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Talvj, Volkslieder der Serben, 1825

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erobern. Georg floh mit seinem jüngsten Sohne Lasar, und
vielen Großen, geistlichen und weltlichen Standes, nach Un-
garn.

1439

Abermalige Hülfe ward ihm angelobt, aber ehe das Ver-
sprechen noch erfüllt werden konnte, fiel in Serbien eine
Feste nach der andern: nur Belgrad belagerte der Sultan
vergebens. Im ungarischen Heere brach unterdeß eine heftige
epidemische Krankheit aus; die Soldaten liefen aus einander,
und es schien, daß für dieß Jahr an keinen Feldzug zu denken
sey. Der König selbst ward angesteckt und starb. In Ver-
zweiflung sah Georg sich allerwärts nach andrer Hülfe um.
Erzürnt über diese fruchtlose Thätigkeit, ließ der Sultan seine
Wuth an den unglücklichen Söhnen aus. Sie wurden nach
Asien geführt und geblendet.

1440

Inzwischen begab sich Georg nach Antivari, von da
nach Ragusa, wo er seine Schätze in Sicherheit brachte. Mu-
rat forderte seine Auslieferung unter den fürchterlichsten Dro-
hungen, aber die Ragusaner ehrten das Gastrecht, und ba-
ten den Despoten nur, ihre kleine Republik nicht unglücklich
zu machen, und sie eiligst zu verlassen. Seine Schätze sol-
len sie ihm aufbewahrt, ihm aber ein schriftliches Zeugniß ab-
genommen haben, daß er all sein Gut wieder mit sich fortge-
führt habe. Auf eins ihrer Thore schrieben sie: "durch die-
ses Thor zog der Despot Georg mit allen seinen Schätzen in
unsre Stadt ein;" auf ein andres: "durch dieses zog er mit
allen seinen Schätzen wieder hinaus." Man sagt, diese Worte
sollen noch immer zu lesen seyn. Auch die Familienurkunden,
und das Vermögen vieler serbischen Großen, verwahrten sie
auf ähnliche Weise.

Georg kehrte nach Ungarn zurück, wo alles sich zu ei-
nem neuen Feldzug rüstete. Der Sturm von Belgrad war
glücklich abgeschlagen, und dem großen ungarischen Feldherrn,
Johann von Hunyad, gelang es, binnen kurzer Zeit ganz Ser-

erobern. Georg floh mit seinem jüngsten Sohne Lasar, und
vielen Großen, geistlichen und weltlichen Standes, nach Un-
garn.

1439

Abermalige Hülfe ward ihm angelobt, aber ehe das Ver-
sprechen noch erfüllt werden konnte, fiel in Serbien eine
Feste nach der andern: nur Belgrad belagerte der Sultan
vergebens. Im ungarischen Heere brach unterdeß eine heftige
epidemische Krankheit aus; die Soldaten liefen aus einander,
und es schien, daß für dieß Jahr an keinen Feldzug zu denken
sey. Der König selbst ward angesteckt und starb. In Ver-
zweiflung sah Georg sich allerwärts nach andrer Hülfe um.
Erzürnt über diese fruchtlose Thätigkeit, ließ der Sultan seine
Wuth an den unglücklichen Söhnen aus. Sie wurden nach
Asien geführt und geblendet.

1440

Inzwischen begab sich Georg nach Antivari, von da
nach Ragusa, wo er seine Schätze in Sicherheit brachte. Mu-
rat forderte seine Auslieferung unter den fürchterlichsten Dro-
hungen, aber die Ragusaner ehrten das Gastrecht, und ba-
ten den Despoten nur, ihre kleine Republik nicht unglücklich
zu machen, und sie eiligst zu verlassen. Seine Schätze sol-
len sie ihm aufbewahrt, ihm aber ein schriftliches Zeugniß ab-
genommen haben, daß er all sein Gut wieder mit sich fortge-
führt habe. Auf eins ihrer Thore schrieben sie: „durch die-
ses Thor zog der Despot Georg mit allen seinen Schätzen in
unsre Stadt ein;“ auf ein andres: „durch dieses zog er mit
allen seinen Schätzen wieder hinaus.“ Man sagt, diese Worte
sollen noch immer zu lesen seyn. Auch die Familienurkunden,
und das Vermögen vieler serbischen Großen, verwahrten sie
auf ähnliche Weise.

Georg kehrte nach Ungarn zurück, wo alles sich zu ei-
nem neuen Feldzug rüstete. Der Sturm von Belgrad war
glücklich abgeschlagen, und dem großen ungarischen Feldherrn,
Johann von Hunyad, gelang es, binnen kurzer Zeit ganz Ser-

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[XXXIX/0059] erobern. Georg floh mit seinem jüngsten Sohne Lasar, und vielen Großen, geistlichen und weltlichen Standes, nach Un- garn. Abermalige Hülfe ward ihm angelobt, aber ehe das Ver- sprechen noch erfüllt werden konnte, fiel in Serbien eine Feste nach der andern: nur Belgrad belagerte der Sultan vergebens. Im ungarischen Heere brach unterdeß eine heftige epidemische Krankheit aus; die Soldaten liefen aus einander, und es schien, daß für dieß Jahr an keinen Feldzug zu denken sey. Der König selbst ward angesteckt und starb. In Ver- zweiflung sah Georg sich allerwärts nach andrer Hülfe um. Erzürnt über diese fruchtlose Thätigkeit, ließ der Sultan seine Wuth an den unglücklichen Söhnen aus. Sie wurden nach Asien geführt und geblendet. Inzwischen begab sich Georg nach Antivari, von da nach Ragusa, wo er seine Schätze in Sicherheit brachte. Mu- rat forderte seine Auslieferung unter den fürchterlichsten Dro- hungen, aber die Ragusaner ehrten das Gastrecht, und ba- ten den Despoten nur, ihre kleine Republik nicht unglücklich zu machen, und sie eiligst zu verlassen. Seine Schätze sol- len sie ihm aufbewahrt, ihm aber ein schriftliches Zeugniß ab- genommen haben, daß er all sein Gut wieder mit sich fortge- führt habe. Auf eins ihrer Thore schrieben sie: „durch die- ses Thor zog der Despot Georg mit allen seinen Schätzen in unsre Stadt ein;“ auf ein andres: „durch dieses zog er mit allen seinen Schätzen wieder hinaus.“ Man sagt, diese Worte sollen noch immer zu lesen seyn. Auch die Familienurkunden, und das Vermögen vieler serbischen Großen, verwahrten sie auf ähnliche Weise. Georg kehrte nach Ungarn zurück, wo alles sich zu ei- nem neuen Feldzug rüstete. Der Sturm von Belgrad war glücklich abgeschlagen, und dem großen ungarischen Feldherrn, Johann von Hunyad, gelang es, binnen kurzer Zeit ganz Ser-

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Zitationshilfe: Talvj, Volkslieder der Serben, 1825, S. XXXIX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825/59>, abgerufen am 29.03.2024.