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Talvj, Volkslieder der Serben, 1825

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Schleichet das Gerücht von Mund zu Munde,
Daß es Groß' und Kleine all' vernehmen,
Alle serb'schen Edeln es erfahren, 180
So daß Keiner kommt und deß gedenket.
Also blieb's ein volles Jahr und länger,
Bis aus einem Jahre neune wurden,
Und der schönen Braut nicht mehr gedacht ward.
Doch im zehnten Jahre langt ein Bot' an, 185
Kommt und bringet einen Brief vom Dogen,
Einen Brief vom neuen Anverwandten,
Neu einst, aber nun ein alter worden!
Sind doch eine schöne Zeit neun Jahre!
Auf des Iwans Kniee fiel das Schreiben, 190
Sagt' ihm manche unwillkommne Worte:
"Freund und Schwager, Zernojewitsch Iwan!
Wenn für Dich Du eine Wies' umzäunest:
Mäh' sie, oder gieb sie einem Andern,
Daß nicht Reif und Winters Schneegestöber 195
Auf der Wiese welke Blumen falle!
Wenn Du um ein schönes Mädchen freiest:
Führ' die Braut heim, oder laß das Werben!
Hast gefreit um meine liebe Tochter,
Deiner Werbung hab' ich sie verlobet; 200
Alles haben einig wir besprochen:
Wenn der Wein und Waizen wieder trüge,
Wolltest Du, mit tausend Hochzeitleuten,
Hierher kehren, um die Braut zu holen;
Aber siehe, nach neun langen Jahren, 205
Schleichet das Gerücht von Mund zu Munde,
Daß es Groß' und Kleine all' vernehmen,
Alle serb'schen Edeln es erfahren, 180
So daß Keiner kommt und deß gedenket.
Also blieb's ein volles Jahr und länger,
Bis aus einem Jahre neune wurden,
Und der schönen Braut nicht mehr gedacht ward.
Doch im zehnten Jahre langt ein Bot' an, 185
Kommt und bringet einen Brief vom Dogen,
Einen Brief vom neuen Anverwandten,
Neu einst, aber nun ein alter worden!
Sind doch eine schöne Zeit neun Jahre!
Auf des Iwans Kniee fiel das Schreiben, 190
Sagt' ihm manche unwillkommne Worte:
„Freund und Schwager, Zernojewitsch Iwan!
Wenn für Dich Du eine Wies' umzäunest:
Mäh' sie, oder gieb sie einem Andern,
Daß nicht Reif und Winters Schneegestöber 195
Auf der Wiese welke Blumen falle!
Wenn Du um ein schönes Mädchen freiest:
Führ' die Braut heim, oder laß das Werben!
Hast gefreit um meine liebe Tochter,
Deiner Werbung hab' ich sie verlobet; 200
Alles haben einig wir besprochen:
Wenn der Wein und Waizen wieder trüge,
Wolltest Du, mit tausend Hochzeitleuten,
Hierher kehren, um die Braut zu holen;
Aber siehe, nach neun langen Jahren, 205
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[78/0144] Schleichet das Gerücht von Mund zu Munde, Daß es Groß' und Kleine all' vernehmen, Alle serb'schen Edeln es erfahren, So daß Keiner kommt und deß gedenket. Also blieb's ein volles Jahr und länger, Bis aus einem Jahre neune wurden, Und der schönen Braut nicht mehr gedacht ward. Doch im zehnten Jahre langt ein Bot' an, Kommt und bringet einen Brief vom Dogen, Einen Brief vom neuen Anverwandten, Neu einst, aber nun ein alter worden! Sind doch eine schöne Zeit neun Jahre! Auf des Iwans Kniee fiel das Schreiben, Sagt' ihm manche unwillkommne Worte: „Freund und Schwager, Zernojewitsch Iwan! Wenn für Dich Du eine Wies' umzäunest: Mäh' sie, oder gieb sie einem Andern, Daß nicht Reif und Winters Schneegestöber Auf der Wiese welke Blumen falle! Wenn Du um ein schönes Mädchen freiest: Führ' die Braut heim, oder laß das Werben! Hast gefreit um meine liebe Tochter, Deiner Werbung hab' ich sie verlobet; Alles haben einig wir besprochen: Wenn der Wein und Waizen wieder trüge, Wolltest Du, mit tausend Hochzeitleuten, Hierher kehren, um die Braut zu holen; Aber siehe, nach neun langen Jahren,

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Zitationshilfe: Talvj, Volkslieder der Serben, 1825, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_volkslieder_1825/144>, abgerufen am 28.03.2024.