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Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 2. Solingen, 1844.

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Mädchen geeignet sein. Wenn so das Mädchen vom
6. bis 12. und 14. Jahre geturnt hat, ist hierdurch für
seine körperliche Ausbildung genügender Grund gelegt.
Dann beginnen die Arbeiten in Haus und Hof, in Küche
und Keller, welche nebst Lustwandeln und Baden dem
Weibe die nöthige Bewegung verschaffen. Freilich habe
ich hier eine bürgerliche Erziehung vor Augen, wo das
Mädchen zur kräftigen Hausfrau gebildet, nicht eine
Modeerziehung, wo es zur Balltummlerin und Gesell-
schafterin verzogen wird. Daß es nothwendig sei, die
Mädchenturnstunden von den Knabenstunden ganz zu
trennen und alle Zuschauer zu entfernen, darf ich wohl
kaum erwähnen.

Soll aber das Turnen wahrhafte Leibespflege und
Arznei für den Körper werden, so muß der Turnplatz
draußen in Gottes freier Luft und nicht in der Stadt
angelegt werden. Denn obwohl die Zerlegung der Luft
an verschiedenen Orten dieselben Bestandtheilen in den-
selben Verhältnissen ergeben hat, so dient dies noch nicht
zum Beweise, daß die Luft überall gleich gesund ist. Der
Beruf des Landmannes und Jägers ist wohl der beste
Beleg, daß jene Untersuchungen über den Einfluß der
Luft auf Gesundheit noch kein genügendes Licht gegeben
haben. Die Erfahrung lehrt uns, daß der Aufenthalt in
freier Luft gesunder, als der in der Stadt sei, wenn
wir auch mit den Gründen davon noch nicht ganz im
Klaren sind. Das Athmen und die Bereitung des hell-
rothen Blutes, welches gerade zur Belebung und Er-
nährung aller Theile dient, wird dadurch befördert, und
gleichzeitig wirkt die frische Luft auch belebend auf Ner-
ven. und Haut ein. Man fühlt förmlich das angenehm
Belebende derselben beim tiefen Einathmen. Abgesehen
davon, daß viele Säftekrankheiten, die tausendfältigen
Scrofeln, die englische Krankheit, die Bleichsucht, die
sogenannte plethora venosa abdominalis und dergleichen
durch Aufenthalt in frischer Luft am zweckmäßigsten be-
kämpft werden, gibt es überdies auch fast niemals in

Mädchen geeignet ſein. Wenn ſo das Mädchen vom
6. bis 12. und 14. Jahre geturnt hat, iſt hierdurch für
ſeine körperliche Ausbildung genügender Grund gelegt.
Dann beginnen die Arbeiten in Haus und Hof, in Küche
und Keller, welche nebſt Luſtwandeln und Baden dem
Weibe die nöthige Bewegung verſchaffen. Freilich habe
ich hier eine bürgerliche Erziehung vor Augen, wo das
Mädchen zur kräftigen Hausfrau gebildet, nicht eine
Modeerziehung, wo es zur Balltummlerin und Geſell-
ſchafterin verzogen wird. Daß es nothwendig ſei, die
Mädchenturnſtunden von den Knabenſtunden ganz zu
trennen und alle Zuſchauer zu entfernen, darf ich wohl
kaum erwähnen.

Soll aber das Turnen wahrhafte Leibespflege und
Arznei für den Körper werden, ſo muß der Turnplatz
draußen in Gottes freier Luft und nicht in der Stadt
angelegt werden. Denn obwohl die Zerlegung der Luft
an verſchiedenen Orten dieſelben Beſtandtheilen in den-
ſelben Verhältniſſen ergeben hat, ſo dient dies noch nicht
zum Beweiſe, daß die Luft überall gleich geſund iſt. Der
Beruf des Landmannes und Jägers iſt wohl der beſte
Beleg, daß jene Unterſuchungen über den Einfluß der
Luft auf Geſundheit noch kein genügendes Licht gegeben
haben. Die Erfahrung lehrt uns, daß der Aufenthalt in
freier Luft geſunder, als der in der Stadt ſei, wenn
wir auch mit den Gründen davon noch nicht ganz im
Klaren ſind. Das Athmen und die Bereitung des hell-
rothen Blutes, welches gerade zur Belebung und Er-
nährung aller Theile dient, wird dadurch befördert, und
gleichzeitig wirkt die friſche Luft auch belebend auf Ner-
ven. und Haut ein. Man fühlt förmlich das angenehm
Belebende derſelben beim tiefen Einathmen. Abgeſehen
davon, daß viele Säftekrankheiten, die tauſendfältigen
Scrofeln, die engliſche Krankheit, die Bleichſucht, die
ſogenannte plethora venosa abdominalis und dergleichen
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[15/0019] Mädchen geeignet ſein. Wenn ſo das Mädchen vom 6. bis 12. und 14. Jahre geturnt hat, iſt hierdurch für ſeine körperliche Ausbildung genügender Grund gelegt. Dann beginnen die Arbeiten in Haus und Hof, in Küche und Keller, welche nebſt Luſtwandeln und Baden dem Weibe die nöthige Bewegung verſchaffen. Freilich habe ich hier eine bürgerliche Erziehung vor Augen, wo das Mädchen zur kräftigen Hausfrau gebildet, nicht eine Modeerziehung, wo es zur Balltummlerin und Geſell- ſchafterin verzogen wird. Daß es nothwendig ſei, die Mädchenturnſtunden von den Knabenſtunden ganz zu trennen und alle Zuſchauer zu entfernen, darf ich wohl kaum erwähnen. Soll aber das Turnen wahrhafte Leibespflege und Arznei für den Körper werden, ſo muß der Turnplatz draußen in Gottes freier Luft und nicht in der Stadt angelegt werden. Denn obwohl die Zerlegung der Luft an verſchiedenen Orten dieſelben Beſtandtheilen in den- ſelben Verhältniſſen ergeben hat, ſo dient dies noch nicht zum Beweiſe, daß die Luft überall gleich geſund iſt. Der Beruf des Landmannes und Jägers iſt wohl der beſte Beleg, daß jene Unterſuchungen über den Einfluß der Luft auf Geſundheit noch kein genügendes Licht gegeben haben. Die Erfahrung lehrt uns, daß der Aufenthalt in freier Luft geſunder, als der in der Stadt ſei, wenn wir auch mit den Gründen davon noch nicht ganz im Klaren ſind. Das Athmen und die Bereitung des hell- rothen Blutes, welches gerade zur Belebung und Er- nährung aller Theile dient, wird dadurch befördert, und gleichzeitig wirkt die friſche Luft auch belebend auf Ner- ven. und Haut ein. Man fühlt förmlich das angenehm Belebende derſelben beim tiefen Einathmen. Abgeſehen davon, daß viele Säftekrankheiten, die tauſendfältigen Scrofeln, die engliſche Krankheit, die Bleichſucht, die ſogenannte plethora venosa abdominalis und dergleichen durch Aufenthalt in friſcher Luft am zweckmäßigſten be- kämpft werden, gibt es überdies auch faſt niemals in

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Zitationshilfe: Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 2. Solingen, 1844, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_turnkunst02_1844/19>, abgerufen am 23.04.2024.