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Talvj, Volkslieder der Serben, 1825

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und kehrte, sich dem Vater zu Füßen werfend, reuig zurück.
Milutin, nachdem er ihm äußerlich Vergebung zugesichert,
ließ ihn in Ketten legen, und -- blenden. Der unglückliche
Jüngling ward des Augenlichtes nicht ganz beraubt: ein
Schimmer blieb ihm; in der Folge stellten heilsame Arzeneyen
und Pflege die Sehkraft mehr und mehr wieder her. Von
dem Vater, wahrscheinlich auf Veranlassung der griechischen
1307Stiefmutter, nach Constantinopel gesendet, lebte er hier un-
ter dem Schutze des gütiggesinnten Kaisers Andronikus sieben
ruhige Jahre. Nach dieser Zeit rief der Vater, versöhnt, ihn
zurück. Einige Schriftsteller sprechen Letztern ganz von die-
ser Unthat frey, indem sie sie einzig der Simonis zuschreiben.

In anderweitiger Hinsicht war Milutins Regierung
rühmlich und glücklich. Er vergrößerte Serbien durch grie-
chische und dalmatische Eroberungen, zwang dem Freystaat
Ragusa einen jährlichen Tribut ab, und erndtete in Kriegen
mit den Bulgaren und Tarlaren nicht weniger Ruhm und
Ehre ein. Auch im Innern bewies er sich thätig durch viele
geistliche Stiftungen und bedeutende Schenkungen an die
Geistlichkeit; das beste Mittel, gepriesen zu werden, in einem
Zeitalter, in welchem alle Schriftstellerey in den Händen von
Mönchen ist. Ob er zur Aufmunterung des Handels, ob er
zur Befestigung der Gesetze etwas gethan, erfahren wir nicht.
Mit seinem Bruder blieb er fortdauernd im besten Verneh-
men. Als dieser aber starb, ließ er sogleich dessen Sohn,
Wladislaus, gefangen nehmen, und bemächtigte sich seines
Erblandes. Die Bemühungen des römischen Stuhls, zu
Gunsten der occidentalischen Kirche, welche die Königin Mut-
ter aus allen Kräften unterstützte, schienen eine Zeit lang zu
gelingen. Aber es zeigte sich bald, daß Milutin dabey nur
politische Zwecke und die Benutzung des Augenblicks berück-
sichtigte. Wiederholt wurden Unterhandlungen angeknüpft,
wiederholt zerschlugen sie sich.

b

und kehrte, sich dem Vater zu Füßen werfend, reuig zurück.
Milutin, nachdem er ihm äußerlich Vergebung zugesichert,
ließ ihn in Ketten legen, und — blenden. Der unglückliche
Jüngling ward des Augenlichtes nicht ganz beraubt: ein
Schimmer blieb ihm; in der Folge stellten heilsame Arzeneyen
und Pflege die Sehkraft mehr und mehr wieder her. Von
dem Vater, wahrscheinlich auf Veranlassung der griechischen
1307Stiefmutter, nach Constantinopel gesendet, lebte er hier un-
ter dem Schutze des gütiggesinnten Kaisers Andronikus sieben
ruhige Jahre. Nach dieser Zeit rief der Vater, versöhnt, ihn
zurück. Einige Schriftsteller sprechen Letztern ganz von die-
ser Unthat frey, indem sie sie einzig der Simonis zuschreiben.

In anderweitiger Hinsicht war Milutins Regierung
rühmlich und glücklich. Er vergrößerte Serbien durch grie-
chische und dalmatische Eroberungen, zwang dem Freystaat
Ragusa einen jährlichen Tribut ab, und erndtete in Kriegen
mit den Bulgaren und Tarlaren nicht weniger Ruhm und
Ehre ein. Auch im Innern bewies er sich thätig durch viele
geistliche Stiftungen und bedeutende Schenkungen an die
Geistlichkeit; das beste Mittel, gepriesen zu werden, in einem
Zeitalter, in welchem alle Schriftstellerey in den Händen von
Mönchen ist. Ob er zur Aufmunterung des Handels, ob er
zur Befestigung der Gesetze etwas gethan, erfahren wir nicht.
Mit seinem Bruder blieb er fortdauernd im besten Verneh-
men. Als dieser aber starb, ließ er sogleich dessen Sohn,
Wladislaus, gefangen nehmen, und bemächtigte sich seines
Erblandes. Die Bemühungen des römischen Stuhls, zu
Gunsten der occidentalischen Kirche, welche die Königin Mut-
ter aus allen Kräften unterstützte, schienen eine Zeit lang zu
gelingen. Aber es zeigte sich bald, daß Milutin dabey nur
politische Zwecke und die Benutzung des Augenblicks berück-
sichtigte. Wiederholt wurden Unterhandlungen angeknüpft,
wiederholt zerschlugen sie sich.

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[XVII/0037] und kehrte, sich dem Vater zu Füßen werfend, reuig zurück. Milutin, nachdem er ihm äußerlich Vergebung zugesichert, ließ ihn in Ketten legen, und — blenden. Der unglückliche Jüngling ward des Augenlichtes nicht ganz beraubt: ein Schimmer blieb ihm; in der Folge stellten heilsame Arzeneyen und Pflege die Sehkraft mehr und mehr wieder her. Von dem Vater, wahrscheinlich auf Veranlassung der griechischen Stiefmutter, nach Constantinopel gesendet, lebte er hier un- ter dem Schutze des gütiggesinnten Kaisers Andronikus sieben ruhige Jahre. Nach dieser Zeit rief der Vater, versöhnt, ihn zurück. Einige Schriftsteller sprechen Letztern ganz von die- ser Unthat frey, indem sie sie einzig der Simonis zuschreiben. 1307 In anderweitiger Hinsicht war Milutins Regierung rühmlich und glücklich. Er vergrößerte Serbien durch grie- chische und dalmatische Eroberungen, zwang dem Freystaat Ragusa einen jährlichen Tribut ab, und erndtete in Kriegen mit den Bulgaren und Tarlaren nicht weniger Ruhm und Ehre ein. Auch im Innern bewies er sich thätig durch viele geistliche Stiftungen und bedeutende Schenkungen an die Geistlichkeit; das beste Mittel, gepriesen zu werden, in einem Zeitalter, in welchem alle Schriftstellerey in den Händen von Mönchen ist. Ob er zur Aufmunterung des Handels, ob er zur Befestigung der Gesetze etwas gethan, erfahren wir nicht. Mit seinem Bruder blieb er fortdauernd im besten Verneh- men. Als dieser aber starb, ließ er sogleich dessen Sohn, Wladislaus, gefangen nehmen, und bemächtigte sich seines Erblandes. Die Bemühungen des römischen Stuhls, zu Gunsten der occidentalischen Kirche, welche die Königin Mut- ter aus allen Kräften unterstützte, schienen eine Zeit lang zu gelingen. Aber es zeigte sich bald, daß Milutin dabey nur politische Zwecke und die Benutzung des Augenblicks berück- sichtigte. Wiederholt wurden Unterhandlungen angeknüpft, wiederholt zerschlugen sie sich. b

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Zitationshilfe: Talvj, Volkslieder der Serben, 1825, S. XVII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825/37>, abgerufen am 19.04.2024.