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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849.

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schrecken sehen. Es war ihm wie ein störendes Ereigniß,
das auch die Ruhe, den Frieden des Sternenhimmels un-
terbrach, als solle nun nirgend mehr Ordnung, nirgend
mehr Friede sein -- nicht einmal da, wo seit Jahrtau-
senden dieselben Sterne ihre urewigen Bahnen wandeln,
nach festen vorgeschriebenen Gesetzen, nicht einmal da, wo
das gläubige tieffühlende Herz den Frieden für sich selbst
so gerne sucht -- am Sternenhimmel.

Johannes stand erschüttert auf von seinem Platz und
ging, wie von nächtlichen Schauern geschüttelt, in seinen
Thurm und suchte auf seinem Lager die Ruhe. Erst
konnte er sie lange nicht finden. Endlich aber schlief er
doch und schlief bis zum Morgengrauen. Dann stand er
auf so frisch und munter wie immer. Am hellen, freudi-
gen Tage erschien ihm wieder Alles ganz anders, als ge-
stern in der düstern Sternennacht, selbst an die Sorgen
seiner Mutter, die ihm gestern so viel zu schaffen gemacht,
konnte er heute nur mit Lächeln denken. Sie sind doch
ganz unnöthig, lachte er, nur in der Nacht sieht man
schwarz, wer könnte mir denn jetzt Etwas thun, so lange
ich selbst noch gar Nichts gethan? Und er ging leichten
Muthes und seelenvergnügt, wie er immer war, hinab
in das Dorf. --

Am Nachmittag dieses Tages rückten nun die frem-
den Turner ein. Wohl gegen hundert muntere, kräftige

ſchrecken ſehen. Es war ihm wie ein ſtoͤrendes Ereigniß,
das auch die Ruhe, den Frieden des Sternenhimmels un-
terbrach, als ſolle nun nirgend mehr Ordnung, nirgend
mehr Friede ſein — nicht einmal da, wo ſeit Jahrtau-
ſenden dieſelben Sterne ihre urewigen Bahnen wandeln,
nach feſten vorgeſchriebenen Geſetzen, nicht einmal da, wo
das glaͤubige tieffuͤhlende Herz den Frieden fuͤr ſich ſelbſt
ſo gerne ſucht — am Sternenhimmel.

Johannes ſtand erſchuͤttert auf von ſeinem Platz und
ging, wie von naͤchtlichen Schauern geſchuͤttelt, in ſeinen
Thurm und ſuchte auf ſeinem Lager die Ruhe. Erſt
konnte er ſie lange nicht finden. Endlich aber ſchlief er
doch und ſchlief bis zum Morgengrauen. Dann ſtand er
auf ſo friſch und munter wie immer. Am hellen, freudi-
gen Tage erſchien ihm wieder Alles ganz anders, als ge-
ſtern in der duͤſtern Sternennacht, ſelbſt an die Sorgen
ſeiner Mutter, die ihm geſtern ſo viel zu ſchaffen gemacht,
konnte er heute nur mit Laͤcheln denken. Sie ſind doch
ganz unnoͤthig, lachte er, nur in der Nacht ſieht man
ſchwarz, wer koͤnnte mir denn jetzt Etwas thun, ſo lange
ich ſelbſt noch gar Nichts gethan? Und er ging leichten
Muthes und ſeelenvergnuͤgt, wie er immer war, hinab
in das Dorf. —

Am Nachmittag dieſes Tages ruͤckten nun die frem-
den Turner ein. Wohl gegen hundert muntere, kraͤftige

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[266/0274] ſchrecken ſehen. Es war ihm wie ein ſtoͤrendes Ereigniß, das auch die Ruhe, den Frieden des Sternenhimmels un- terbrach, als ſolle nun nirgend mehr Ordnung, nirgend mehr Friede ſein — nicht einmal da, wo ſeit Jahrtau- ſenden dieſelben Sterne ihre urewigen Bahnen wandeln, nach feſten vorgeſchriebenen Geſetzen, nicht einmal da, wo das glaͤubige tieffuͤhlende Herz den Frieden fuͤr ſich ſelbſt ſo gerne ſucht — am Sternenhimmel. Johannes ſtand erſchuͤttert auf von ſeinem Platz und ging, wie von naͤchtlichen Schauern geſchuͤttelt, in ſeinen Thurm und ſuchte auf ſeinem Lager die Ruhe. Erſt konnte er ſie lange nicht finden. Endlich aber ſchlief er doch und ſchlief bis zum Morgengrauen. Dann ſtand er auf ſo friſch und munter wie immer. Am hellen, freudi- gen Tage erſchien ihm wieder Alles ganz anders, als ge- ſtern in der duͤſtern Sternennacht, ſelbſt an die Sorgen ſeiner Mutter, die ihm geſtern ſo viel zu ſchaffen gemacht, konnte er heute nur mit Laͤcheln denken. Sie ſind doch ganz unnoͤthig, lachte er, nur in der Nacht ſieht man ſchwarz, wer koͤnnte mir denn jetzt Etwas thun, ſo lange ich ſelbſt noch gar Nichts gethan? Und er ging leichten Muthes und ſeelenvergnuͤgt, wie er immer war, hinab in das Dorf. — Am Nachmittag dieſes Tages ruͤckten nun die frem- den Turner ein. Wohl gegen hundert muntere, kraͤftige

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Zitationshilfe: Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/274>, abgerufen am 25.11.2024.