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Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 2. Solingen, 1844.

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anstalten kaum dem Bedürfnisse genügen konnten. Die
Reitkunst, der damit verbundenen Kosten halber auf die
Klasse der Bemittelten beschränkt, fand gleichfalls ver-
hältnißmäßig vermehrte Theilnahme. Die Fechtkunst,
welche im Mittelalter in unserem Frankfurt einen ihrer
Hauptsitze hatte, dürfte vielleicht wieder in vermehrte
Aufnahme kommen, wenn die für ihre Pflege in der
Turnanstalt getroffenen Einrichtungen einmal tiefere Wur-
zel geschlagen haben werden. Das Scheibenschießen fin-
det noch immer bei der bestehenden Schützengesellschaft
einige Pflege. Endlich ist, so viel es die Umstände er-
lauben, bei dem hiesigen Linien-Militär mit turnerischen
Waffenübungen ein Anfang gemacht, indem dasselbe im
Fechten mit dem Bajonnet Unterricht erhält.

Schlußwort.

Man sieht aus obigem kurz gefaßten geschichtlichen
Abriß, daß Frankfurt in Hinsicht der Leibesübungen
gegen andere deutsche Bundesstaaten nicht unbedingt zu-
rückgeblieben ist. Bringt man jedoch in Betracht, daß
die Bevölkerung unseres kleinen Staates zumeist dem
Gewerbs-, Handels- und Gelehrtenstande angehört, daß
sie auf eine mehr sitzende, den Leib und Geist abstumpfende
Lebensart angewiesen ist, und zudem noch an dem,
größeren Städten leider eigenen, Hang zu erkünstelten
und übermäßigen Genüssen leidet, so dürfte das, was
bisher geschehen, doch kaum in Anschlag gebracht werden
können. Zu der Masse der Bevölkerung verglichen, bleibt
es immer vorerst nur ein guter Anfang. Erst wenn die
Turnanstalt zu einer öffentlichen Bildungsanstalt
erhoben und in unmittelbare Verwaltung des Staa-
tes
genommen wird, erst wenn geregelte Leibesübungen
in den Lehrplan der sämmtlichen hiesigen Schul-
anstalten
aufgenommen sein werden, wenn endlich
solchergestalt das Turnwesen in der öffentlichen Meinung
seinen Halt und Hort findet, und die Feste, die es der
Jugend und den heranwachsenden Bürgern bereitet, zu

anſtalten kaum dem Bedürfniſſe genügen konnten. Die
Reitkunſt, der damit verbundenen Koſten halber auf die
Klaſſe der Bemittelten beſchränkt, fand gleichfalls ver-
hältnißmäßig vermehrte Theilnahme. Die Fechtkunſt,
welche im Mittelalter in unſerem Frankfurt einen ihrer
Hauptſitze hatte, dürfte vielleicht wieder in vermehrte
Aufnahme kommen, wenn die für ihre Pflege in der
Turnanſtalt getroffenen Einrichtungen einmal tiefere Wur-
zel geſchlagen haben werden. Das Scheibenſchiéßen fin-
det noch immer bei der beſtehenden Schützengeſellſchaft
einige Pflege. Endlich iſt, ſo viel es die Umſtände er-
lauben, bei dem hieſigen Linien-Militär mit turneriſchen
Waffenübungen ein Anfang gemacht, indem daſſelbe im
Fechten mit dem Bajonnet Unterricht erhält.

Schlußwort.

Man ſieht aus obigem kurz gefaßten geſchichtlichen
Abriß, daß Frankfurt in Hinſicht der Leibesübungen
gegen andere deutſche Bundesſtaaten nicht unbedingt zu-
rückgeblieben iſt. Bringt man jedoch in Betracht, daß
die Bevölkerung unſeres kleinen Staates zumeiſt dem
Gewerbs-, Handels- und Gelehrtenſtande angehört, daß
ſie auf eine mehr ſitzende, den Leib und Geiſt abſtumpfende
Lebensart angewieſen iſt, und zudem noch an dem,
größeren Städten leider eigenen, Hang zu erkünſtelten
und übermäßigen Genüſſen leidet, ſo dürfte das, was
bisher geſchehen, doch kaum in Anſchlag gebracht werden
können. Zu der Maſſe der Bevölkerung verglichen, bleibt
es immer vorerſt nur ein guter Anfang. Erſt wenn die
Turnanſtalt zu einer öffentlichen Bildungsanſtalt
erhoben und in unmittelbare Verwaltung des Staa-
tes
genommen wird, erſt wenn geregelte Leibesübungen
in den Lehrplan der ſämmtlichen hieſigen Schul-
anſtalten
aufgenommen ſein werden, wenn endlich
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[42/0046] anſtalten kaum dem Bedürfniſſe genügen konnten. Die Reitkunſt, der damit verbundenen Koſten halber auf die Klaſſe der Bemittelten beſchränkt, fand gleichfalls ver- hältnißmäßig vermehrte Theilnahme. Die Fechtkunſt, welche im Mittelalter in unſerem Frankfurt einen ihrer Hauptſitze hatte, dürfte vielleicht wieder in vermehrte Aufnahme kommen, wenn die für ihre Pflege in der Turnanſtalt getroffenen Einrichtungen einmal tiefere Wur- zel geſchlagen haben werden. Das Scheibenſchiéßen fin- det noch immer bei der beſtehenden Schützengeſellſchaft einige Pflege. Endlich iſt, ſo viel es die Umſtände er- lauben, bei dem hieſigen Linien-Militär mit turneriſchen Waffenübungen ein Anfang gemacht, indem daſſelbe im Fechten mit dem Bajonnet Unterricht erhält. Schlußwort. Man ſieht aus obigem kurz gefaßten geſchichtlichen Abriß, daß Frankfurt in Hinſicht der Leibesübungen gegen andere deutſche Bundesſtaaten nicht unbedingt zu- rückgeblieben iſt. Bringt man jedoch in Betracht, daß die Bevölkerung unſeres kleinen Staates zumeiſt dem Gewerbs-, Handels- und Gelehrtenſtande angehört, daß ſie auf eine mehr ſitzende, den Leib und Geiſt abſtumpfende Lebensart angewieſen iſt, und zudem noch an dem, größeren Städten leider eigenen, Hang zu erkünſtelten und übermäßigen Genüſſen leidet, ſo dürfte das, was bisher geſchehen, doch kaum in Anſchlag gebracht werden können. Zu der Maſſe der Bevölkerung verglichen, bleibt es immer vorerſt nur ein guter Anfang. Erſt wenn die Turnanſtalt zu einer öffentlichen Bildungsanſtalt erhoben und in unmittelbare Verwaltung des Staa- tes genommen wird, erſt wenn geregelte Leibesübungen in den Lehrplan der ſämmtlichen hieſigen Schul- anſtalten aufgenommen ſein werden, wenn endlich ſolchergeſtalt das Turnweſen in der öffentlichen Meinung ſeinen Halt und Hort findet, und die Feſte, die es der Jugend und den heranwachſenden Bürgern bereitet, zu

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Zitationshilfe: Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 2. Solingen, 1844, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_turnkunst02_1844/46>, abgerufen am 28.03.2024.