ter sich ermüdet zur Ruhe gelegt hatte. Ist mir nicht zu Muthe, wie in jenem Traume, beym Anblick der blauen Blume? Welcher sonderbare Zusammenhang ist zwischen Ma¬ thilden und dieser Blume? Jenes Gesicht, das aus dem Kelche sich mir entgegenneigte, es war Mathildens himmlisches Gesicht, und nun erinnere ich mich auch, es in jenem Bu¬ che gesehn zu haben. Aber warum hat es dort mein Herz nicht so bewegt? O! sie ist der sichtbare Geist des Gesanges, eine würdi¬ ge Tochter ihres Vaters. Sie wird mich in Musik auflösen. Sie wird meine innerste Seele, die Hüterin meines heiligen Feuers seyn. Welche Ewigkeit von Treue fühle ich in mir! Ich ward nur geboren, um sie zu verehren, um ihr ewig zu dienen, um sie zu denken und zu empfinden. Gehört nicht ein eigenes ungetheiltes Daseyn zu ihrer An¬ schaung und Anbetung? und bin ich der
ter ſich ermüdet zur Ruhe gelegt hatte. Iſt mir nicht zu Muthe, wie in jenem Traume, beym Anblick der blauen Blume? Welcher ſonderbare Zuſammenhang iſt zwiſchen Ma¬ thilden und dieſer Blume? Jenes Geſicht, das aus dem Kelche ſich mir entgegenneigte, es war Mathildens himmliſches Geſicht, und nun erinnere ich mich auch, es in jenem Bu¬ che geſehn zu haben. Aber warum hat es dort mein Herz nicht ſo bewegt? O! ſie iſt der ſichtbare Geiſt des Geſanges, eine würdi¬ ge Tochter ihres Vaters. Sie wird mich in Muſik auflöſen. Sie wird meine innerſte Seele, die Hüterin meines heiligen Feuers ſeyn. Welche Ewigkeit von Treue fühle ich in mir! Ich ward nur geboren, um ſie zu verehren, um ihr ewig zu dienen, um ſie zu denken und zu empfinden. Gehört nicht ein eigenes ungetheiltes Daſeyn zu ihrer An¬ ſchaung und Anbetung? und bin ich der
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0238"n="230"/>
ter ſich ermüdet zur Ruhe gelegt hatte. Iſt<lb/>
mir nicht zu Muthe, wie in jenem Traume,<lb/>
beym Anblick der blauen Blume? Welcher<lb/>ſonderbare Zuſammenhang iſt zwiſchen Ma¬<lb/>
thilden und dieſer Blume? Jenes Geſicht,<lb/>
das aus dem Kelche ſich mir entgegenneigte,<lb/>
es war Mathildens himmliſches Geſicht, und<lb/>
nun erinnere ich mich auch, es in jenem Bu¬<lb/>
che geſehn zu haben. Aber warum hat es<lb/>
dort mein Herz nicht ſo bewegt? O! ſie iſt<lb/>
der ſichtbare Geiſt des Geſanges, eine würdi¬<lb/>
ge Tochter ihres Vaters. Sie wird mich in<lb/>
Muſik auflöſen. Sie wird meine innerſte<lb/>
Seele, die Hüterin meines heiligen Feuers<lb/>ſeyn. Welche Ewigkeit von Treue fühle ich<lb/>
in mir! Ich ward nur geboren, um ſie zu<lb/>
verehren, um ihr ewig zu dienen, um ſie zu<lb/>
denken und zu empfinden. Gehört nicht ein<lb/>
eigenes ungetheiltes Daſeyn zu ihrer An¬<lb/>ſchaung und Anbetung? und bin ich der<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[230/0238]
ter ſich ermüdet zur Ruhe gelegt hatte. Iſt
mir nicht zu Muthe, wie in jenem Traume,
beym Anblick der blauen Blume? Welcher
ſonderbare Zuſammenhang iſt zwiſchen Ma¬
thilden und dieſer Blume? Jenes Geſicht,
das aus dem Kelche ſich mir entgegenneigte,
es war Mathildens himmliſches Geſicht, und
nun erinnere ich mich auch, es in jenem Bu¬
che geſehn zu haben. Aber warum hat es
dort mein Herz nicht ſo bewegt? O! ſie iſt
der ſichtbare Geiſt des Geſanges, eine würdi¬
ge Tochter ihres Vaters. Sie wird mich in
Muſik auflöſen. Sie wird meine innerſte
Seele, die Hüterin meines heiligen Feuers
ſeyn. Welche Ewigkeit von Treue fühle ich
in mir! Ich ward nur geboren, um ſie zu
verehren, um ihr ewig zu dienen, um ſie zu
denken und zu empfinden. Gehört nicht ein
eigenes ungetheiltes Daſeyn zu ihrer An¬
ſchaung und Anbetung? und bin ich der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Novalis: Heinrich von Ofterdingen. Berlin, 1802, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/novalis_ofterdingen_1802/238>, abgerufen am 08.05.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.