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Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].

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Fast noch mehr Betrübniß als dies tragische Ereigniß, das uns nicht sehr anfocht, erregte die zunehmende Kränklichkeit und Schwäche des guten Wasser; als wir ihn eines Morgens in seiner Hütte todt fanden, wurde bedeutend viel geweint. Wir begruben ihn an der Gartenmauer hinter einer dichten Ulmenhecke. Ich wußte damals schon mit Säge und Hobel umzugehn, und zimmerte einen Stab mit hölzerner Tafel, die auf schwarzem Grunde die weiße Inschrift trug: Hier liegt Wasser, zehn Jahre lang unser treuer Hund und Freund.

Der Schulbesuch vom großen Garten aus war schon in jener Zeit, obgleich der Verkehr auf den Straßen weit hinter dem jetzigen zurückstand, nicht ohne Beschwerde. In den ersten Jahren wurden wir durch den Bedienten Wilhelm geführt, aber bald emancipirten wir uns.

Die Lehmgasse war nur in ihren Anfängen an der Contrescarpe (jetzt Alexanderstraße) gepflastert; gegen den Grünen Weg hin hörte der feste Boden auf, und da gewährte uns bei Regenwetter ein geschicktes Springen und Hüpfen von Stein zu Stein die gröste Lust. Die Stralauer Straße besaß eine große Menge von Ausspannungen für die Bauern der östlichen Umgegend, die Mittwochs und Sonnabends ihre Früchte auf den Molkenmarkt brachten. Viele Häuser waren mit Rampen oder steilen Auffahrten versehn; auf den Bürgersteigen ging man daher unaufhörlich bergauf und bergab; auf dem Damme standen zu beiden Seiten die mit kleinen Ochsen oder Pferden bespannten Bauerwagen. Dies Pygmäengeschlecht von Vierfüßern, ein achtes Produkt der sandigen Mark, scheint jetzt gänzlich ausgestorben und durch eine größere Zucht ersetzt zu sein. Von den winzigen Pferden waren gewöhn-

Fast noch mehr Betrübniß als dies tragische Ereigniß, das uns nicht sehr anfocht, erregte die zunehmende Kränklichkeit und Schwäche des guten Wasser; als wir ihn eines Morgens in seiner Hütte todt fanden, wurde bedeutend viel geweint. Wir begruben ihn an der Gartenmauer hinter einer dichten Ulmenhecke. Ich wußte damals schon mit Säge und Hobel umzugehn, und zimmerte einen Stab mit hölzerner Tafel, die auf schwarzem Grunde die weiße Inschrift trug: Hier liegt Wasser, zehn Jahre lang unser treuer Hund und Freund.

Der Schulbesuch vom großen Garten aus war schon in jener Zeit, obgleich der Verkehr auf den Straßen weit hinter dem jetzigen zurückstand, nicht ohne Beschwerde. In den ersten Jahren wurden wir durch den Bedienten Wilhelm geführt, aber bald emancipirten wir uns.

Die Lehmgasse war nur in ihren Anfängen an der Contrescarpe (jetzt Alexanderstraße) gepflastert; gegen den Grünen Weg hin hörte der feste Boden auf, und da gewährte uns bei Regenwetter ein geschicktes Springen und Hüpfen von Stein zu Stein die gröste Lust. Die Stralauer Straße besaß eine große Menge von Ausspannungen für die Bauern der östlichen Umgegend, die Mittwochs und Sonnabends ihre Früchte auf den Molkenmarkt brachten. Viele Häuser waren mit Rampen oder steilen Auffahrten versehn; auf den Bürgersteigen ging man daher unaufhörlich bergauf und bergab; auf dem Damme standen zu beiden Seiten die mit kleinen Ochsen oder Pferden bespannten Bauerwagen. Dies Pygmäengeschlecht von Vierfüßern, ein achtes Produkt der sandigen Mark, scheint jetzt gänzlich ausgestorben und durch eine größere Zucht ersetzt zu sein. Von den winzigen Pferden waren gewöhn-

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[127/0139] Fast noch mehr Betrübniß als dies tragische Ereigniß, das uns nicht sehr anfocht, erregte die zunehmende Kränklichkeit und Schwäche des guten Wasser; als wir ihn eines Morgens in seiner Hütte todt fanden, wurde bedeutend viel geweint. Wir begruben ihn an der Gartenmauer hinter einer dichten Ulmenhecke. Ich wußte damals schon mit Säge und Hobel umzugehn, und zimmerte einen Stab mit hölzerner Tafel, die auf schwarzem Grunde die weiße Inschrift trug: Hier liegt Wasser, zehn Jahre lang unser treuer Hund und Freund. Der Schulbesuch vom großen Garten aus war schon in jener Zeit, obgleich der Verkehr auf den Straßen weit hinter dem jetzigen zurückstand, nicht ohne Beschwerde. In den ersten Jahren wurden wir durch den Bedienten Wilhelm geführt, aber bald emancipirten wir uns. Die Lehmgasse war nur in ihren Anfängen an der Contrescarpe (jetzt Alexanderstraße) gepflastert; gegen den Grünen Weg hin hörte der feste Boden auf, und da gewährte uns bei Regenwetter ein geschicktes Springen und Hüpfen von Stein zu Stein die gröste Lust. Die Stralauer Straße besaß eine große Menge von Ausspannungen für die Bauern der östlichen Umgegend, die Mittwochs und Sonnabends ihre Früchte auf den Molkenmarkt brachten. Viele Häuser waren mit Rampen oder steilen Auffahrten versehn; auf den Bürgersteigen ging man daher unaufhörlich bergauf und bergab; auf dem Damme standen zu beiden Seiten die mit kleinen Ochsen oder Pferden bespannten Bauerwagen. Dies Pygmäengeschlecht von Vierfüßern, ein achtes Produkt der sandigen Mark, scheint jetzt gänzlich ausgestorben und durch eine größere Zucht ersetzt zu sein. Von den winzigen Pferden waren gewöhn-

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/139>, abgerufen am 19.05.2024.