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Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].

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lich vier, mit leinenen Decken behangen, neben einander gespannt. Die Statur der Ochsen war so niedrig, daß ein Knabe im Vorbeigehn ein Horn erfassen und einen Augenblick lang in der Hand halten konnte, ehe das langsame Thier durch eine Kopfbewegung sich losmachte.

Dies Manöver gewährte Fritzen ein ganz besonderes Vergnügen, und er wiederholte es so lange, bis ein unruhiges Thier ihm einen tüchtigen Stoß in die Hand versetzte.

Auch liebte er es, an einen neben den Wagen stehenden Bauern ganz ernsthaft die höfliche Frage zu richten: Monsieur, quelle heure est-il, s'il vous plait? worauf denn meistentheils eine verlegene, oft auch eine grobe Antwort erfolgte.

Bei dem Drängen durch das Gewühl des Molkenmarktes ging Fritz natürlich voran, und wußte die Schulmappe sehr gewandt bald als Schild und Brustwehr gegen die schweren Obstkörbe, bald als Mauerbrecher durch die Knäuel der Hökerweiber zu benutzen.

Nun war der Mühlendamm erreicht, in dessen bedeckten Gängen wir uns etwas erholten, und die kostbaren Waarenmagazine bewunderten, die damals für die ersten und elegantesten in Berlin galten. Die vornehme Firma einer Seidenhandlung "König und Herzog" zog uns ganz besonders an; wir glaubten, daß hier auch die herrlichsten Waaren sich finden müßten.

Eine schwierige Passage bot noch der Kölnische Fischmarkt, der später nach der Inselbrücke verlegt ward: denn damals drängten sich die Fässer mit den zu verkaufenden Fischen bis weit in die Straße hinein, und gegenüber standen gewöhnlich lange Wagen mit riesigen Mehlsäcken, die

lich vier, mit leinenen Decken behangen, neben einander gespannt. Die Statur der Ochsen war so niedrig, daß ein Knabe im Vorbeigehn ein Horn erfassen und einen Augenblick lang in der Hand halten konnte, ehe das langsame Thier durch eine Kopfbewegung sich losmachte.

Dies Manöver gewährte Fritzen ein ganz besonderes Vergnügen, und er wiederholte es so lange, bis ein unruhiges Thier ihm einen tüchtigen Stoß in die Hand versetzte.

Auch liebte er es, an einen neben den Wagen stehenden Bauern ganz ernsthaft die höfliche Frage zu richten: Monsieur, quelle heure est-il, s’il vous plait? worauf denn meistentheils eine verlegene, oft auch eine grobe Antwort erfolgte.

Bei dem Drängen durch das Gewühl des Molkenmarktes ging Fritz natürlich voran, und wußte die Schulmappe sehr gewandt bald als Schild und Brustwehr gegen die schweren Obstkörbe, bald als Mauerbrecher durch die Knäuel der Hökerweiber zu benutzen.

Nun war der Mühlendamm erreicht, in dessen bedeckten Gängen wir uns etwas erholten, und die kostbaren Waarenmagazine bewunderten, die damals für die ersten und elegantesten in Berlin galten. Die vornehme Firma einer Seidenhandlung „König und Herzog“ zog uns ganz besonders an; wir glaubten, daß hier auch die herrlichsten Waaren sich finden müßten.

Eine schwierige Passage bot noch der Kölnische Fischmarkt, der später nach der Inselbrücke verlegt ward: denn damals drängten sich die Fässer mit den zu verkaufenden Fischen bis weit in die Straße hinein, und gegenüber standen gewöhnlich lange Wagen mit riesigen Mehlsäcken, die

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[128/0140] lich vier, mit leinenen Decken behangen, neben einander gespannt. Die Statur der Ochsen war so niedrig, daß ein Knabe im Vorbeigehn ein Horn erfassen und einen Augenblick lang in der Hand halten konnte, ehe das langsame Thier durch eine Kopfbewegung sich losmachte. Dies Manöver gewährte Fritzen ein ganz besonderes Vergnügen, und er wiederholte es so lange, bis ein unruhiges Thier ihm einen tüchtigen Stoß in die Hand versetzte. Auch liebte er es, an einen neben den Wagen stehenden Bauern ganz ernsthaft die höfliche Frage zu richten: Monsieur, quelle heure est-il, s’il vous plait? worauf denn meistentheils eine verlegene, oft auch eine grobe Antwort erfolgte. Bei dem Drängen durch das Gewühl des Molkenmarktes ging Fritz natürlich voran, und wußte die Schulmappe sehr gewandt bald als Schild und Brustwehr gegen die schweren Obstkörbe, bald als Mauerbrecher durch die Knäuel der Hökerweiber zu benutzen. Nun war der Mühlendamm erreicht, in dessen bedeckten Gängen wir uns etwas erholten, und die kostbaren Waarenmagazine bewunderten, die damals für die ersten und elegantesten in Berlin galten. Die vornehme Firma einer Seidenhandlung „König und Herzog“ zog uns ganz besonders an; wir glaubten, daß hier auch die herrlichsten Waaren sich finden müßten. Eine schwierige Passage bot noch der Kölnische Fischmarkt, der später nach der Inselbrücke verlegt ward: denn damals drängten sich die Fässer mit den zu verkaufenden Fischen bis weit in die Straße hinein, und gegenüber standen gewöhnlich lange Wagen mit riesigen Mehlsäcken, die

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/140>, abgerufen am 24.11.2024.