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Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802.

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Die Poesie will vorzüglich, fuhr Klings¬
ohr fort, als strenge Kunst getrieben werden.
Als bloßer Genuß hört sie auf Poesie zu
seyn. Ein Dichter muß nicht den ganzen
Tag müßig umherlaufen, und auf Bilder und
Gefühle Jagd machen. Das ist ganz der
verkehrte Weg. Ein reines offenes Gemüth,
Gewandheit im Nachdenken und Betrachten,
und Geschicklichkeit alle seine Fähigkeiten in
eine gegenseitig belebende Thätigkeit zu ver¬
setzen und darin zu erhalten, das sind die
Erfordernisse unserer Kunst. Wenn ihr euch
mir überlassen wollt, so soll kein Tag euch
vergehn, wo ihr nicht eure Kenntnisse berei¬
chert, und einige nützliche Einsichten erlangt
habt. Die Stadt ist reich an Künstlern aller
Art. Es giebt einige erfahrne Staatsmän¬
ner, einige gebildete Kaufleute hier. Man
kann ohne große Umstände mit allen Stän¬
den, mit allen Gewerben, mit allen Verhält¬

Die Poeſie will vorzüglich, fuhr Klings¬
ohr fort, als ſtrenge Kunſt getrieben werden.
Als bloßer Genuß hört ſie auf Poeſie zu
ſeyn. Ein Dichter muß nicht den ganzen
Tag müßig umherlaufen, und auf Bilder und
Gefühle Jagd machen. Das iſt ganz der
verkehrte Weg. Ein reines offenes Gemüth,
Gewandheit im Nachdenken und Betrachten,
und Geſchicklichkeit alle ſeine Fähigkeiten in
eine gegenſeitig belebende Thätigkeit zu ver¬
ſetzen und darin zu erhalten, das ſind die
Erforderniſſe unſerer Kunſt. Wenn ihr euch
mir überlaſſen wollt, ſo ſoll kein Tag euch
vergehn, wo ihr nicht eure Kenntniſſe berei¬
chert, und einige nützliche Einſichten erlangt
habt. Die Stadt iſt reich an Künſtlern aller
Art. Es giebt einige erfahrne Staatsmän¬
ner, einige gebildete Kaufleute hier. Man
kann ohne große Umſtände mit allen Stän¬
den, mit allen Gewerben, mit allen Verhält¬

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[245/0253] Die Poeſie will vorzüglich, fuhr Klings¬ ohr fort, als ſtrenge Kunſt getrieben werden. Als bloßer Genuß hört ſie auf Poeſie zu ſeyn. Ein Dichter muß nicht den ganzen Tag müßig umherlaufen, und auf Bilder und Gefühle Jagd machen. Das iſt ganz der verkehrte Weg. Ein reines offenes Gemüth, Gewandheit im Nachdenken und Betrachten, und Geſchicklichkeit alle ſeine Fähigkeiten in eine gegenſeitig belebende Thätigkeit zu ver¬ ſetzen und darin zu erhalten, das ſind die Erforderniſſe unſerer Kunſt. Wenn ihr euch mir überlaſſen wollt, ſo ſoll kein Tag euch vergehn, wo ihr nicht eure Kenntniſſe berei¬ chert, und einige nützliche Einſichten erlangt habt. Die Stadt iſt reich an Künſtlern aller Art. Es giebt einige erfahrne Staatsmän¬ ner, einige gebildete Kaufleute hier. Man kann ohne große Umſtände mit allen Stän¬ den, mit allen Gewerben, mit allen Verhält¬

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Zitationshilfe: Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/253>, abgerufen am 22.11.2024.