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Talvj, Volkslieder der Serben, 1825

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Also giengen hin drei Jahrestage,
Schmerzlich stöhnte Schwesterchen Jelitza: 25
"Lieber Himmel, welch ein großes Wunder!
Wie hab' ich an ihnen mich versündigt,
Daß die Bruder nimmer zu mir kommen!" --
Und es höhnten sie die Schwägerinnen:
"Du Verworfne! Deine Bruder müssen 30
Dich verachten, daß sie nimmer kommen!" --
Schmerzlich stöhnte Schwesterchen Jelitza,
Schmerzlich von dem Morgen bis zum Abend,
Daß den Herrn im Himmel es erbarmte.
Zween seiner Engel rief er zu sich: 35
"Geht hinunter, meine beiden Engel!
Zu dem weißen Grabe des Johannes,
Des Johannes, ihres jüngsten Bruders,
Haucht den Knaben an mit Eurem Geiste:
Aus dem weißen Grabstein macht ein Roß ihm, 40
Und ein Brodt bereitet ihm aus Erde,
Aber aus dem Leichentuch Geschenke;
Rüstet ihn, daß er zur Schwester gehe!" --
Eilig gehen Gottes beide Engel
Zu dem weißen Grabe des Johannes; 45
Machen aus dem Leichenstein ein Roß ihm,
Hauchen an mit ihrem Geist' den Knaben,
Brodt bereiten sie ihm aus der Erde;
Aber aus dem Leichentuch Geschenke,
Rüsten ihn, daß er zur Schwester gehe. 50
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Also giengen hin drei Jahrestage,
Schmerzlich stöhnte Schwesterchen Jelitza: 25
„Lieber Himmel, welch ein großes Wunder!
Wie hab' ich an ihnen mich versündigt,
Daß die Bruder nimmer zu mir kommen!“ —
Und es höhnten sie die Schwägerinnen:
„Du Verworfne! Deine Bruder müssen 30
Dich verachten, daß sie nimmer kommen!“ —
Schmerzlich stöhnte Schwesterchen Jelitza,
Schmerzlich von dem Morgen bis zum Abend,
Daß den Herrn im Himmel es erbarmte.
Zween seiner Engel rief er zu sich: 35
„Geht hinunter, meine beiden Engel!
Zu dem weißen Grabe des Johannes,
Des Johannes, ihres jüngsten Bruders,
Haucht den Knaben an mit Eurem Geiste:
Aus dem weißen Grabstein macht ein Roß ihm, 40
Und ein Brodt bereitet ihm aus Erde,
Aber aus dem Leichentuch Geschenke;
Rüstet ihn, daß er zur Schwester gehe!“ —
Eilig gehen Gottes beide Engel
Zu dem weißen Grabe des Johannes; 45
Machen aus dem Leichenstein ein Roß ihm,
Hauchen an mit ihrem Geist' den Knaben,
Brodt bereiten sie ihm aus der Erde;
Aber aus dem Leichentuch Geschenke,
Rüsten ihn, daß er zur Schwester gehe. 50
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[161/0227] Also giengen hin drei Jahrestage, Schmerzlich stöhnte Schwesterchen Jelitza: „Lieber Himmel, welch ein großes Wunder! Wie hab' ich an ihnen mich versündigt, Daß die Bruder nimmer zu mir kommen!“ — Und es höhnten sie die Schwägerinnen: „Du Verworfne! Deine Bruder müssen Dich verachten, daß sie nimmer kommen!“ — Schmerzlich stöhnte Schwesterchen Jelitza, Schmerzlich von dem Morgen bis zum Abend, Daß den Herrn im Himmel es erbarmte. Zween seiner Engel rief er zu sich: „Geht hinunter, meine beiden Engel! Zu dem weißen Grabe des Johannes, Des Johannes, ihres jüngsten Bruders, Haucht den Knaben an mit Eurem Geiste: Aus dem weißen Grabstein macht ein Roß ihm, Und ein Brodt bereitet ihm aus Erde, Aber aus dem Leichentuch Geschenke; Rüstet ihn, daß er zur Schwester gehe!“ — Eilig gehen Gottes beide Engel Zu dem weißen Grabe des Johannes; Machen aus dem Leichenstein ein Roß ihm, Hauchen an mit ihrem Geist' den Knaben, Brodt bereiten sie ihm aus der Erde; Aber aus dem Leichentuch Geschenke, Rüsten ihn, daß er zur Schwester gehe. 11

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Zitationshilfe: Talvj, Volkslieder der Serben, 1825, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825/227>, abgerufen am 22.11.2024.