Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].testant erzogen, trat aber auf einer Reise nach Italien in Bologna zum Katholicismus über. Der jetzt regierende Herrscher, Friedrich August I., von Napoleons Gnaden zum Könige erhoben, saß schon seit 1763, dem Jahre des Hubertsburger Friedens, auf dem Throne. Ihm wußte man nichts übles nachzusagen, und machte ihm nur seine allzugroße Anhänglichkeit an Napoleon I. zum Vorwurf. Als Curiosum ward uns mitgetheilt, daß Friedrich August dem allverehrten Gellert in Leipzig einen zahmen Schimmel geschenkt, auf dem der kränkliche Dichter sich täglich Bewegung gemacht habe. Zu meines Vaters Dresdner Freunden gehörte auch der Maler Anton Graff, dem wir gar bald einen Besuch machten. Der freundliche alte Herr mit jovialem pockennarbigen Gesicht saß in seiner Werkstatt an der Staffelei. Der Empfang war ein sehr herzlicher, und bald vertieften sich die beiden Freunde in ein lebhaftes Gespräch über vergangene Zeiten, während dessen Graff nicht aufhörte zu malen. Diese Fähigkeit beim Sprechen fortzuarbeiten, machte es ihm möglich, eine so große Menge Bilder zu vollenden. Er zählte damals bereits 76 Jahre (geb. 1736) und starb bald darauf im Jahre 1813. Die Anzahl seiner Portraits beläuft sich auf 1500. Ein kurländischer Edelmann, den mein Vater kannte, fragte einst den malenden Graff sehr naiv: wie er denn seine schönen Bilder zu Stande bringe? Er antwortete: wie Sie sehn, Herr Baron, ich setze immer ein Tippelchen neben das andre! Die in der Werkstatt herumstehenden Bilder waren lauter Portraits, hatten mithin für die Kinder nicht viel anziehendes; wir fingen an, uns herzlich zu langweilen, und waren sehr zufrieden, als mein Vater endlich aufbrach. testant erzogen, trat aber auf einer Reise nach Italien in Bologna zum Katholicismus über. Der jetzt regierende Herrscher, Friedrich August I., von Napoléons Gnaden zum Könige erhoben, saß schon seit 1763, dem Jahre des Hubertsburger Friedens, auf dem Throne. Ihm wußte man nichts übles nachzusagen, und machte ihm nur seine allzugroße Anhänglichkeit an Napoléon I. zum Vorwurf. Als Curiosum ward uns mitgetheilt, daß Friedrich August dem allverehrten Gellert in Leipzig einen zahmen Schimmel geschenkt, auf dem der kränkliche Dichter sich täglich Bewegung gemacht habe. Zu meines Vaters Dresdner Freunden gehörte auch der Maler Anton Graff, dem wir gar bald einen Besuch machten. Der freundliche alte Herr mit jovialem pockennarbigen Gesicht saß in seiner Werkstatt an der Staffelei. Der Empfang war ein sehr herzlicher, und bald vertieften sich die beiden Freunde in ein lebhaftes Gespräch über vergangene Zeiten, während dessen Graff nicht aufhörte zu malen. Diese Fähigkeit beim Sprechen fortzuarbeiten, machte es ihm möglich, eine so große Menge Bilder zu vollenden. Er zählte damals bereits 76 Jahre (geb. 1736) und starb bald darauf im Jahre 1813. Die Anzahl seiner Portraits beläuft sich auf 1500. Ein kurländischer Edelmann, den mein Vater kannte, fragte einst den malenden Graff sehr naiv: wie er denn seine schönen Bilder zu Stande bringe? Er antwortete: wie Sie sehn, Herr Baron, ich setze immer ein Tippelchen neben das andre! Die in der Werkstatt herumstehenden Bilder waren lauter Portraits, hatten mithin für die Kinder nicht viel anziehendes; wir fingen an, uns herzlich zu langweilen, und waren sehr zufrieden, als mein Vater endlich aufbrach. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0316" n="304"/> testant erzogen, trat aber auf einer Reise nach Italien in Bologna zum Katholicismus über. Der jetzt regierende Herrscher, Friedrich August I., von Napoléons Gnaden zum Könige erhoben, saß schon seit 1763, dem Jahre des Hubertsburger Friedens, auf dem Throne. Ihm wußte man nichts übles nachzusagen, und machte ihm nur seine allzugroße Anhänglichkeit an Napoléon I. zum Vorwurf. Als Curiosum ward uns mitgetheilt, daß Friedrich August dem allverehrten Gellert in Leipzig einen zahmen Schimmel geschenkt, auf dem der kränkliche Dichter sich täglich Bewegung gemacht habe. </p><lb/> <p>Zu meines Vaters Dresdner Freunden gehörte auch der Maler Anton Graff, dem wir gar bald einen Besuch machten. Der freundliche alte Herr mit jovialem pockennarbigen Gesicht saß in seiner Werkstatt an der Staffelei. Der Empfang war ein sehr herzlicher, und bald vertieften sich die beiden Freunde in ein lebhaftes Gespräch über vergangene Zeiten, während dessen Graff nicht aufhörte zu malen. Diese Fähigkeit beim Sprechen fortzuarbeiten, machte es ihm möglich, eine so große Menge Bilder zu vollenden. Er zählte damals bereits 76 Jahre (geb. 1736) und starb bald darauf im Jahre 1813. Die Anzahl seiner Portraits beläuft sich auf 1500. 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testant erzogen, trat aber auf einer Reise nach Italien in Bologna zum Katholicismus über. Der jetzt regierende Herrscher, Friedrich August I., von Napoléons Gnaden zum Könige erhoben, saß schon seit 1763, dem Jahre des Hubertsburger Friedens, auf dem Throne. Ihm wußte man nichts übles nachzusagen, und machte ihm nur seine allzugroße Anhänglichkeit an Napoléon I. zum Vorwurf. Als Curiosum ward uns mitgetheilt, daß Friedrich August dem allverehrten Gellert in Leipzig einen zahmen Schimmel geschenkt, auf dem der kränkliche Dichter sich täglich Bewegung gemacht habe.
Zu meines Vaters Dresdner Freunden gehörte auch der Maler Anton Graff, dem wir gar bald einen Besuch machten. Der freundliche alte Herr mit jovialem pockennarbigen Gesicht saß in seiner Werkstatt an der Staffelei. Der Empfang war ein sehr herzlicher, und bald vertieften sich die beiden Freunde in ein lebhaftes Gespräch über vergangene Zeiten, während dessen Graff nicht aufhörte zu malen. Diese Fähigkeit beim Sprechen fortzuarbeiten, machte es ihm möglich, eine so große Menge Bilder zu vollenden. Er zählte damals bereits 76 Jahre (geb. 1736) und starb bald darauf im Jahre 1813. Die Anzahl seiner Portraits beläuft sich auf 1500. Ein kurländischer Edelmann, den mein Vater kannte, fragte einst den malenden Graff sehr naiv: wie er denn seine schönen Bilder zu Stande bringe? Er antwortete: wie Sie sehn, Herr Baron, ich setze immer ein Tippelchen neben das andre! Die in der Werkstatt herumstehenden Bilder waren lauter Portraits, hatten mithin für die Kinder nicht viel anziehendes; wir fingen an, uns herzlich zu langweilen, und waren sehr zufrieden, als mein Vater endlich aufbrach.
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