wirksam als dieses köstliche Element, das auf alle Gegenstände sich mit seiner Abgemes¬ senheit vertheilt, und sie alle in reizender Mannichfaltigkeit erscheinen läßt. Der Dich¬ ter ist reiner Stahl, eben so empfindlich, wie ein zerbrechlicher Glasfaden, und eben so hart, wie ein ungeschmeidiger Kiesel.
Ich habe das schon zuweilen gefühlt, sagte Heinrich, daß ich in den innigsten Mi¬ nuten weniger lebendig war, als zu andern Zeiten, wo ich frey umhergehn und alle Be¬ schäftigungen mit Lust treiben konnte. Ein geistiges scharfes Wesen durchdrang mich dann, und ich durfte jeden Sinn nach Gefal¬ len brauchen, jeden Gedanken, wie einen wirklichen Körper, umwenden und von allen Seiten betrachten. Ich stand mit stillem An¬ theil an der Werkstatt meines Vaters, und freute mich, wenn ich ihm helfen und etwas geschickt zu Stande bringen konnte. Geschick¬
wirkſam als dieſes köſtliche Element, das auf alle Gegenſtände ſich mit ſeiner Abgemeſ¬ ſenheit vertheilt, und ſie alle in reizender Mannichfaltigkeit erſcheinen läßt. Der Dich¬ ter iſt reiner Stahl, eben ſo empfindlich, wie ein zerbrechlicher Glasfaden, und eben ſo hart, wie ein ungeſchmeidiger Kieſel.
Ich habe das ſchon zuweilen gefühlt, ſagte Heinrich, daß ich in den innigſten Mi¬ nuten weniger lebendig war, als zu andern Zeiten, wo ich frey umhergehn und alle Be¬ ſchäftigungen mit Luſt treiben konnte. Ein geiſtiges ſcharfes Weſen durchdrang mich dann, und ich durfte jeden Sinn nach Gefal¬ len brauchen, jeden Gedanken, wie einen wirklichen Körper, umwenden und von allen Seiten betrachten. Ich ſtand mit ſtillem An¬ theil an der Werkſtatt meines Vaters, und freute mich, wenn ich ihm helfen und etwas geſchickt zu Stande bringen konnte. Geſchick¬
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wirkſam als dieſes köſtliche Element, das
auf alle Gegenſtände ſich mit ſeiner Abgemeſ¬
ſenheit vertheilt, und ſie alle in reizender
Mannichfaltigkeit erſcheinen läßt. Der Dich¬
ter iſt reiner Stahl, eben ſo empfindlich, wie
ein zerbrechlicher Glasfaden, und eben ſo
hart, wie ein ungeſchmeidiger Kieſel.
Ich habe das ſchon zuweilen gefühlt,
ſagte Heinrich, daß ich in den innigſten Mi¬
nuten weniger lebendig war, als zu andern
Zeiten, wo ich frey umhergehn und alle Be¬
ſchäftigungen mit Luſt treiben konnte. Ein
geiſtiges ſcharfes Weſen durchdrang mich
dann, und ich durfte jeden Sinn nach Gefal¬
len brauchen, jeden Gedanken, wie einen
wirklichen Körper, umwenden und von allen
Seiten betrachten. Ich ſtand mit ſtillem An¬
theil an der Werkſtatt meines Vaters, und
freute mich, wenn ich ihm helfen und etwas
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Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/251>, abgerufen am 25.11.2024.
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