Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Talvj, Volkslieder der Serben, 1825

Bild:
<< vorherige Seite

Milutin, mit der Bedingung, daß seine Söhne den Kinder"
losen beerbm sollten. Er selbst behielt sich nur ein geringes
Gebiet vor, die Matschwa, welche zwischen dem Zer, der
Drina und Sawa zu suchen ist, und einige angränzende Land-
schaften. Lange nachher noch bewahrte dieser Bezirk den Na-
men: König Stephans Land. Hierhin folgte ihm seine Ge-
mahlin Catharina. Wankelmüthig, von Leidenschaften hin
und her gerissen, bereuete er diesen Schritt so schnell als den
frühern. Er verdrängte den Bruder wieder, fühlte neue Ge-
wissensbisse, und zog sich schon nach wenigen Monden aber-
mals in sein vorbehaltnes Land zurück, wo er unter Handlun-
gen christlicher Barmherzigkeit und den härtesten Bußübungen
sein Leben zubrachte. Trotz seiner Vergehungen erscheint er
mehr schwach als bös, mehr unglücklich als schuldig.

Mit mehr Besonnenheit handelte zwar sein Bruder, der
unter dem Namen Stephan Milnutin Urosch nun zum zwey-
tenmal den Thron bestieg. Doch ward auch er von Einer
Hauptleidenschaft beherrscht, die ihn zu den unvorsichtigsten
Handlungen hinriß: einer ungebundnen Sinnlichkeit. Von
vier Gemahlinnen wurden dreye, ohne andern Grund, als sei-
nen Ueberdruß, verstoßen. Die vierte, Simonis, eine grie-
chische Prinzessin, welche schon als siebenjähriges Kind dem
45jährigen Manne vermählt ward, überlebte ihn. Noch
schwärzer erscheint er in seinem Verfahren gegen seinen natür-
lichen Sohn Stephan, den einzigen männlichen Erben, wel-
cher ihm, und zwar in früher Jugend, geboren war. In
der Hoffnung ehlicher Nachkommen, hatte er diesem in Setsk
ein Fürstenthum errichtet, wo er eine Zeit lang regierte. Miß-
vergnügte serbische Große beredteten, ihn, sich gegen die ihm
drohende Beeinträchtigung aufzulehnen. Er fieng an, alle
Unzufriednen um sich zu sammeln. Sein Anhaug vermehrte
sich in kurzer Zeit so, daß sein Vater für nöthig fand, mit
einem starken Heere gegen ihn zu ziehn. Der Sohn floh,

und

Milutin, mit der Bedingung, daß seine Söhne den Kinder»
losen beerbm sollten. Er selbst behielt sich nur ein geringes
Gebiet vor, die Matschwa, welche zwischen dem Zer, der
Drina und Sawa zu suchen ist, und einige angränzende Land-
schaften. Lange nachher noch bewahrte dieser Bezirk den Na-
men: König Stephans Land. Hierhin folgte ihm seine Ge-
mahlin Catharina. Wankelmüthig, von Leidenschaften hin
und her gerissen, bereuete er diesen Schritt so schnell als den
frühern. Er verdrängte den Bruder wieder, fühlte neue Ge-
wissensbisse, und zog sich schon nach wenigen Monden aber-
mals in sein vorbehaltnes Land zurück, wo er unter Handlun-
gen christlicher Barmherzigkeit und den härtesten Bußübungen
sein Leben zubrachte. Trotz seiner Vergehungen erscheint er
mehr schwach als bös, mehr unglücklich als schuldig.

Mit mehr Besonnenheit handelte zwar sein Bruder, der
unter dem Namen Stephan Milnutin Urosch nun zum zwey-
tenmal den Thron bestieg. Doch ward auch er von Einer
Hauptleidenschaft beherrscht, die ihn zu den unvorsichtigsten
Handlungen hinriß: einer ungebundnen Sinnlichkeit. Von
vier Gemahlinnen wurden dreye, ohne andern Grund, als sei-
nen Ueberdruß, verstoßen. Die vierte, Simonis, eine grie-
chische Prinzessin, welche schon als siebenjähriges Kind dem
45jährigen Manne vermählt ward, überlebte ihn. Noch
schwärzer erscheint er in seinem Verfahren gegen seinen natür-
lichen Sohn Stephan, den einzigen männlichen Erben, wel-
cher ihm, und zwar in früher Jugend, geboren war. In
der Hoffnung ehlicher Nachkommen, hatte er diesem in Setsk
ein Fürstenthum errichtet, wo er eine Zeit lang regierte. Miß-
vergnügte serbische Große beredteten, ihn, sich gegen die ihm
drohende Beeinträchtigung aufzulehnen. Er fieng an, alle
Unzufriednen um sich zu sammeln. Sein Anhaug vermehrte
sich in kurzer Zeit so, daß sein Vater für nöthig fand, mit
einem starken Heere gegen ihn zu ziehn. Der Sohn floh,

und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0036" n="XVI"/>
        <p>Milutin, mit der Bedingung, daß seine Söhne den Kinder»<lb/>
losen beerbm sollten. Er selbst behielt sich nur ein geringes<lb/>
Gebiet vor, die Matschwa, welche zwischen dem Zer, der<lb/>
Drina und Sawa zu suchen ist, und einige angränzende Land-<lb/>
schaften. Lange nachher noch bewahrte dieser Bezirk den Na-<lb/>
men: König Stephans Land. Hierhin folgte ihm seine Ge-<lb/>
mahlin Catharina. Wankelmüthig, von Leidenschaften hin<lb/>
und her gerissen, bereuete er diesen Schritt so schnell als den<lb/>
frühern. Er verdrängte den Bruder wieder, fühlte neue Ge-<lb/>
wissensbisse, und zog sich schon nach wenigen Monden aber-<lb/>
mals in sein vorbehaltnes Land zurück, wo er unter Handlun-<lb/>
gen christlicher Barmherzigkeit und den härtesten Bußübungen<lb/>
sein Leben zubrachte. Trotz seiner Vergehungen erscheint er<lb/>
mehr schwach als bös, mehr unglücklich als schuldig.</p><lb/>
        <p>Mit mehr Besonnenheit handelte zwar sein Bruder, der<lb/>
unter dem Namen Stephan Milnutin Urosch nun zum zwey-<lb/>
tenmal den Thron bestieg. Doch ward auch er von Einer<lb/>
Hauptleidenschaft beherrscht, die ihn zu den unvorsichtigsten<lb/>
Handlungen hinriß: einer ungebundnen Sinnlichkeit. Von<lb/>
vier Gemahlinnen wurden dreye, ohne andern Grund, als sei-<lb/>
nen Ueberdruß, verstoßen. Die vierte, Simonis, eine grie-<lb/>
chische Prinzessin, welche schon als siebenjähriges Kind dem<lb/>
45jährigen Manne vermählt ward, überlebte ihn. Noch<lb/>
schwärzer erscheint er in seinem Verfahren gegen seinen natür-<lb/>
lichen Sohn Stephan, den einzigen männlichen Erben, wel-<lb/>
cher ihm, und zwar in früher Jugend, geboren war. In<lb/>
der Hoffnung ehlicher Nachkommen, hatte er diesem in Setsk<lb/>
ein Fürstenthum errichtet, wo er eine Zeit lang regierte. Miß-<lb/>
vergnügte serbische Große beredteten, ihn, sich gegen die ihm<lb/>
drohende Beeinträchtigung aufzulehnen. Er fieng an, alle<lb/>
Unzufriednen um sich zu sammeln. Sein Anhaug vermehrte<lb/>
sich in kurzer Zeit so, daß sein Vater für nöthig fand, mit<lb/>
einem starken Heere gegen ihn zu ziehn. Der Sohn floh,</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[XVI/0036] Milutin, mit der Bedingung, daß seine Söhne den Kinder» losen beerbm sollten. Er selbst behielt sich nur ein geringes Gebiet vor, die Matschwa, welche zwischen dem Zer, der Drina und Sawa zu suchen ist, und einige angränzende Land- schaften. Lange nachher noch bewahrte dieser Bezirk den Na- men: König Stephans Land. Hierhin folgte ihm seine Ge- mahlin Catharina. Wankelmüthig, von Leidenschaften hin und her gerissen, bereuete er diesen Schritt so schnell als den frühern. Er verdrängte den Bruder wieder, fühlte neue Ge- wissensbisse, und zog sich schon nach wenigen Monden aber- mals in sein vorbehaltnes Land zurück, wo er unter Handlun- gen christlicher Barmherzigkeit und den härtesten Bußübungen sein Leben zubrachte. Trotz seiner Vergehungen erscheint er mehr schwach als bös, mehr unglücklich als schuldig. Mit mehr Besonnenheit handelte zwar sein Bruder, der unter dem Namen Stephan Milnutin Urosch nun zum zwey- tenmal den Thron bestieg. Doch ward auch er von Einer Hauptleidenschaft beherrscht, die ihn zu den unvorsichtigsten Handlungen hinriß: einer ungebundnen Sinnlichkeit. Von vier Gemahlinnen wurden dreye, ohne andern Grund, als sei- nen Ueberdruß, verstoßen. Die vierte, Simonis, eine grie- chische Prinzessin, welche schon als siebenjähriges Kind dem 45jährigen Manne vermählt ward, überlebte ihn. Noch schwärzer erscheint er in seinem Verfahren gegen seinen natür- lichen Sohn Stephan, den einzigen männlichen Erben, wel- cher ihm, und zwar in früher Jugend, geboren war. In der Hoffnung ehlicher Nachkommen, hatte er diesem in Setsk ein Fürstenthum errichtet, wo er eine Zeit lang regierte. Miß- vergnügte serbische Große beredteten, ihn, sich gegen die ihm drohende Beeinträchtigung aufzulehnen. Er fieng an, alle Unzufriednen um sich zu sammeln. Sein Anhaug vermehrte sich in kurzer Zeit so, daß sein Vater für nöthig fand, mit einem starken Heere gegen ihn zu ziehn. Der Sohn floh, und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Robert Charlier, AV GWB Berlin: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-05-30T17:55:01Z)

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): keine Angabe; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: keine Angabe; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: keine Angabe;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825/36
Zitationshilfe: Talvj, Volkslieder der Serben, 1825, S. XVI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825/36>, abgerufen am 22.11.2024.