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Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 2. Solingen, 1844.

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Was würden die Schiffer wohl sagen,
Würd' ihnen das Wasser verbalkt?
Da blieb es wohl nicht blos beim Klagen,
Da würde wohl tüchtig gewalkt.
Was würden die Schwimmer wohl sagen,
Wär's Wasser ein gangbarer Ort?
Die würden nicht lange erst fragen,
Die schwömmen auf Schlittschuhen fort.
Das Wasser hat keine Balken,
Es macht keine Beule, kein Loch;
Drum frisch wie auf Reiher die Falken,
So stürzt auf die Wellen euch doch!


B.
Erfahrungen.

Obwohl es beinahe Eulen nach Athen tragen heißt,
Erfahrungen über die heilsamen Wirkungen der Turn-
übungen an Jung und Alt mitzutheilen, da von Herodi-
kos und Hypokrates an bis auf Hufeland und Koch
schon so unendlich Vieles darüber gesagt und geschrieben
worden ist. Aber jedes Geschlecht will den Weg der
Erfahrung selbst gehen; und dann -- unser Geschlecht
hat ein gar kurzes Gedächtniß. Was gesagt und gesun-
gen, ist heute vergessen, und man hat das leidige Ge-
schäft, das gestern Gesagte schon heute zu wiederholen.
Die Männer von Gedächtniß sind Männer der Wissen-
schaft, doch nicht Männer der That, und die Männer
der That und Erfahrung sind so selten! Darum läßt es
sich so leicht erklären, daß die classische Sprachgelehrsam-
keit unserer Turnkunst in Nichts zu Gute gekommen,
vielmehr kam mit von dort her das Geschrei: "Eine

Was würden die Schiffer wohl ſagen,
Würd’ ihnen das Waſſer verbalkt?
Da blieb es wohl nicht blos beim Klagen,
Da würde wohl tüchtig gewalkt.
Was würden die Schwimmer wohl ſagen,
Wär’s Waſſer ein gangbarer Ort?
Die würden nicht lange erſt fragen,
Die ſchwömmen auf Schlittſchuhen fort.
Das Waſſer hat keine Balken,
Es macht keine Beule, kein Loch;
Drum friſch wie auf Reiher die Falken,
So ſtürzt auf die Wellen euch doch!


B.
Erfahrungen.

Obwohl es beinahe Eulen nach Athen tragen heißt,
Erfahrungen über die heilſamen Wirkungen der Turn-
übungen an Jung und Alt mitzutheilen, da von Herodi-
kos und Hypokrates an bis auf Hufeland und Koch
ſchon ſo unendlich Vieles darüber geſagt und geſchrieben
worden iſt. Aber jedes Geſchlecht will den Weg der
Erfahrung ſelbſt gehen; und dann — unſer Geſchlecht
hat ein gar kurzes Gedächtniß. Was geſagt und geſun-
gen, iſt heute vergeſſen, und man hat das leidige Ge-
ſchäft, das geſtern Geſagte ſchon heute zu wiederholen.
Die Männer von Gedächtniß ſind Männer der Wiſſen-
ſchaft, doch nicht Männer der That, und die Männer
der That und Erfahrung ſind ſo ſelten! Darum läßt es
ſich ſo leicht erklären, daß die claſſiſche Sprachgelehrſam-
keit unſerer Turnkunſt in Nichts zu Gute gekommen,
vielmehr kam mit von dort her das Geſchrei: „Eine

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[67/0071] Was würden die Schiffer wohl ſagen, Würd’ ihnen das Waſſer verbalkt? Da blieb es wohl nicht blos beim Klagen, Da würde wohl tüchtig gewalkt. Was würden die Schwimmer wohl ſagen, Wär’s Waſſer ein gangbarer Ort? Die würden nicht lange erſt fragen, Die ſchwömmen auf Schlittſchuhen fort. Das Waſſer hat keine Balken, Es macht keine Beule, kein Loch; Drum friſch wie auf Reiher die Falken, So ſtürzt auf die Wellen euch doch! B. Erfahrungen. Obwohl es beinahe Eulen nach Athen tragen heißt, Erfahrungen über die heilſamen Wirkungen der Turn- übungen an Jung und Alt mitzutheilen, da von Herodi- kos und Hypokrates an bis auf Hufeland und Koch ſchon ſo unendlich Vieles darüber geſagt und geſchrieben worden iſt. Aber jedes Geſchlecht will den Weg der Erfahrung ſelbſt gehen; und dann — unſer Geſchlecht hat ein gar kurzes Gedächtniß. Was geſagt und geſun- gen, iſt heute vergeſſen, und man hat das leidige Ge- ſchäft, das geſtern Geſagte ſchon heute zu wiederholen. Die Männer von Gedächtniß ſind Männer der Wiſſen- ſchaft, doch nicht Männer der That, und die Männer der That und Erfahrung ſind ſo ſelten! Darum läßt es ſich ſo leicht erklären, daß die claſſiſche Sprachgelehrſam- keit unſerer Turnkunſt in Nichts zu Gute gekommen, vielmehr kam mit von dort her das Geſchrei: „Eine

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Zitationshilfe: Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 2. Solingen, 1844, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_turnkunst02_1844/71>, abgerufen am 03.05.2024.