flußfähigkeit, wenn auch manche junge Herren vollständig reif und abgeschlossen zur Universität zu kommen meinen.
Worin soll nun die gegenseitige Erziehung bestehen?
Einerseits, daß man sich gegenseitig kennen lernt. Nir- gends kann man einen Menschen besser erkennen als beim Ernste der Arbeit. Dabei wird seine Befähigung, seine Urteilskraft, sein Wille, seine Art zu arbeiten, offenbar. Das ist sehr wichtig, weil namentlich der eine Teil, näm- lich die Frauen, den Beweis ihrer wissenschaftlichen Be- fähigung geben müssen. Sie haben jahrtausendelang die Wissenschaft und deren Entwicklung den Männern über- lassen und noch ist kaum eine Generation wissenschaftlich arbeitender Frauen über die Erde gezogen. Da ist natür- lich ein Urteil nicht zu fällen und auch die Analogien aus der Kunst gelten nicht, weil in der Wissenschaft ganz andere Gaben und Eigenschaften notwendig sind als in der Kunst. Wie der wissenschaftliche Befähigungsnachweis der Frau ausfallen wird, überlassen wir getrost der Zu- kunft; zuerst öffne man ihr alle Möglichkeiten, zuerst lasse man einige Generationen akademischer Frauen vorüber- gehen, dann mögen vielleicht unsere Nachkommen ein Ur- teil über eine Angelegenheit fällen, über die wir unsere Köpfe in allen Fällen resultatlos zergrübeln.
Anderseits beruht der Erziehungsgedanke auf dem Grundsatz, miteinander und füreinander zu arbeiten. Nicht nur die wissenschaftliche Arbeit sollte einen; beinahe noch erzieherischer wirkt die Arbeit im studentischen Leben, die Organisationsarbeit und was damit zusam- menhängt. Gerade bei einer solchen Betätigung zeigen die Menschen ihr wahres Wesen; da beweist sich der Mut, die Ausdauer, die Treue, die Disziplin des Einzelnen. Alles Eigenschaften, die im Leben eine große, praktische Rolle spielen. - Die Bestrebungen der Koedu-
flußfähigkeit, wenn auch manche junge Herren vollständig reif und abgeschlossen zur Universität zu kommen meinen.
Worin soll nun die gegenseitige Erziehung bestehen?
Einerseits, daß man sich gegenseitig kennen lernt. Nir- gends kann man einen Menschen besser erkennen als beim Ernste der Arbeit. Dabei wird seine Befähigung, seine Urteilskraft, sein Wille, seine Art zu arbeiten, offenbar. Das ist sehr wichtig, weil namentlich der eine Teil, näm- lich die Frauen, den Beweis ihrer wissenschaftlichen Be- fähigung geben müssen. Sie haben jahrtausendelang die Wissenschaft und deren Entwicklung den Männern über- lassen und noch ist kaum eine Generation wissenschaftlich arbeitender Frauen über die Erde gezogen. Da ist natür- lich ein Urteil nicht zu fällen und auch die Analogien aus der Kunst gelten nicht, weil in der Wissenschaft ganz andere Gaben und Eigenschaften notwendig sind als in der Kunst. Wie der wissenschaftliche Befähigungsnachweis der Frau ausfallen wird, überlassen wir getrost der Zu- kunft; zuerst öffne man ihr alle Möglichkeiten, zuerst lasse man einige Generationen akademischer Frauen vorüber- gehen, dann mögen vielleicht unsere Nachkommen ein Ur- teil über eine Angelegenheit fällen, über die wir unsere Köpfe in allen Fällen resultatlos zergrübeln.
Anderseits beruht der Erziehungsgedanke auf dem Grundsatz, miteinander und füreinander zu arbeiten. Nicht nur die wissenschaftliche Arbeit sollte einen; beinahe noch erzieherischer wirkt die Arbeit im studentischen Leben, die Organisationsarbeit und was damit zusam- menhängt. Gerade bei einer solchen Betätigung zeigen die Menschen ihr wahres Wesen; da beweist sich der Mut, die Ausdauer, die Treue, die Disziplin des Einzelnen. Alles Eigenschaften, die im Leben eine große, praktische Rolle spielen. – Die Bestrebungen der Koedu-
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flußfähigkeit, wenn auch manche junge Herren vollständig
reif und abgeschlossen zur Universität zu kommen meinen.
Worin soll nun die gegenseitige Erziehung bestehen?
Einerseits, daß man sich gegenseitig kennen lernt. Nir-
gends kann man einen Menschen besser erkennen als beim
Ernste der Arbeit. Dabei wird seine Befähigung, seine
Urteilskraft, sein Wille, seine Art zu arbeiten, offenbar.
Das ist sehr wichtig, weil namentlich der eine Teil, näm-
lich die Frauen, den Beweis ihrer wissenschaftlichen Be-
fähigung geben müssen. Sie haben jahrtausendelang die
Wissenschaft und deren Entwicklung den Männern über-
lassen und noch ist kaum eine Generation wissenschaftlich
arbeitender Frauen über die Erde gezogen. Da ist natür-
lich ein Urteil nicht zu fällen und auch die Analogien
aus der Kunst gelten nicht, weil in der Wissenschaft ganz
andere Gaben und Eigenschaften notwendig sind als in
der Kunst. Wie der wissenschaftliche Befähigungsnachweis
der Frau ausfallen wird, überlassen wir getrost der Zu-
kunft; zuerst öffne man ihr alle Möglichkeiten, zuerst lasse
man einige Generationen akademischer Frauen vorüber-
gehen, dann mögen vielleicht unsere Nachkommen ein Ur-
teil über eine Angelegenheit fällen, über die wir unsere
Köpfe in allen Fällen resultatlos zergrübeln.
Anderseits beruht der Erziehungsgedanke auf dem
Grundsatz, miteinander und füreinander zu arbeiten. Nicht
nur die wissenschaftliche Arbeit sollte einen; beinahe
noch erzieherischer wirkt die Arbeit im studentischen
Leben, die Organisationsarbeit und was damit zusam-
menhängt. Gerade bei einer solchen Betätigung zeigen
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Ohr, Julie: Die Studentin der Gegenwart. München-Gern, 1909, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ohr_studentin_1909/35>, abgerufen am 09.02.2023.
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