und der schändliche Betrüger benutzt meine Güte, um meine Unterthanen zu verführen und wider mich aufzu- hetzen -- er begeht die schändlichsten Streiche gegen mich und ich soll die Großmuth so weit treiben, noch Etwas für ihn zu thun, da ihn endlich die strafende Hand der Gesetze erreicht hat. Sind Sie toll Herr Pfarrer?"
"Nein, antwortete dieser ruhig dem Wüthenden, ich sehe nur, daß Sie falsch berichtet sind und daß Sie sich noch selbst täuschen. Sie waren es nicht, der den Bauern- sohn erziehen ließen, sie waren es nicht, der des hilflosen armen Kindes, Jhres Unterthanen, sich annahmen -- sie haben Nichts für ihn gethan, denn sie lernten ihn erst kennen, da Sie ihm zufällig als berühmten und gefeier- ten Schriftsteller in einer vornehmen Gesellschaft begegne- ten. Sie erfuhren erst, daß er ein Bauernsohn war, als Sie schon mit ihm, wie mit Jemandem, der Jhnen nä- her steht als dieser, gesprochen. Einfältig kann dieser Bauernsohn schon nicht sein, sonst wäre er nicht der ge- worden, als den Sie ihn kennen lernten. Jch verkenne nicht, daß es gütig von Jhnen war, ihm seinen Wunsch zu erfüllen und Jhre Burgruine zur Wohnung zu geben. Aber es konnte Jhnen dies vollkommen gleichgültig sein, und Sie wußten recht gut, daß Sie sich nur selbst damit ehrten, indem Sie sich die Miene gaben, ein Genie, das unter ihren Unterthanen, freilich unerkannt von Jhnen,
und der ſchaͤndliche Betruͤger benutzt meine Guͤte, um meine Unterthanen zu verfuͤhren und wider mich aufzu- hetzen — er begeht die ſchaͤndlichſten Streiche gegen mich und ich ſoll die Großmuth ſo weit treiben, noch Etwas fuͤr ihn zu thun, da ihn endlich die ſtrafende Hand der Geſetze erreicht hat. Sind Sie toll Herr Pfarrer?“
„Nein, antwortete dieſer ruhig dem Wuͤthenden, ich ſehe nur, daß Sie falſch berichtet ſind und daß Sie ſich noch ſelbſt taͤuſchen. Sie waren es nicht, der den Bauern- ſohn erziehen ließen, ſie waren es nicht, der des hilfloſen armen Kindes, Jhres Unterthanen, ſich annahmen — ſie haben Nichts fuͤr ihn gethan, denn ſie lernten ihn erſt kennen, da Sie ihm zufaͤllig als beruͤhmten und gefeier- ten Schriftſteller in einer vornehmen Geſellſchaft begegne- ten. Sie erfuhren erſt, daß er ein Bauernſohn war, als Sie ſchon mit ihm, wie mit Jemandem, der Jhnen naͤ- her ſteht als dieſer, geſprochen. Einfaͤltig kann dieſer Bauernſohn ſchon nicht ſein, ſonſt waͤre er nicht der ge- worden, als den Sie ihn kennen lernten. Jch verkenne nicht, daß es guͤtig von Jhnen war, ihm ſeinen Wunſch zu erfuͤllen und Jhre Burgruine zur Wohnung zu geben. Aber es konnte Jhnen dies vollkommen gleichguͤltig ſein, und Sie wußten recht gut, daß Sie ſich nur ſelbſt damit ehrten, indem Sie ſich die Miene gaben, ein Genie, das unter ihren Unterthanen, freilich unerkannt von Jhnen,
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und der ſchaͤndliche Betruͤger benutzt meine Guͤte, um
meine Unterthanen zu verfuͤhren und wider mich aufzu-
hetzen — er begeht die ſchaͤndlichſten Streiche gegen mich
und ich ſoll die Großmuth ſo weit treiben, noch Etwas
fuͤr ihn zu thun, da ihn endlich die ſtrafende Hand der
Geſetze erreicht hat. Sind Sie toll Herr Pfarrer?“
„Nein, antwortete dieſer ruhig dem Wuͤthenden, ich
ſehe nur, daß Sie falſch berichtet ſind und daß Sie ſich
noch ſelbſt taͤuſchen. Sie waren es nicht, der den Bauern-
ſohn erziehen ließen, ſie waren es nicht, der des hilfloſen
armen Kindes, Jhres Unterthanen, ſich annahmen — ſie
haben Nichts fuͤr ihn gethan, denn ſie lernten ihn erſt
kennen, da Sie ihm zufaͤllig als beruͤhmten und gefeier-
ten Schriftſteller in einer vornehmen Geſellſchaft begegne-
ten. Sie erfuhren erſt, daß er ein Bauernſohn war, als
Sie ſchon mit ihm, wie mit Jemandem, der Jhnen naͤ-
her ſteht als dieſer, geſprochen. Einfaͤltig kann dieſer
Bauernſohn ſchon nicht ſein, ſonſt waͤre er nicht der ge-
worden, als den Sie ihn kennen lernten. Jch verkenne
nicht, daß es guͤtig von Jhnen war, ihm ſeinen Wunſch
zu erfuͤllen und Jhre Burgruine zur Wohnung zu geben.
Aber es konnte Jhnen dies vollkommen gleichguͤltig ſein,
und Sie wußten recht gut, daß Sie ſich nur ſelbſt damit
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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/322>, abgerufen am 22.11.2024.
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