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Talvj, Volkslieder der Serben, 1825

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Niederhängen läßt er tief den Schnurrbart, 395
Daß er schwarz bis auf die Schultern woget;
Auf den Wällen geht er auf und nieder,
Still und ernstlich das Geschütz betrachtend,
Und er übersiehet seine Herrschaft,
Uebersiehet all' des Sultans Lande, 400
Doch am meisten suchen seine Augen
Auf der Ebne die geschmückten Schaaren!
Wahrlich, 's ist kein Scherz, es ist nichts Kleines!
Weit von Shabljack bis zum Strom Zetinja
Stehen Zelt' an Zelte aufgeschlagen, 405
Roß an Roß und Held an Held gedränget,
Kampfeslanzen, wie ein schwarzer Bergwald,
Weiße Fahnen, wie ein Meer von Wolken.
Als Johannes nun am frühen Morgen
Sich ergehet auf der Veste Wällen, 410
Sah von fern ihn Zernojewitsch Iwan.
Schmerzlich war es ihm, ihn hier zu sehen,
Und er kam und bot ihm guten Morgen:
"Guten Morgen, Capetan Johannes!
Warum, sprich, erhebst Du Dich so frühe? 415
Warum Dein Gezelt hast Du verlassen,
Warum die geschmückten Hochzeitleute?
Doch vor Allem, warum, Sohn, so düster,
Im Gesicht so finster und unfröhlich?
Dieß, Johannes, sage Deinem Ohme!" -- 420
Ihm erwiedert Capetan Johannes:
"Laß in Ruh mich, werther Oheim Iwan!

Niederhängen läßt er tief den Schnurrbart, 395
Daß er schwarz bis auf die Schultern woget;
Auf den Wällen geht er auf und nieder,
Still und ernstlich das Geschütz betrachtend,
Und er übersiehet seine Herrschaft,
Uebersiehet all' des Sultans Lande, 400
Doch am meisten suchen seine Augen
Auf der Ebne die geschmückten Schaaren!
Wahrlich, 's ist kein Scherz, es ist nichts Kleines!
Weit von Shabljack bis zum Strom Zetinja
Stehen Zelt' an Zelte aufgeschlagen, 405
Roß an Roß und Held an Held gedränget,
Kampfeslanzen, wie ein schwarzer Bergwald,
Weiße Fahnen, wie ein Meer von Wolken.
Als Johannes nun am frühen Morgen
Sich ergehet auf der Veste Wällen, 410
Sah von fern ihn Zernojewitsch Iwan.
Schmerzlich war es ihm, ihn hier zu sehen,
Und er kam und bot ihm guten Morgen:
„Guten Morgen, Capetan Johannes!
Warum, sprich, erhebst Du Dich so frühe? 415
Warum Dein Gezelt hast Du verlassen,
Warum die geschmückten Hochzeitleute?
Doch vor Allem, warum, Sohn, so düster,
Im Gesicht so finster und unfröhlich?
Dieß, Johannes, sage Deinem Ohme!“ — 420
Ihm erwiedert Capetan Johannes:
„Laß in Ruh mich, werther Oheim Iwan!

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[86/0152] Niederhängen läßt er tief den Schnurrbart, Daß er schwarz bis auf die Schultern woget; Auf den Wällen geht er auf und nieder, Still und ernstlich das Geschütz betrachtend, Und er übersiehet seine Herrschaft, Uebersiehet all' des Sultans Lande, Doch am meisten suchen seine Augen Auf der Ebne die geschmückten Schaaren! Wahrlich, 's ist kein Scherz, es ist nichts Kleines! Weit von Shabljack bis zum Strom Zetinja Stehen Zelt' an Zelte aufgeschlagen, Roß an Roß und Held an Held gedränget, Kampfeslanzen, wie ein schwarzer Bergwald, Weiße Fahnen, wie ein Meer von Wolken. Als Johannes nun am frühen Morgen Sich ergehet auf der Veste Wällen, Sah von fern ihn Zernojewitsch Iwan. Schmerzlich war es ihm, ihn hier zu sehen, Und er kam und bot ihm guten Morgen: „Guten Morgen, Capetan Johannes! Warum, sprich, erhebst Du Dich so frühe? Warum Dein Gezelt hast Du verlassen, Warum die geschmückten Hochzeitleute? Doch vor Allem, warum, Sohn, so düster, Im Gesicht so finster und unfröhlich? Dieß, Johannes, sage Deinem Ohme!“ — Ihm erwiedert Capetan Johannes: „Laß in Ruh mich, werther Oheim Iwan!

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Zitationshilfe: Talvj, Volkslieder der Serben, 1825, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825/152>, abgerufen am 20.04.2024.