Zureden und freundliches Auseinandersetzen sie doch zu mildern, -- aber soll denn das Alter in dieser neuen Zeit der Jugend immer nachgeben? Wie ich jung war, war es anders!"
Die Pfarrerin entgegnete mit sanfter Stimme, in der eben doch ein leiser Ton des Vorwurfs herauszuhören war: "Wenn Du freilich so ganz wider Deine gewohnte Art und Weise mit dem Johannes gesprochen hast, so wundert mich's nicht, daß er fortgelaufen. Bisher haben wir ihn doch nur lauter Gutes im Dorfe reden und thun sehen, wie magst Du nur auf Einmal all sein Thun verdammen und anders wünschen?"
"Es giebt Viele im Dorfe, die nicht mit ihm zufrie- den sind," antwortete der Pfarrer ernst. "Jch habe mich bisher gerade nicht sehr daran gekehrt, denn es sind meist Leute, auf die ich nicht viel gebe, wie Damme, Berthold und dergleichen, die immer an Allem mäkeln, was nicht in ihren Kram paßt. Aber wie ich gestern in der Stadt war, mußt' ich von allen Leuten reden hören über das Singen und Turnen auf unserm Dorfe und wie man von Oben herab ein Auge auf uns habe. Einer uns'rer Aktuarien sagte mir, daß wenn Johannes nicht in unserm Dorfe seine Heimath habe, so würde er längst ausgewiesen wor- den sein -- so aber wisse man nicht, was zu thun wäre. Jch solle ihn, nämlich den Aktuarius, nicht verrathen, er
Zureden und freundliches Auseinanderſetzen ſie doch zu mildern, — aber ſoll denn das Alter in dieſer neuen Zeit der Jugend immer nachgeben? Wie ich jung war, war es anders!“
Die Pfarrerin entgegnete mit ſanfter Stimme, in der eben doch ein leiſer Ton des Vorwurfs herauszuhoͤren war: „Wenn Du freilich ſo ganz wider Deine gewohnte Art und Weiſe mit dem Johannes geſprochen haſt, ſo wundert mich’s nicht, daß er fortgelaufen. Bisher haben wir ihn doch nur lauter Gutes im Dorfe reden und thun ſehen, wie magſt Du nur auf Einmal all ſein Thun verdammen und anders wuͤnſchen?“
„Es giebt Viele im Dorfe, die nicht mit ihm zufrie- den ſind,“ antwortete der Pfarrer ernſt. „Jch habe mich bisher gerade nicht ſehr daran gekehrt, denn es ſind meiſt Leute, auf die ich nicht viel gebe, wie Damme, Berthold und dergleichen, die immer an Allem maͤkeln, was nicht in ihren Kram paßt. Aber wie ich geſtern in der Stadt war, mußt’ ich von allen Leuten reden hoͤren uͤber das Singen und Turnen auf unſerm Dorfe und wie man von Oben herab ein Auge auf uns habe. Einer unſ’rer Aktuarien ſagte mir, daß wenn Johannes nicht in unſerm Dorfe ſeine Heimath habe, ſo wuͤrde er laͤngſt ausgewieſen wor- den ſein — ſo aber wiſſe man nicht, was zu thun waͤre. Jch ſolle ihn, naͤmlich den Aktuarius, nicht verrathen, er
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0239"n="231"/>
Zureden und freundliches Auseinanderſetzen ſie doch zu<lb/>
mildern, — aber ſoll denn das Alter in dieſer neuen<lb/>
Zeit der Jugend immer nachgeben? Wie ich jung war,<lb/>
war es anders!“</p><lb/><p>Die Pfarrerin entgegnete mit ſanfter Stimme, in der<lb/>
eben doch ein leiſer Ton des Vorwurfs herauszuhoͤren<lb/>
war: „Wenn Du freilich ſo ganz wider Deine gewohnte<lb/>
Art und Weiſe mit dem Johannes geſprochen haſt, ſo<lb/>
wundert mich’s nicht, daß er fortgelaufen. Bisher haben<lb/>
wir ihn doch nur lauter Gutes im Dorfe reden und<lb/>
thun ſehen, wie magſt Du nur auf Einmal all ſein<lb/>
Thun verdammen und anders wuͤnſchen?“</p><lb/><p>„Es giebt Viele im Dorfe, die nicht mit ihm zufrie-<lb/>
den ſind,“ antwortete der Pfarrer ernſt. „Jch habe mich<lb/>
bisher gerade nicht ſehr daran gekehrt, denn es ſind meiſt<lb/>
Leute, auf die ich nicht viel gebe, wie Damme, Berthold und<lb/>
dergleichen, die immer an Allem maͤkeln, was nicht in<lb/>
ihren Kram paßt. Aber wie ich geſtern in der Stadt<lb/>
war, mußt’ ich von allen Leuten reden hoͤren uͤber das<lb/>
Singen und Turnen auf unſerm Dorfe und wie man von<lb/>
Oben herab ein Auge auf uns habe. Einer unſ’rer Aktuarien<lb/>ſagte mir, daß wenn Johannes nicht in unſerm Dorfe<lb/>ſeine Heimath habe, ſo wuͤrde er laͤngſt ausgewieſen wor-<lb/>
den ſein —ſo aber wiſſe man nicht, was zu thun waͤre.<lb/>
Jch ſolle ihn, naͤmlich den Aktuarius, nicht verrathen, er<lb/></p></div></body></text></TEI>
[231/0239]
Zureden und freundliches Auseinanderſetzen ſie doch zu
mildern, — aber ſoll denn das Alter in dieſer neuen
Zeit der Jugend immer nachgeben? Wie ich jung war,
war es anders!“
Die Pfarrerin entgegnete mit ſanfter Stimme, in der
eben doch ein leiſer Ton des Vorwurfs herauszuhoͤren
war: „Wenn Du freilich ſo ganz wider Deine gewohnte
Art und Weiſe mit dem Johannes geſprochen haſt, ſo
wundert mich’s nicht, daß er fortgelaufen. Bisher haben
wir ihn doch nur lauter Gutes im Dorfe reden und
thun ſehen, wie magſt Du nur auf Einmal all ſein
Thun verdammen und anders wuͤnſchen?“
„Es giebt Viele im Dorfe, die nicht mit ihm zufrie-
den ſind,“ antwortete der Pfarrer ernſt. „Jch habe mich
bisher gerade nicht ſehr daran gekehrt, denn es ſind meiſt
Leute, auf die ich nicht viel gebe, wie Damme, Berthold und
dergleichen, die immer an Allem maͤkeln, was nicht in
ihren Kram paßt. Aber wie ich geſtern in der Stadt
war, mußt’ ich von allen Leuten reden hoͤren uͤber das
Singen und Turnen auf unſerm Dorfe und wie man von
Oben herab ein Auge auf uns habe. Einer unſ’rer Aktuarien
ſagte mir, daß wenn Johannes nicht in unſerm Dorfe
ſeine Heimath habe, ſo wuͤrde er laͤngſt ausgewieſen wor-
den ſein — ſo aber wiſſe man nicht, was zu thun waͤre.
Jch ſolle ihn, naͤmlich den Aktuarius, nicht verrathen, er
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/239>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.