Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 3. Leipzig, 1846.vor einem seidnen Hut nicht sehen konnte, lag auf dem Wege und warf sich wie in Krämpfen hin und her. Aurelie hatte sie zuerst erkannt und war hingeeilt und um sie beschäftigt, ohne ihren Namen zu nennen Thalheim rief unwillkürlich: "Amalie!" und nahm sie in seine Arme. Jaromir trat betroffen in einige Entfernung hinter die Bäume zurück. Elisabeth stand bei ihm. "Dies unerwartete Wiedersehen getrennter Gatten muß fürchterlich sein!" sagte sie. "Fürchterlich!" wiederholte er dumpf und sah vor sich nieder, dann faßte er plötzlich Elisabeths Hand, sah sie mit unaussprechlichem, flehendem Ausdruck der Liebe an und sagte feierlich: "Elisabeth -- das ist ein Stück aus meinem Leben -- ich habe Dir bis jetzt nur von meiner Gegenwart, von unsrer Zukunft gesprochen -- aber nun will ich Dir all mein Leben erzählen -- wie mein Herz in seinen ersten heiligen Regungen betrogen und zertreten ward -- wie es dann vergebens suchte und niemals das Rechte fand -- bis mein Herz endlich bei all' diesem vergeblichen Ringen sich selbst Hohn sprach, sich selbst verlachen und verspotten konnte -- und als es aufgehört hatte zu suchen, fand es, woran es nie mehr geglaubt -- solches mit Dir Elisabeth! Aber Dein Herz ist ein heiliger Altar und Du bringst mir vor einem seidnen Hut nicht sehen konnte, lag auf dem Wege und warf sich wie in Krämpfen hin und her. Aurelie hatte sie zuerst erkannt und war hingeeilt und um sie beschäftigt, ohne ihren Namen zu nennen Thalheim rief unwillkürlich: „Amalie!“ und nahm sie in seine Arme. Jaromir trat betroffen in einige Entfernung hinter die Bäume zurück. Elisabeth stand bei ihm. „Dies unerwartete Wiedersehen getrennter Gatten muß fürchterlich sein!“ sagte sie. „Fürchterlich!“ wiederholte er dumpf und sah vor sich nieder, dann faßte er plötzlich Elisabeths Hand, sah sie mit unaussprechlichem, flehendem Ausdruck der Liebe an und sagte feierlich: „Elisabeth — das ist ein Stück aus meinem Leben — ich habe Dir bis jetzt nur von meiner Gegenwart, von unsrer Zukunft gesprochen — aber nun will ich Dir all mein Leben erzählen — wie mein Herz in seinen ersten heiligen Regungen betrogen und zertreten ward — wie es dann vergebens suchte und niemals das Rechte fand — bis mein Herz endlich bei all’ diesem vergeblichen Ringen sich selbst Hohn sprach, sich selbst verlachen und verspotten konnte — und als es aufgehört hatte zu suchen, fand es, woran es nie mehr geglaubt — solches mit Dir Elisabeth! Aber Dein Herz ist ein heiliger Altar und Du bringst mir <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0111" n="107"/> vor einem seidnen Hut nicht sehen konnte, lag auf dem Wege und warf sich wie in Krämpfen hin und her.</p> <p>Aurelie hatte sie zuerst erkannt und war hingeeilt und um sie beschäftigt, ohne ihren Namen zu nennen</p> <p>Thalheim rief unwillkürlich: „Amalie!“ und nahm sie in seine Arme.</p> <p>Jaromir trat betroffen in einige Entfernung hinter die Bäume zurück. Elisabeth stand bei ihm.</p> <p>„Dies unerwartete Wiedersehen getrennter Gatten muß fürchterlich sein!“ sagte sie.</p> <p>„Fürchterlich!“ wiederholte er dumpf und sah vor sich nieder, dann faßte er plötzlich Elisabeths Hand, sah sie mit unaussprechlichem, flehendem Ausdruck der Liebe an und sagte feierlich:</p> <p>„Elisabeth — das ist ein Stück aus meinem Leben — ich habe Dir bis jetzt nur von meiner Gegenwart, von unsrer Zukunft gesprochen — aber nun will ich Dir all mein Leben erzählen — wie mein Herz in seinen ersten heiligen Regungen betrogen und zertreten ward — wie es dann vergebens suchte und niemals das Rechte fand — bis mein Herz endlich bei all’ diesem vergeblichen Ringen sich selbst Hohn sprach, sich selbst verlachen und verspotten konnte — und als es aufgehört hatte zu suchen, fand es, woran es nie mehr geglaubt — solches mit Dir Elisabeth! Aber Dein Herz ist ein heiliger Altar und Du bringst mir </p> </div> </body> </text> </TEI> [107/0111]
vor einem seidnen Hut nicht sehen konnte, lag auf dem Wege und warf sich wie in Krämpfen hin und her.
Aurelie hatte sie zuerst erkannt und war hingeeilt und um sie beschäftigt, ohne ihren Namen zu nennen
Thalheim rief unwillkürlich: „Amalie!“ und nahm sie in seine Arme.
Jaromir trat betroffen in einige Entfernung hinter die Bäume zurück. Elisabeth stand bei ihm.
„Dies unerwartete Wiedersehen getrennter Gatten muß fürchterlich sein!“ sagte sie.
„Fürchterlich!“ wiederholte er dumpf und sah vor sich nieder, dann faßte er plötzlich Elisabeths Hand, sah sie mit unaussprechlichem, flehendem Ausdruck der Liebe an und sagte feierlich:
„Elisabeth — das ist ein Stück aus meinem Leben — ich habe Dir bis jetzt nur von meiner Gegenwart, von unsrer Zukunft gesprochen — aber nun will ich Dir all mein Leben erzählen — wie mein Herz in seinen ersten heiligen Regungen betrogen und zertreten ward — wie es dann vergebens suchte und niemals das Rechte fand — bis mein Herz endlich bei all’ diesem vergeblichen Ringen sich selbst Hohn sprach, sich selbst verlachen und verspotten konnte — und als es aufgehört hatte zu suchen, fand es, woran es nie mehr geglaubt — solches mit Dir Elisabeth! Aber Dein Herz ist ein heiliger Altar und Du bringst mir
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Zitationshilfe: | Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 3. Leipzig, 1846, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss03_1846/111>, abgerufen am 23.07.2024. |