Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

lichkeit hat einen ganz besondern stärkenden
Reiz, und es ist wahr, ihr Bewußtseyn ver¬
schafft einen dauerhafteren und deutlicheren
Genuß, als jenes überfließende Gefühl einer
unbegreiflichen, überschwenglichen Herrlichkeit.

Glaubt nicht, sagte Klingsohr, daß ich
das letztere tadle; aber es muß von selbst
kommen, und nicht gesucht werden. Seine
sparsame Erscheinung ist wohlthätig; öfterer
wird sie ermüdend und schwächend. Man
kann nicht schnell genug sich aus der süßen
Betäubung reißen, die es hinterläßt, und zu
einer regelmäßigen und mühsamen Beschäfti¬
gung zurückkehren. Es ist wie mit den an¬
muthigen Morgenträumen, aus deren ein¬
schläferndem Wirbel man nur mit Gewalt
sich herausziehen kann, wenn man nicht in
immer drückendere Müdigkeit gerathen, und
so in krankhafter Erschöpfung nachher den
ganzen Tag hinschleppen will.

lichkeit hat einen ganz beſondern ſtärkenden
Reiz, und es iſt wahr, ihr Bewußtſeyn ver¬
ſchafft einen dauerhafteren und deutlicheren
Genuß, als jenes überfließende Gefühl einer
unbegreiflichen, überſchwenglichen Herrlichkeit.

Glaubt nicht, ſagte Klingsohr, daß ich
das letztere tadle; aber es muß von ſelbſt
kommen, und nicht geſucht werden. Seine
ſparſame Erſcheinung iſt wohlthätig; öfterer
wird ſie ermüdend und ſchwächend. Man
kann nicht ſchnell genug ſich aus der ſüßen
Betäubung reißen, die es hinterläßt, und zu
einer regelmäßigen und mühſamen Beſchäfti¬
gung zurückkehren. Es iſt wie mit den an¬
muthigen Morgenträumen, aus deren ein¬
ſchläferndem Wirbel man nur mit Gewalt
ſich herausziehen kann, wenn man nicht in
immer drückendere Müdigkeit gerathen, und
ſo in krankhafter Erſchöpfung nachher den
ganzen Tag hinſchleppen will.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0252" n="244"/>
lichkeit hat einen ganz be&#x017F;ondern &#x017F;tärkenden<lb/>
Reiz, und es i&#x017F;t wahr, ihr Bewußt&#x017F;eyn ver¬<lb/>
&#x017F;chafft einen dauerhafteren und deutlicheren<lb/>
Genuß, als jenes überfließende Gefühl einer<lb/>
unbegreiflichen, über&#x017F;chwenglichen Herrlichkeit.</p><lb/>
            <p>Glaubt nicht, &#x017F;agte Klingsohr, daß ich<lb/>
das letztere tadle; aber es muß von &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
kommen, und nicht ge&#x017F;ucht werden. Seine<lb/>
&#x017F;par&#x017F;ame Er&#x017F;cheinung i&#x017F;t wohlthätig; öfterer<lb/>
wird &#x017F;ie ermüdend und &#x017F;chwächend. Man<lb/>
kann nicht &#x017F;chnell genug &#x017F;ich aus der &#x017F;üßen<lb/>
Betäubung reißen, die es hinterläßt, und zu<lb/>
einer regelmäßigen und müh&#x017F;amen Be&#x017F;chäfti¬<lb/>
gung zurückkehren. Es i&#x017F;t wie mit den an¬<lb/>
muthigen Morgenträumen, aus deren ein¬<lb/>
&#x017F;chläferndem Wirbel man nur mit Gewalt<lb/>
&#x017F;ich herausziehen kann, wenn man nicht in<lb/>
immer drückendere Müdigkeit gerathen, und<lb/>
&#x017F;o in krankhafter Er&#x017F;chöpfung nachher den<lb/>
ganzen Tag hin&#x017F;chleppen will.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[244/0252] lichkeit hat einen ganz beſondern ſtärkenden Reiz, und es iſt wahr, ihr Bewußtſeyn ver¬ ſchafft einen dauerhafteren und deutlicheren Genuß, als jenes überfließende Gefühl einer unbegreiflichen, überſchwenglichen Herrlichkeit. Glaubt nicht, ſagte Klingsohr, daß ich das letztere tadle; aber es muß von ſelbſt kommen, und nicht geſucht werden. Seine ſparſame Erſcheinung iſt wohlthätig; öfterer wird ſie ermüdend und ſchwächend. Man kann nicht ſchnell genug ſich aus der ſüßen Betäubung reißen, die es hinterläßt, und zu einer regelmäßigen und mühſamen Beſchäfti¬ gung zurückkehren. Es iſt wie mit den an¬ muthigen Morgenträumen, aus deren ein¬ ſchläferndem Wirbel man nur mit Gewalt ſich herausziehen kann, wenn man nicht in immer drückendere Müdigkeit gerathen, und ſo in krankhafter Erſchöpfung nachher den ganzen Tag hinſchleppen will.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/252
Zitationshilfe: Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/252>, abgerufen am 23.11.2024.