wie gut es gewesen, daß gerade der Johannes mit ihr hatte gehen können! Sie würde nicht so gedacht haben, wenn sie Alles gewußt hätte! Sie sah den Schulmeister nicht, der gegenüber im Schatten der Häuser stand. -- Diesen hatte die Unruhe der Liebe und Sehnsucht noch spät unter Suschens Fenster getrieben -- er war zurückgesprungen, wie er sie hatte kommen sehen, er hörte nicht, was sie sprachen, aber er hörte doch Etwas, das ihm wie zärtliches Geflüster klang. Er erkannte Johannes, sah ihn über die Mauer steigen -- also so weit, sagte er sich, sind sie schon, daß sie Abends allein mit ihm vom Hause weg ist, ohne daß der Vater es wissen darf und daß Johannes schon alle Schliche und Wege kennt -- -- ihm schwindelte ganz dabei. Wenn es ein andrer Bursche gewesen, unser Schulmeister würde ihn ausgeforscht haben, weil er zu verwundert gewesen -- er hätte Alles erfahren und die argen Gedanken wären ihm alle vergangen; nun aber mußt' es gerade der Johan- nes sein, den wagt er nicht zu fragen -- da war es ja sonnenklar -- er war einig mit Suschen -- in diesen acht Tagen schon so einig geworden! --
Ganz verzweifelnd stürzte unser Schulmeister fort und auf sein Häuschen zu. --
Als er vorhin dort weggegangen war, saß Laura allein im Garten in einer ziemlich versteckten Laube. Er hatte im Weggehen die Thür aufgelassen und gar nicht gesagt,
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wie gut es geweſen, daß gerade der Johannes mit ihr hatte gehen koͤnnen! Sie wuͤrde nicht ſo gedacht haben, wenn ſie Alles gewußt haͤtte! Sie ſah den Schulmeiſter nicht, der gegenuͤber im Schatten der Haͤuſer ſtand. — Dieſen hatte die Unruhe der Liebe und Sehnſucht noch ſpaͤt unter Suschens Fenſter getrieben — er war zuruͤckgeſprungen, wie er ſie hatte kommen ſehen, er hoͤrte nicht, was ſie ſprachen, aber er hoͤrte doch Etwas, das ihm wie zaͤrtliches Gefluͤſter klang. Er erkannte Johannes, ſah ihn uͤber die Mauer ſteigen — alſo ſo weit, ſagte er ſich, ſind ſie ſchon, daß ſie Abends allein mit ihm vom Hauſe weg iſt, ohne daß der Vater es wiſſen darf und daß Johannes ſchon alle Schliche und Wege kennt — — ihm ſchwindelte ganz dabei. Wenn es ein andrer Burſche geweſen, unſer Schulmeiſter wuͤrde ihn ausgeforſcht haben, weil er zu verwundert geweſen — er haͤtte Alles erfahren und die argen Gedanken waͤren ihm alle vergangen; nun aber mußt’ es gerade der Johan- nes ſein, den wagt er nicht zu fragen — da war es ja ſonnenklar — er war einig mit Suschen — in dieſen acht Tagen ſchon ſo einig geworden! —
Ganz verzweifelnd ſtuͤrzte unſer Schulmeiſter fort und auf ſein Haͤuschen zu. —
Als er vorhin dort weggegangen war, ſaß Laura allein im Garten in einer ziemlich verſteckten Laube. Er hatte im Weggehen die Thuͤr aufgelaſſen und gar nicht geſagt,
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wie gut es geweſen, daß gerade der Johannes mit ihr
hatte gehen koͤnnen! Sie wuͤrde nicht ſo gedacht haben,
wenn ſie Alles gewußt haͤtte! Sie ſah den Schulmeiſter
nicht, der gegenuͤber im Schatten der Haͤuſer ſtand. — Dieſen
hatte die Unruhe der Liebe und Sehnſucht noch ſpaͤt unter
Suschens Fenſter getrieben — er war zuruͤckgeſprungen, wie er
ſie hatte kommen ſehen, er hoͤrte nicht, was ſie ſprachen, aber er
hoͤrte doch Etwas, das ihm wie zaͤrtliches Gefluͤſter klang.
Er erkannte Johannes, ſah ihn uͤber die Mauer ſteigen —
alſo ſo weit, ſagte er ſich, ſind ſie ſchon, daß ſie Abends
allein mit ihm vom Hauſe weg iſt, ohne daß der Vater
es wiſſen darf und daß Johannes ſchon alle Schliche und
Wege kennt — — ihm ſchwindelte ganz dabei. Wenn
es ein andrer Burſche geweſen, unſer Schulmeiſter wuͤrde
ihn ausgeforſcht haben, weil er zu verwundert geweſen —
er haͤtte Alles erfahren und die argen Gedanken waͤren
ihm alle vergangen; nun aber mußt’ es gerade der Johan-
nes ſein, den wagt er nicht zu fragen — da war es ja
ſonnenklar — er war einig mit Suschen — in dieſen
acht Tagen ſchon ſo einig geworden! —
Ganz verzweifelnd ſtuͤrzte unſer Schulmeiſter fort und
auf ſein Haͤuschen zu. —
Als er vorhin dort weggegangen war, ſaß Laura allein
im Garten in einer ziemlich verſteckten Laube. Er hatte
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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/169>, abgerufen am 26.11.2024.
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