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Ohr, Julie: Die Studentin der Gegenwart. München-Gern, 1909.

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demischen Frauenbewegung, zur studierenden Frau im eng-
sten Sinne.

Die Studentin gehört zu den gentibus academicis.
Man hört so oft im Tone der Gegensätzlichkeit von
"Studentin und Studentenschaft" sprechen; ja, man ist
nahe daran, den Begriff "Studentinnenschaft" zu bilden.
Nichts unrichtiger als dies. Die Studentin ist durch die
Jmmatrikulation*) civitas academica; daran kann selbst
die Klausel**) des preußischen Kultusministeriums nicht
mehr rütteln.

Wenn dem aber so ist, wenn wir die Studentin nicht als
etwas Besonderes herauslösen dürfen aus der akademischen
Gemeinschaft, dann ist es auch notwendig, zunächst diese
unseren Betrachtungen zu unterziehen und uns nachher
zu fragen, welche Stellung der Studentin innerhalb der
akademischen Bürgerschaft zukommt.

Wir sehen heute innerhalb der Studentenschaft deut-
lich zwei Strömungen. Wir können ganz gut von einer
ältern und einer jüngern Richtung sprechen. Die ältere baut
sich auf dem Prinzip der Auswahl und des Zusammenschlus-
ses Gleichgesinnter auf. Die Erziehung des Einzelnen nach
bestimmten Formen und Traditionen ist die Grundlage.
Hier wird die alte studentische Fröhlichkeit gepflegt; die
richtige Anwendung der Universitätsjahre in der Abschlies-
sung vom modernen Leben gesehen und deshalb alle

*) Die Jmmatrikulation (wenigstens der Studentin deutscher
Nationalität) ist in ganz Deutschland, neuerdings ja auch in Preußen
und Straßburg durchgeführt.
**) "Aus besonderen Gründen können mit Genehmigung des
Ministers Frauen von der Teilnahme an einzelnen Vorlesungen
ausgeschlossen werden". Erlaß des preußischen Kultusministers über
die Zulassung der Frauen zum Universitätsstudium vom 18 August
1908. Der Satz bedeutet allerdings einen Eingriff in die
akademische Freiheit
! Vgl. meinen Aufsatz in der Frauen-
bewegung No. 19, Jahrgang XIV.

demischen Frauenbewegung, zur studierenden Frau im eng-
sten Sinne.

Die Studentin gehört zu den gentibus academicis.
Man hört so oft im Tone der Gegensätzlichkeit von
„Studentin und Studentenschaft“ sprechen; ja, man ist
nahe daran, den Begriff „Studentinnenschaft“ zu bilden.
Nichts unrichtiger als dies. Die Studentin ist durch die
Jmmatrikulation*) civitas academica; daran kann selbst
die Klausel**) des preußischen Kultusministeriums nicht
mehr rütteln.

Wenn dem aber so ist, wenn wir die Studentin nicht als
etwas Besonderes herauslösen dürfen aus der akademischen
Gemeinschaft, dann ist es auch notwendig, zunächst diese
unseren Betrachtungen zu unterziehen und uns nachher
zu fragen, welche Stellung der Studentin innerhalb der
akademischen Bürgerschaft zukommt.

Wir sehen heute innerhalb der Studentenschaft deut-
lich zwei Strömungen. Wir können ganz gut von einer
ältern und einer jüngern Richtung sprechen. Die ältere baut
sich auf dem Prinzip der Auswahl und des Zusammenschlus-
ses Gleichgesinnter auf. Die Erziehung des Einzelnen nach
bestimmten Formen und Traditionen ist die Grundlage.
Hier wird die alte studentische Fröhlichkeit gepflegt; die
richtige Anwendung der Universitätsjahre in der Abschlies-
sung vom modernen Leben gesehen und deshalb alle

*) Die Jmmatrikulation (wenigstens der Studentin deutscher
Nationalität) ist in ganz Deutschland, neuerdings ja auch in Preußen
und Straßburg durchgeführt.
**) „Aus besonderen Gründen können mit Genehmigung des
Ministers Frauen von der Teilnahme an einzelnen Vorlesungen
ausgeschlossen werden“. Erlaß des preußischen Kultusministers über
die Zulassung der Frauen zum Universitätsstudium vom 18 August
1908. Der Satz bedeutet allerdings einen Eingriff in die
akademische Freiheit
! Vgl. meinen Aufsatz in der Frauen-
bewegung No. 19, Jahrgang XIV.
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[24/0023] demischen Frauenbewegung, zur studierenden Frau im eng- sten Sinne. Die Studentin gehört zu den gentibus academicis. Man hört so oft im Tone der Gegensätzlichkeit von „Studentin und Studentenschaft“ sprechen; ja, man ist nahe daran, den Begriff „Studentinnenschaft“ zu bilden. Nichts unrichtiger als dies. Die Studentin ist durch die Jmmatrikulation *) civitas academica; daran kann selbst die Klausel **) des preußischen Kultusministeriums nicht mehr rütteln. Wenn dem aber so ist, wenn wir die Studentin nicht als etwas Besonderes herauslösen dürfen aus der akademischen Gemeinschaft, dann ist es auch notwendig, zunächst diese unseren Betrachtungen zu unterziehen und uns nachher zu fragen, welche Stellung der Studentin innerhalb der akademischen Bürgerschaft zukommt. Wir sehen heute innerhalb der Studentenschaft deut- lich zwei Strömungen. Wir können ganz gut von einer ältern und einer jüngern Richtung sprechen. Die ältere baut sich auf dem Prinzip der Auswahl und des Zusammenschlus- ses Gleichgesinnter auf. Die Erziehung des Einzelnen nach bestimmten Formen und Traditionen ist die Grundlage. Hier wird die alte studentische Fröhlichkeit gepflegt; die richtige Anwendung der Universitätsjahre in der Abschlies- sung vom modernen Leben gesehen und deshalb alle *) Die Jmmatrikulation (wenigstens der Studentin deutscher Nationalität) ist in ganz Deutschland, neuerdings ja auch in Preußen und Straßburg durchgeführt. **) „Aus besonderen Gründen können mit Genehmigung des Ministers Frauen von der Teilnahme an einzelnen Vorlesungen ausgeschlossen werden“. Erlaß des preußischen Kultusministers über die Zulassung der Frauen zum Universitätsstudium vom 18 August 1908. Der Satz bedeutet allerdings einen Eingriff in die akademische Freiheit! Vgl. meinen Aufsatz in der Frauen- bewegung No. 19, Jahrgang XIV.

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Zitationshilfe: Ohr, Julie: Die Studentin der Gegenwart. München-Gern, 1909, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ohr_studentin_1909/23>, abgerufen am 29.03.2024.