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Talvj, Volkslieder der Serben, 1825

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Georg vergebens durch zweyzüngige Politik und verrätherische
Arglist von ihm abzuwenden suchte. Ehrfurcht gebietend
durch eine erhabne Gestalt, leicht bestechend durch die Gabe
der Rede, umsichtiger und verschlagener als sein Vorgänger,
fehlte ihm ganz dessen redliche Treue, durch welche jenem im
Ganzen mehr gelang, als ihm, durch alle angewendeten Künste.
Die drey ersten Jahre blieb der neue Despot ziemlich unange-
fochten. Murat war vor Constantinopel, dann in Asien be-
schäftigt, und schien von den serbischen Angelegenheiten gar keine
Kunde zu haben. Denn erst, als er im Jahr 1430 zurückkam,
nahm er durch Gesandte ganz Serbien in Anspruch: ihm gehö-
re es, behauptete er, Georg habe kein Recht darauf. Demüthi-
gungen aller Art, Tribut, und der Antrag, ihm seine Toch-
ter Maria zu verloben, besänftigte den Sultan für jetzt, aber
Georg sah ein, daß diese Ruhe nur von kurzer Dauer seyn
werde. Eigennützig auf sein persönliches Wohl bedacht, sah
er sich in Ungarn nach einem Zufluchtsort in der Zeit der Ge-
fahr um.

Dem gemäß bot er dem Könige an, die, längst von je-
nem gewünschte, Gränzfeste Belgrad ihm gegen ansehnliche
Güter und Schlösser in Ungarn zu überlassen. Der Tausch
kam zu Stande, und erregte den höchsten Unmuth und Jam-
mer der Serben. Thätiger zeigte sich der Zorn Murats.
Er schickte sogleich Truppen in das Land, die einige Städte
zerstörten, und Georg sah sich zu neuen Demüthigungen ge-
zwungen. Die junge Maria ward nun wirklich ausgeliefert;
ihre ältesten Brüder, Söhne des Despoten, begleiteten sie
nach Adrianopel, und mußten daselbst als Geißeln zurückblei-
ben. Aber die Türken murrten, daß ihr Sultan nicht ent-
scheidende Schritte gegen Serbien, die Vormauer Ungarns,
thue; Murat brach mit einem starken Heere ein, ward zwar1437
zuerst von einer ungarischen Hülfsarmee zurückgeschlagen, al-
lein im nächsten Feldzug gelang es ihm, das ganze Land zu

Georg vergebens durch zweyzüngige Politik und verrätherische
Arglist von ihm abzuwenden suchte. Ehrfurcht gebietend
durch eine erhabne Gestalt, leicht bestechend durch die Gabe
der Rede, umsichtiger und verschlagener als sein Vorgänger,
fehlte ihm ganz dessen redliche Treue, durch welche jenem im
Ganzen mehr gelang, als ihm, durch alle angewendeten Künste.
Die drey ersten Jahre blieb der neue Despot ziemlich unange-
fochten. Murat war vor Constantinopel, dann in Asien be-
schäftigt, und schien von den serbischen Angelegenheiten gar keine
Kunde zu haben. Denn erst, als er im Jahr 1430 zurückkam,
nahm er durch Gesandte ganz Serbien in Anspruch: ihm gehö-
re es, behauptete er, Georg habe kein Recht darauf. Demüthi-
gungen aller Art, Tribut, und der Antrag, ihm seine Toch-
ter Maria zu verloben, besänftigte den Sultan für jetzt, aber
Georg sah ein, daß diese Ruhe nur von kurzer Dauer seyn
werde. Eigennützig auf sein persönliches Wohl bedacht, sah
er sich in Ungarn nach einem Zufluchtsort in der Zeit der Ge-
fahr um.

Dem gemäß bot er dem Könige an, die, längst von je-
nem gewünschte, Gränzfeste Belgrad ihm gegen ansehnliche
Güter und Schlösser in Ungarn zu überlassen. Der Tausch
kam zu Stande, und erregte den höchsten Unmuth und Jam-
mer der Serben. Thätiger zeigte sich der Zorn Murats.
Er schickte sogleich Truppen in das Land, die einige Städte
zerstörten, und Georg sah sich zu neuen Demüthigungen ge-
zwungen. Die junge Maria ward nun wirklich ausgeliefert;
ihre ältesten Brüder, Söhne des Despoten, begleiteten sie
nach Adrianopel, und mußten daselbst als Geißeln zurückblei-
ben. Aber die Türken murrten, daß ihr Sultan nicht ent-
scheidende Schritte gegen Serbien, die Vormauer Ungarns,
thue; Murat brach mit einem starken Heere ein, ward zwar1437
zuerst von einer ungarischen Hülfsarmee zurückgeschlagen, al-
lein im nächsten Feldzug gelang es ihm, das ganze Land zu

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[XXXVIII/0058] Georg vergebens durch zweyzüngige Politik und verrätherische Arglist von ihm abzuwenden suchte. Ehrfurcht gebietend durch eine erhabne Gestalt, leicht bestechend durch die Gabe der Rede, umsichtiger und verschlagener als sein Vorgänger, fehlte ihm ganz dessen redliche Treue, durch welche jenem im Ganzen mehr gelang, als ihm, durch alle angewendeten Künste. Die drey ersten Jahre blieb der neue Despot ziemlich unange- fochten. Murat war vor Constantinopel, dann in Asien be- schäftigt, und schien von den serbischen Angelegenheiten gar keine Kunde zu haben. Denn erst, als er im Jahr 1430 zurückkam, nahm er durch Gesandte ganz Serbien in Anspruch: ihm gehö- re es, behauptete er, Georg habe kein Recht darauf. Demüthi- gungen aller Art, Tribut, und der Antrag, ihm seine Toch- ter Maria zu verloben, besänftigte den Sultan für jetzt, aber Georg sah ein, daß diese Ruhe nur von kurzer Dauer seyn werde. Eigennützig auf sein persönliches Wohl bedacht, sah er sich in Ungarn nach einem Zufluchtsort in der Zeit der Ge- fahr um. Dem gemäß bot er dem Könige an, die, längst von je- nem gewünschte, Gränzfeste Belgrad ihm gegen ansehnliche Güter und Schlösser in Ungarn zu überlassen. Der Tausch kam zu Stande, und erregte den höchsten Unmuth und Jam- mer der Serben. Thätiger zeigte sich der Zorn Murats. Er schickte sogleich Truppen in das Land, die einige Städte zerstörten, und Georg sah sich zu neuen Demüthigungen ge- zwungen. Die junge Maria ward nun wirklich ausgeliefert; ihre ältesten Brüder, Söhne des Despoten, begleiteten sie nach Adrianopel, und mußten daselbst als Geißeln zurückblei- ben. Aber die Türken murrten, daß ihr Sultan nicht ent- scheidende Schritte gegen Serbien, die Vormauer Ungarns, thue; Murat brach mit einem starken Heere ein, ward zwar zuerst von einer ungarischen Hülfsarmee zurückgeschlagen, al- lein im nächsten Feldzug gelang es ihm, das ganze Land zu 1437

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Zitationshilfe: Talvj, Volkslieder der Serben, 1825, S. XXXVIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825/58>, abgerufen am 25.04.2024.