Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 1. Leipzig, 1846.Noten-, Sing- und Lesebücher, welche sich der Verein anschasste, um gemeinschaftlich zu singen und zu lesen. In dieser Kasse hielt man immer auf einen kleinen Fonds, von welchem man auch, wenn eines der Mitglieder krank ward, dasselbe unterstützen konnte. Diese Einrichtung war nicht ohne die heilsamsten Folgen für die Linderung der äußern Noth, und die Erhebung und Veredlung des Innern für Alle, welche ihr angehörten, deshalb war ihr nicht einmal der Fabrikherr entgegen, obwohl es ihm ziemlich einerlei war, wie es um die Moral seiner Arbeiter stand, und wiewohl ihm die Bedingung: "Sich von dem Fabrikherrn niemals Arbeitslohn vorausbezahlen zu lassen" ziemlich verdrießlich war, denn wenn dies die Arbeiter thaten, konnte er dann ihre Arbeit leicht zu einem geringen Preis erhalten, und hatte dadurch die Leute ganz in seiner Gewalt. Dies eben hatten die Arbeiter nur zu oft schon erfahren müssen, und suchten daher, eh' sie noch ferner zu diesem äußersten Mittel griffen, lieber, wenn sich ein Mitglied durch irgend einen Unglücksfall in dringender Noth befand, durch die gemeinschaftliche Kasse zu helfen, und wenn es auch oft nur in der Art eines Darlehns geschehen konnte. Zum Kassirer war Wilhelm Bürger erwählt worden. Er saß jetzt obenan. Es war ein junger Mann, der einige Jahr über zwanzig zählen mogte. Seine Figur war klein Noten-, Sing- und Lesebücher, welche sich der Verein anschasste, um gemeinschaftlich zu singen und zu lesen. In dieser Kasse hielt man immer auf einen kleinen Fonds, von welchem man auch, wenn eines der Mitglieder krank ward, dasselbe unterstützen konnte. Diese Einrichtung war nicht ohne die heilsamsten Folgen für die Linderung der äußern Noth, und die Erhebung und Veredlung des Innern für Alle, welche ihr angehörten, deshalb war ihr nicht einmal der Fabrikherr entgegen, obwohl es ihm ziemlich einerlei war, wie es um die Moral seiner Arbeiter stand, und wiewohl ihm die Bedingung: „Sich von dem Fabrikherrn niemals Arbeitslohn vorausbezahlen zu lassen“ ziemlich verdrießlich war, denn wenn dies die Arbeiter thaten, konnte er dann ihre Arbeit leicht zu einem geringen Preis erhalten, und hatte dadurch die Leute ganz in seiner Gewalt. Dies eben hatten die Arbeiter nur zu oft schon erfahren müssen, und suchten daher, eh’ sie noch ferner zu diesem äußersten Mittel griffen, lieber, wenn sich ein Mitglied durch irgend einen Unglücksfall in dringender Noth befand, durch die gemeinschaftliche Kasse zu helfen, und wenn es auch oft nur in der Art eines Darlehns geschehen konnte. Zum Kassirer war Wilhelm Bürger erwählt worden. Er saß jetzt obenan. Es war ein junger Mann, der einige Jahr über zwanzig zählen mogte. Seine Figur war klein <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0161" n="151"/> Noten-, Sing- und Lesebücher, welche sich der Verein anschasste, um gemeinschaftlich zu singen und zu lesen. In dieser Kasse hielt man immer auf einen kleinen Fonds, von welchem man auch, wenn eines der Mitglieder krank ward, dasselbe unterstützen konnte.</p> <p>Diese Einrichtung war nicht ohne die heilsamsten Folgen für die Linderung der äußern Noth, und die Erhebung und Veredlung des Innern für Alle, welche ihr angehörten, deshalb war ihr nicht einmal der Fabrikherr entgegen, obwohl es ihm ziemlich einerlei war, wie es um die Moral seiner Arbeiter stand, und wiewohl ihm die Bedingung: „Sich von dem Fabrikherrn niemals Arbeitslohn vorausbezahlen zu lassen“ ziemlich verdrießlich war, denn wenn dies die Arbeiter thaten, konnte er dann ihre Arbeit leicht zu einem geringen Preis erhalten, und hatte dadurch die Leute ganz in seiner Gewalt. Dies eben hatten die Arbeiter nur zu oft schon erfahren müssen, und suchten daher, eh’ sie noch ferner zu diesem äußersten Mittel griffen, lieber, wenn sich ein Mitglied durch irgend einen Unglücksfall in dringender Noth befand, durch die gemeinschaftliche Kasse zu helfen, und wenn es auch oft nur in der Art eines Darlehns geschehen konnte.</p> <p>Zum Kassirer war Wilhelm Bürger erwählt worden. Er saß jetzt obenan. Es war ein junger Mann, der einige Jahr über zwanzig zählen mogte. Seine Figur war klein </p> </div> </body> </text> </TEI> [151/0161]
Noten-, Sing- und Lesebücher, welche sich der Verein anschasste, um gemeinschaftlich zu singen und zu lesen. In dieser Kasse hielt man immer auf einen kleinen Fonds, von welchem man auch, wenn eines der Mitglieder krank ward, dasselbe unterstützen konnte.
Diese Einrichtung war nicht ohne die heilsamsten Folgen für die Linderung der äußern Noth, und die Erhebung und Veredlung des Innern für Alle, welche ihr angehörten, deshalb war ihr nicht einmal der Fabrikherr entgegen, obwohl es ihm ziemlich einerlei war, wie es um die Moral seiner Arbeiter stand, und wiewohl ihm die Bedingung: „Sich von dem Fabrikherrn niemals Arbeitslohn vorausbezahlen zu lassen“ ziemlich verdrießlich war, denn wenn dies die Arbeiter thaten, konnte er dann ihre Arbeit leicht zu einem geringen Preis erhalten, und hatte dadurch die Leute ganz in seiner Gewalt. Dies eben hatten die Arbeiter nur zu oft schon erfahren müssen, und suchten daher, eh’ sie noch ferner zu diesem äußersten Mittel griffen, lieber, wenn sich ein Mitglied durch irgend einen Unglücksfall in dringender Noth befand, durch die gemeinschaftliche Kasse zu helfen, und wenn es auch oft nur in der Art eines Darlehns geschehen konnte.
Zum Kassirer war Wilhelm Bürger erwählt worden. Er saß jetzt obenan. Es war ein junger Mann, der einige Jahr über zwanzig zählen mogte. Seine Figur war klein
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