Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Talvj, Volkslieder der Serben, 1825

Bild:
<< vorherige Seite
Und es hieß der Bruder Wuk Jerinitsch
Ab das goldne Schleiertuch sie nehmen. 130
Als der Türk' die Angelia ansah,
Freudig sprang er auf die Heldenfüße,
Sprach zu Wuk Jerinitsch frohe Worte:
"Auf, o Wuk! laß stehen Wein und Becher!
Tranken wir doch schon genug des Weines! 135
Auf, o Wuk, und rüste Deinen Rappen!" --
Leichten Fußes sprang auch Wuk vom Sessel.
Küßten sich darauf die Wangen Beide,
Und verziehen Blut und Tod einander;
Rüsteten dann ihre guten Rosse, 140
Und sich hurtig in den Sattel schwingend,
Griffen sie nach ihren Kampfeslanzen.
Um zu Angelia schaut' der Türke,
Hoch vom Rosse sprach er zu der Jungfrau:
"Angelia, wunderschönes Mädchen! 145
Wenn ich heute komm' in Todesnöthen:
Steh' mir bei in meinen letzten Nöthen!
Doch wenn Gott es und das Glück es füget,
Daß ich Deinen lieben Bruder tödte:
Dann nehm ich Dich mir zum süßen Liebchen 150
Und Haikuna diene Dir als Sklavin!" --
Und der Christenjüngling Wuk Jerinitsch:
"O Haikuna, schönste Gattin Sukans!
Und es hieß der Bruder Wuk Jerinitsch
Ab das goldne Schleiertuch sie nehmen. 130
Als der Türk' die Angelia ansah,
Freudig sprang er auf die Heldenfüße,
Sprach zu Wuk Jerinitsch frohe Worte:
„Auf, o Wuk! laß stehen Wein und Becher!
Tranken wir doch schon genug des Weines! 135
Auf, o Wuk, und rüste Deinen Rappen!“ —
Leichten Fußes sprang auch Wuk vom Sessel.
Küßten sich darauf die Wangen Beide,
Und verziehen Blut und Tod einander;
Rüsteten dann ihre guten Rosse, 140
Und sich hurtig in den Sattel schwingend,
Griffen sie nach ihren Kampfeslanzen.
Um zu Angelia schaut' der Türke,
Hoch vom Rosse sprach er zu der Jungfrau:
„Angelia, wunderschönes Mädchen! 145
Wenn ich heute komm' in Todesnöthen:
Steh' mir bei in meinen letzten Nöthen!
Doch wenn Gott es und das Glück es füget,
Daß ich Deinen lieben Bruder tödte:
Dann nehm ich Dich mir zum süßen Liebchen 150
Und Haikuna diene Dir als Sklavin!“ —
Und der Christenjüngling Wuk Jerinitsch:
„O Haikuna, schönste Gattin Sukans!
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0222" n="156"/>
            <lg>
              <l>Und es hieß der Bruder Wuk Jerinitsch</l><lb/>
              <l>Ab das goldne Schleiertuch sie nehmen. <note place="right">130</note></l><lb/>
              <l>Als der Türk' die Angelia ansah,</l><lb/>
              <l>Freudig sprang er auf die Heldenfüße,</l><lb/>
              <l>Sprach zu Wuk Jerinitsch frohe Worte:</l>
            </lg><lb/>
            <lg>
              <l>&#x201E;Auf, o Wuk! laß stehen Wein und Becher!</l><lb/>
              <l>Tranken wir doch schon genug des Weines! <note place="right">135</note></l><lb/>
              <l>Auf, o Wuk, und rüste Deinen Rappen!&#x201C; &#x2014;</l>
            </lg><lb/>
            <lg>
              <l>Leichten Fußes sprang auch Wuk vom Sessel.</l><lb/>
              <l>Küßten sich darauf die Wangen Beide,</l><lb/>
              <l>Und verziehen Blut und Tod einander;</l><lb/>
              <l>Rüsteten dann ihre guten Rosse, <note place="right">140</note></l><lb/>
              <l>Und sich hurtig in den Sattel schwingend,</l><lb/>
              <l>Griffen sie nach ihren Kampfeslanzen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg>
              <l>Um zu Angelia schaut' der Türke,</l><lb/>
              <l>Hoch vom Rosse sprach er zu der Jungfrau:</l><lb/>
              <l>&#x201E;Angelia, wunderschönes Mädchen! <note place="right">145</note></l><lb/>
              <l>Wenn ich heute komm' in Todesnöthen:</l><lb/>
              <l>Steh' mir bei in meinen letzten Nöthen!</l><lb/>
              <l>Doch wenn Gott es und das Glück es füget,</l><lb/>
              <l>Daß ich Deinen lieben Bruder tödte:</l><lb/>
              <l>Dann nehm ich Dich mir zum süßen Liebchen <note place="right">150</note></l><lb/>
              <l>Und Haikuna diene Dir als Sklavin!&#x201C; &#x2014;</l>
            </lg><lb/>
            <lg>
              <l>Und der Christenjüngling Wuk Jerinitsch:</l><lb/>
              <l>&#x201E;O Haikuna, schönste Gattin Sukans!</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[156/0222] Und es hieß der Bruder Wuk Jerinitsch Ab das goldne Schleiertuch sie nehmen. Als der Türk' die Angelia ansah, Freudig sprang er auf die Heldenfüße, Sprach zu Wuk Jerinitsch frohe Worte: „Auf, o Wuk! laß stehen Wein und Becher! Tranken wir doch schon genug des Weines! Auf, o Wuk, und rüste Deinen Rappen!“ — Leichten Fußes sprang auch Wuk vom Sessel. Küßten sich darauf die Wangen Beide, Und verziehen Blut und Tod einander; Rüsteten dann ihre guten Rosse, Und sich hurtig in den Sattel schwingend, Griffen sie nach ihren Kampfeslanzen. Um zu Angelia schaut' der Türke, Hoch vom Rosse sprach er zu der Jungfrau: „Angelia, wunderschönes Mädchen! Wenn ich heute komm' in Todesnöthen: Steh' mir bei in meinen letzten Nöthen! Doch wenn Gott es und das Glück es füget, Daß ich Deinen lieben Bruder tödte: Dann nehm ich Dich mir zum süßen Liebchen Und Haikuna diene Dir als Sklavin!“ — Und der Christenjüngling Wuk Jerinitsch: „O Haikuna, schönste Gattin Sukans!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Robert Charlier, AV GWB Berlin: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-05-30T17:55:01Z)

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): keine Angabe; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: keine Angabe; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: keine Angabe;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825/222
Zitationshilfe: Talvj, Volkslieder der Serben, 1825, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825/222>, abgerufen am 09.11.2024.