Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Pahl, Johann Gottfried]: Leben und Thaten des ehrwürdigen Paters Simpertus. Madrit [i. e. Heilbronn], 1799.

Bild:
<< vorherige Seite

Ehrgefühle bleibe der Gebrauch überlassen, den er davon machen wolle." Ich legte dieses Schreiben zu dem von dem Juden verfertigten Liebesbriefe, zog ein Kouvert darüber, und siegelte es zu. Abends in der Dämmerung gieng ich als Livree-Bedienter verkleidet, in die Straße, in der mein Mann gewöhnlich um diese Zeit aus dem Archive zurück kam. Was seyn soll schickt sich wohl. Er eilte die Straße herauf, um in den Armen seines schönen Weibes den Lohn für die Arbeit des Tages zu suchen. Ich übergab ihm den Brief und verschwand. Ohne etwas Arges zu vermuthen, schlenderte er fort. Ich folgte ihm von weitem nach. Ich hatte absichtlich die Zeit gewählt, wo sich der Abbe gewöhnlich in seinem Hause befand.

Ich stand der Thüre gegenüber, wo ich alles deutlich sehen konnte, was in dem helle beleuchteten Zimmer vorgieng. Die Straße war voll Menschen. Es kostete mich aber Mühe, die Gewissensbisse, die mich in diesem Augenblicke anwandelten, niederzuschlagen. Das Herz pochte mir, wie einem Missethäter, der zum Tode geführt wird. Ich empfand das ganze Unglück der beyden Eheleute, die durch

Ehrgefühle bleibe der Gebrauch überlassen, den er davon machen wolle.“ Ich legte dieses Schreiben zu dem von dem Juden verfertigten Liebesbriefe, zog ein Kouvert darüber, und siegelte es zu. Abends in der Dämmerung gieng ich als Livree-Bedienter verkleidet, in die Straße, in der mein Mann gewöhnlich um diese Zeit aus dem Archive zurück kam. Was seyn soll schickt sich wohl. Er eilte die Straße herauf, um in den Armen seines schönen Weibes den Lohn für die Arbeit des Tages zu suchen. Ich übergab ihm den Brief und verschwand. Ohne etwas Arges zu vermuthen, schlenderte er fort. Ich folgte ihm von weitem nach. Ich hatte absichtlich die Zeit gewählt, wo sich der Abbe gewöhnlich in seinem Hause befand.

Ich stand der Thüre gegenüber, wo ich alles deutlich sehen konnte, was in dem helle beleuchteten Zimmer vorgieng. Die Straße war voll Menschen. Es kostete mich aber Mühe, die Gewissensbisse, die mich in diesem Augenblicke anwandelten, niederzuschlagen. Das Herz pochte mir, wie einem Missethäter, der zum Tode geführt wird. Ich empfand das ganze Unglück der beyden Eheleute, die durch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0092" n="92"/>
Ehrgefühle bleibe der Gebrauch überlassen, den er davon machen wolle.&#x201C; Ich legte dieses Schreiben zu dem von dem Juden verfertigten Liebesbriefe, zog ein Kouvert darüber, und siegelte es zu. Abends in der Dämmerung gieng ich als Livree-Bedienter verkleidet, in die Straße, in der mein Mann gewöhnlich um diese Zeit aus dem Archive zurück kam. Was seyn soll schickt sich wohl. Er eilte die Straße herauf, um in den Armen seines schönen Weibes den Lohn für die Arbeit des Tages zu suchen. Ich übergab ihm den Brief und verschwand. Ohne etwas Arges zu vermuthen, <choice><sic>schleuderte</sic><corr>schlenderte</corr></choice> er fort. Ich folgte ihm von weitem nach. Ich hatte absichtlich die Zeit gewählt, wo sich der Abbe gewöhnlich in seinem Hause befand.</p>
        <p>Ich stand der Thüre gegenüber, wo ich alles deutlich sehen konnte, was in dem helle beleuchteten Zimmer vorgieng. Die Straße war voll Menschen. Es kostete mich aber Mühe, die Gewissensbisse, die mich in diesem Augenblicke anwandelten, niederzuschlagen. Das Herz pochte mir, wie einem Missethäter, der zum Tode geführt wird. Ich empfand das ganze Unglück der beyden Eheleute, die durch
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[92/0092] Ehrgefühle bleibe der Gebrauch überlassen, den er davon machen wolle.“ Ich legte dieses Schreiben zu dem von dem Juden verfertigten Liebesbriefe, zog ein Kouvert darüber, und siegelte es zu. Abends in der Dämmerung gieng ich als Livree-Bedienter verkleidet, in die Straße, in der mein Mann gewöhnlich um diese Zeit aus dem Archive zurück kam. Was seyn soll schickt sich wohl. Er eilte die Straße herauf, um in den Armen seines schönen Weibes den Lohn für die Arbeit des Tages zu suchen. Ich übergab ihm den Brief und verschwand. Ohne etwas Arges zu vermuthen, schlenderte er fort. Ich folgte ihm von weitem nach. Ich hatte absichtlich die Zeit gewählt, wo sich der Abbe gewöhnlich in seinem Hause befand. Ich stand der Thüre gegenüber, wo ich alles deutlich sehen konnte, was in dem helle beleuchteten Zimmer vorgieng. Die Straße war voll Menschen. Es kostete mich aber Mühe, die Gewissensbisse, die mich in diesem Augenblicke anwandelten, niederzuschlagen. Das Herz pochte mir, wie einem Missethäter, der zum Tode geführt wird. Ich empfand das ganze Unglück der beyden Eheleute, die durch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Alle redaktionellen Texte dieses Projektes stehen unter der Lizenz CC-BY-SA 2.0 deutsch



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pahl_simpertus_1799
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pahl_simpertus_1799/92
Zitationshilfe: [Pahl, Johann Gottfried]: Leben und Thaten des ehrwürdigen Paters Simpertus. Madrit [i. e. Heilbronn], 1799, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pahl_simpertus_1799/92>, abgerufen am 01.05.2024.