Die übermächtigen Statthalter, uneingedenk ihres Ei- des, wußten die Kraftlosigkeit und unverständige Gutmüthig- keit des jungen Zaren bald zu eigennützigen Absichten zu be- nutzen. Jeder Einzelne sah das ihm untergebene Land als sein Eigenthum, an, allenfalls bereit, dem Zaren als Bun- desgenosse gegen fremde Mächte beyzustehen, aber nicht ihm als Herrn zu gehorchen. Sie und ihre Zeitgenossen sind es, deren Thaten den meisten Stoff zu diesen Sagen gegeben. Wir begnügen uns demnach, den Zweck dieses Vorbe- richts im Auge behaltend, diejenigen unter ihnen namhaft zu machen, von denen jene Volksgedichte handeln.
Entschieden gegen den jungen Urosch und die Zaren- würde selbst in Anspruch nehmend, erklärte sich der Befehls- haber von Acarnanien und Macedonien, den die Serben Bogdan, auch Sinischa, die Byzantiner Simeon, die russi- schen Annalisten aber Wratka nennen. Wenigstens scheinen diese vielen Namen alle Eine Person zu bezeichnen, und zwar keinen andern Mann, als den, welchen die Leser in den Sa- gen vielfältig als "den alten Jug +) Bogdan" auftreten sehen. Der neun Jugowitschen, die an seiner Seite stets so glänzende Rollen spielen, ermähnt die Geschichte nicht. Er wird von einigen Schriftstellern ein Halbbruder Duschans ge- nannt. Gewiß ist, daß er des nachmaligen Zaren Lasar Schwiegervater war. Ein unmuthiges Voktsgedicht erzählt diese Heirath.
Eine noch ansehnlichere Macht sammelte die Zarin Helene um sich her. Sie trat zwar nicht offen gegen den Sohn auf, leistete ihm aber eben so wenig Beystand, und war nur darauf bedacht, sich selbst Ansehen zu verschaffen.
+) Jug heißt serbisch Süden. Vielleicht bezicht sich der Bey- name auf seinen südlichen Wohnort Macedonien.
Die übermächtigen Statthalter, uneingedenk ihres Ei- des, wußten die Kraftlosigkeit und unverständige Gutmüthig- keit des jungen Zaren bald zu eigennützigen Absichten zu be- nutzen. Jeder Einzelne sah das ihm untergebene Land als sein Eigenthum, an, allenfalls bereit, dem Zaren als Bun- desgenosse gegen fremde Mächte beyzustehen, aber nicht ihm als Herrn zu gehorchen. Sie und ihre Zeitgenossen sind es, deren Thaten den meisten Stoff zu diesen Sagen gegeben. Wir begnügen uns demnach, den Zweck dieses Vorbe- richts im Auge behaltend, diejenigen unter ihnen namhaft zu machen, von denen jene Volksgedichte handeln.
Entschieden gegen den jungen Urosch und die Zaren- würde selbst in Anspruch nehmend, erklärte sich der Befehls- haber von Acarnanien und Macedonien, den die Serben Bogdan, auch Sinischa, die Byzantiner Simeon, die russi- schen Annalisten aber Wratka nennen. Wenigstens scheinen diese vielen Namen alle Eine Person zu bezeichnen, und zwar keinen andern Mann, als den, welchen die Leser in den Sa- gen vielfältig als „den alten Jug †) Bogdan“ auftreten sehen. Der neun Jugowitschen, die an seiner Seite stets so glänzende Rollen spielen, ermähnt die Geschichte nicht. Er wird von einigen Schriftstellern ein Halbbruder Duschans ge- nannt. Gewiß ist, daß er des nachmaligen Zaren Lasar Schwiegervater war. Ein unmuthiges Voktsgedicht erzählt diese Heirath.
Eine noch ansehnlichere Macht sammelte die Zarin Helene um sich her. Sie trat zwar nicht offen gegen den Sohn auf, leistete ihm aber eben so wenig Beystand, und war nur darauf bedacht, sich selbst Ansehen zu verschaffen.
†) Jug heißt serbisch Süden. Vielleicht bezicht sich der Bey- name auf seinen südlichen Wohnort Macedonien.
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Die übermächtigen Statthalter, uneingedenk ihres Ei-
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nutzen. Jeder Einzelne sah das ihm untergebene Land als
sein Eigenthum, an, allenfalls bereit, dem Zaren als Bun-
desgenosse gegen fremde Mächte beyzustehen, aber nicht ihm
als Herrn zu gehorchen. Sie und ihre Zeitgenossen sind es,
deren Thaten den meisten Stoff zu diesen Sagen gegeben.
Wir begnügen uns demnach, den Zweck dieses Vorbe-
richts im Auge behaltend, diejenigen unter ihnen
namhaft zu machen, von denen jene Volksgedichte handeln.
Entschieden gegen den jungen Urosch und die Zaren-
würde selbst in Anspruch nehmend, erklärte sich der Befehls-
haber von Acarnanien und Macedonien, den die Serben
Bogdan, auch Sinischa, die Byzantiner Simeon, die russi-
schen Annalisten aber Wratka nennen. Wenigstens scheinen
diese vielen Namen alle Eine Person zu bezeichnen, und zwar
keinen andern Mann, als den, welchen die Leser in den Sa-
gen vielfältig als „den alten Jug †) Bogdan“ auftreten
sehen. Der neun Jugowitschen, die an seiner Seite stets so
glänzende Rollen spielen, ermähnt die Geschichte nicht. Er
wird von einigen Schriftstellern ein Halbbruder Duschans ge-
nannt. Gewiß ist, daß er des nachmaligen Zaren Lasar
Schwiegervater war. Ein unmuthiges Voktsgedicht erzählt
diese Heirath.
Eine noch ansehnlichere Macht sammelte die Zarin
Helene um sich her. Sie trat zwar nicht offen gegen den
Sohn auf, leistete ihm aber eben so wenig Beystand, und
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Talvj, Volkslieder der Serben, 1825, S. XXIV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825/44>, abgerufen am 27.07.2024.
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