandanten nur aufs Gerathewohl hingeschrieben, und deren Richtigkeit nicht verbürgen kann. </p><lb/> <p>Körners beide Kopfwunden waren noch nicht geheilt, er konnte nur eine leichte Feldmütze tragen. Das dichte schwarze Haar, dessen Fülle uns bei seinem ersten Besuche in so große Verwunderung gesetzt, war kurz abgeschoren worden, doch konnte er jetzt schon die fatale Perücke entbehren. Ein glücklicher Umstand für uns war es, daß seine kurze Anwesenheit gerade in die Schulferien fiel, wir konnten also den ganzen Tag um den lieben Gast sein, wenn Geschäfte ihn nicht in der Stadt zurückhielten. Abends saß er im traulichen Gespräche an unserem Familientische, oder er las uns von seinen Gedichten aus einem kleinen Quarthefte vor, das er: ‹Leyer und Schwert›, betitelt hatte. Seine tiefe wohlklingende Baßstimme drang bis in das innerste Herz. Obwohl er ein ganz reines Deutsch sprach, so kam doch manchmal der Sachse zum </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [377/0389]
fällt Ihnen ein? fuhr ihn Körner an, kennen Sie mich nicht? Ich bin der Herr von Vitzthum, und dort drüben sehn Sie mein Schloß liegen. Sie werden doch keinen Paß von mir verlangen, wenn ich meinen Nachbar, den Herrn von Racknitz zu besuchen gehe, dessen Schloß nur 500 Schritte von hier entfernt ist! das könnte Ihnen bei dem Kommandanten, Herrn von Wietersheim, meinem speciellen Freunde, sehr schlecht bekommen! Mit vielen höflichen Entschuldigungen entfernte sich der Gendarme, und Körner kam glücklich über die Gränze.
Diese Geschichte hörten wir mit namenloser Lust, und wiederholten sie uns später noch oft, doch will ich nicht läugnen, daß ich jetzt (1868) nach 55 Jahren, die Namen der sächsischen Gutsbesitzer und des Kommandanten nur aufs Gerathewohl hingeschrieben, und deren Richtigkeit nicht verbürgen kann.
Körners beide Kopfwunden waren noch nicht geheilt, er konnte nur eine leichte Feldmütze tragen. Das dichte schwarze Haar, dessen Fülle uns bei seinem ersten Besuche in so große Verwunderung gesetzt, war kurz abgeschoren worden, doch konnte er jetzt schon die fatale Perücke entbehren. Ein glücklicher Umstand für uns war es, daß seine kurze Anwesenheit gerade in die Schulferien fiel, wir konnten also den ganzen Tag um den lieben Gast sein, wenn Geschäfte ihn nicht in der Stadt zurückhielten. Abends saß er im traulichen Gespräche an unserem Familientische, oder er las uns von seinen Gedichten aus einem kleinen Quarthefte vor, das er: ‹Leyer und Schwert›, betitelt hatte. Seine tiefe wohlklingende Baßstimme drang bis in das innerste Herz. Obwohl er ein ganz reines Deutsch sprach, so kam doch manchmal der Sachse zum
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