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Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802.

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ängstlichen Ungewißheit, von jener blinden
Furcht des Aberglaubens. Und so ist auch
die kühle, belebende Wärme eines dichteri¬
schen Gemüths gerade das Widerspiel von je¬
ner wilden Hitze eines kränklichen Herzens.
Diese ist arm, betäubend und vorübergehend;
jene sondert alle Gestalten rein ab, begün¬
stigt die Ausbildung der mannigfaltigsten
Verhältnisse, und ist ewig durch sich selbst.
Der junge Dichter kann nicht kühl, nicht be¬
sonnen genug seyn. Zur wahren, melodi¬
schen Gesprächigkeit gehört ein weiter, auf¬
merksamer und ruhiger Sinn. Es wird ein
verworrnes Geschwätz, wenn ein reißender
Sturm in der Brust tobt, und die Aufmerk¬
samkeit in eine zitternde Gedankenlosigkeit
auflöst. Nochmals wiederhole ich, das ächte
Gemüth ist wie das Licht, eben so ruhig und
empfindlich, eben so elastisch und durchdring¬
lich, eben so mächtig und eben so unmerklich

ängſtlichen Ungewißheit, von jener blinden
Furcht des Aberglaubens. Und ſo iſt auch
die kühle, belebende Wärme eines dichteri¬
ſchen Gemüths gerade das Widerſpiel von je¬
ner wilden Hitze eines kränklichen Herzens.
Dieſe iſt arm, betäubend und vorübergehend;
jene ſondert alle Geſtalten rein ab, begün¬
ſtigt die Ausbildung der mannigfaltigſten
Verhältniſſe, und iſt ewig durch ſich ſelbſt.
Der junge Dichter kann nicht kühl, nicht be¬
ſonnen genug ſeyn. Zur wahren, melodi¬
ſchen Geſprächigkeit gehört ein weiter, auf¬
merkſamer und ruhiger Sinn. Es wird ein
verworrnes Geſchwätz, wenn ein reißender
Sturm in der Bruſt tobt, und die Aufmerk¬
ſamkeit in eine zitternde Gedankenloſigkeit
auflöſt. Nochmals wiederhole ich, das ächte
Gemüth iſt wie das Licht, eben ſo ruhig und
empfindlich, eben ſo elaſtiſch und durchdring¬
lich, eben ſo mächtig und eben ſo unmerklich

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[242/0250] ängſtlichen Ungewißheit, von jener blinden Furcht des Aberglaubens. Und ſo iſt auch die kühle, belebende Wärme eines dichteri¬ ſchen Gemüths gerade das Widerſpiel von je¬ ner wilden Hitze eines kränklichen Herzens. Dieſe iſt arm, betäubend und vorübergehend; jene ſondert alle Geſtalten rein ab, begün¬ ſtigt die Ausbildung der mannigfaltigſten Verhältniſſe, und iſt ewig durch ſich ſelbſt. Der junge Dichter kann nicht kühl, nicht be¬ ſonnen genug ſeyn. Zur wahren, melodi¬ ſchen Geſprächigkeit gehört ein weiter, auf¬ merkſamer und ruhiger Sinn. Es wird ein verworrnes Geſchwätz, wenn ein reißender Sturm in der Bruſt tobt, und die Aufmerk¬ ſamkeit in eine zitternde Gedankenloſigkeit auflöſt. Nochmals wiederhole ich, das ächte Gemüth iſt wie das Licht, eben ſo ruhig und empfindlich, eben ſo elaſtiſch und durchdring¬ lich, eben ſo mächtig und eben ſo unmerklich

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Zitationshilfe: Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/250>, abgerufen am 22.11.2024.