Talvj, Volkslieder der Serben, 1825Hast Du etwa ein Gelüst zu sterben?" -- 160 Und es gieng der Doge von Venedig. Als zum zweiten Mal sie Rasttag hielten, Schleicht er wieder sich zum weißen Zelte, Spricht von Neuem zum Semlitschen Stephan: "Gieb mir, Stephan, Deine süße Schwäg'rin, 165 Eine Nacht nur gieb sie mir zum Liebchen! Sieh', ich gebe Dir zwei Stiefeln Goldes, Ganz gefüllt mit goldenen Dukaten." -- Und ergrimmt entgegnete ihm Stephan: "Gehe, Doge! daß der Tod Dich treffe! 170 Wie doch dürften sich wohl Pathen küssen!" Und nach seinem Zelte gieng der Doge; Aber als sie wieder Rasttag machten, Schlich zum dritten Mal er zu dem Führer: "Gieb mir, Schwager, Deine süße Schwäg'rin, 175 Eine Nacht nur gieb sie mir zum Liebchen! Siehe hier drei Stiefeln voll Dukaten!" Da ergab, verführt, sich Stephan Semlitsch Für drei Stiefeln goldener Dukaten, Gab dem Dogen seine schöne Schwäg'rin, 180 Jener ihm die Goldgefüllten Stiefeln, Und die Braut an weißer Hand ergreifend, Führte sie nach seinem Zelt' der Doge. Flüsternd sprach er hier zur schönen Pathin: "Setz' Dich, Schönste, setz' Dich, süße Pathin, 185 Daß wir uns umarmen und uns küssen!" -- Hast Du etwa ein Gelüst zu sterben?“ — 160 Und es gieng der Doge von Venedig. Als zum zweiten Mal sie Rasttag hielten, Schleicht er wieder sich zum weißen Zelte, Spricht von Neuem zum Semlitschen Stephan: „Gieb mir, Stephan, Deine süße Schwäg'rin, 165 Eine Nacht nur gieb sie mir zum Liebchen! Sieh', ich gebe Dir zwei Stiefeln Goldes, Ganz gefüllt mit goldenen Dukaten.“ — Und ergrimmt entgegnete ihm Stephan: „Gehe, Doge! daß der Tod Dich treffe! 170 Wie doch dürften sich wohl Pathen küssen!“ Und nach seinem Zelte gieng der Doge; Aber als sie wieder Rasttag machten, Schlich zum dritten Mal er zu dem Führer: „Gieb mir, Schwager, Deine süße Schwäg'rin, 175 Eine Nacht nur gieb sie mir zum Liebchen! Siehe hier drei Stiefeln voll Dukaten!“ Da ergab, verführt, sich Stephan Semlitsch Für drei Stiefeln goldener Dukaten, Gab dem Dogen seine schöne Schwäg'rin, 180 Jener ihm die Goldgefüllten Stiefeln, Und die Braut an weißer Hand ergreifend, Führte sie nach seinem Zelt' der Doge. Flüsternd sprach er hier zur schönen Pathin: „Setz' Dich, Schönste, setz' Dich, süße Pathin, 185 Daß wir uns umarmen und uns küssen!“ — <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0258" n="192"/> <lg> <l>Hast Du etwa ein Gelüst zu sterben?“ — <note place="right">160</note></l><lb/> <l>Und es gieng der Doge von Venedig.</l><lb/> <l>Als zum zweiten Mal sie Rasttag hielten,</l><lb/> <l>Schleicht er wieder sich zum weißen Zelte,</l><lb/> <l>Spricht von Neuem zum Semlitschen Stephan:</l><lb/> <l>„Gieb mir, Stephan, Deine süße Schwäg'rin, <note place="right">165</note></l><lb/> <l>Eine Nacht nur gieb sie mir zum Liebchen!</l><lb/> <l>Sieh', ich gebe Dir zwei Stiefeln Goldes,</l><lb/> <l>Ganz gefüllt mit goldenen Dukaten.“ —</l><lb/> <l>Und ergrimmt entgegnete ihm Stephan:</l><lb/> <l>„Gehe, Doge! daß der Tod Dich treffe! <note place="right">170</note></l><lb/> <l>Wie doch dürften sich wohl Pathen küssen!“</l><lb/> <l>Und nach seinem Zelte gieng der Doge;</l><lb/> <l>Aber als sie wieder Rasttag machten,</l><lb/> <l>Schlich zum dritten Mal er zu dem Führer:</l><lb/> <l>„Gieb mir, Schwager, Deine süße Schwäg'rin, <note place="right">175</note></l><lb/> <l>Eine Nacht nur gieb sie mir zum Liebchen!</l><lb/> <l>Siehe hier drei Stiefeln voll Dukaten!“</l><lb/> <l>Da ergab, verführt, sich Stephan Semlitsch</l><lb/> <l>Für drei Stiefeln goldener Dukaten,</l><lb/> <l>Gab dem Dogen seine schöne Schwäg'rin, <note place="right">180</note></l><lb/> <l>Jener ihm die Goldgefüllten Stiefeln,</l><lb/> <l>Und die Braut an weißer Hand ergreifend,</l><lb/> <l>Führte sie nach seinem Zelt' der Doge.</l> </lg><lb/> <lg> <l>Flüsternd sprach er hier zur schönen Pathin:</l><lb/> <l>„Setz' Dich, Schönste, setz' Dich, süße Pathin, <note place="right">185</note></l><lb/> <l>Daß wir uns umarmen und uns küssen!“ —</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [192/0258]
Hast Du etwa ein Gelüst zu sterben?“ —
Und es gieng der Doge von Venedig.
Als zum zweiten Mal sie Rasttag hielten,
Schleicht er wieder sich zum weißen Zelte,
Spricht von Neuem zum Semlitschen Stephan:
„Gieb mir, Stephan, Deine süße Schwäg'rin,
Eine Nacht nur gieb sie mir zum Liebchen!
Sieh', ich gebe Dir zwei Stiefeln Goldes,
Ganz gefüllt mit goldenen Dukaten.“ —
Und ergrimmt entgegnete ihm Stephan:
„Gehe, Doge! daß der Tod Dich treffe!
Wie doch dürften sich wohl Pathen küssen!“
Und nach seinem Zelte gieng der Doge;
Aber als sie wieder Rasttag machten,
Schlich zum dritten Mal er zu dem Führer:
„Gieb mir, Schwager, Deine süße Schwäg'rin,
Eine Nacht nur gieb sie mir zum Liebchen!
Siehe hier drei Stiefeln voll Dukaten!“
Da ergab, verführt, sich Stephan Semlitsch
Für drei Stiefeln goldener Dukaten,
Gab dem Dogen seine schöne Schwäg'rin,
Jener ihm die Goldgefüllten Stiefeln,
Und die Braut an weißer Hand ergreifend,
Führte sie nach seinem Zelt' der Doge.
Flüsternd sprach er hier zur schönen Pathin:
„Setz' Dich, Schönste, setz' Dich, süße Pathin,
Daß wir uns umarmen und uns küssen!“ —
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