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Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 2. Solingen, 1844.

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Worte an dieser Stelle zurückläßt. Dieser Ausdruck
erscheint als mennisco*) und in andern ähnlichen For-
men, im Nhd. als Mensch, von welchem Worte es
jetzt nach Widerlegung der falschen Meinungen, z. B.
Adelungs, sicher ist, daß wir darin das Suffix isc,
griech. iskos, lat. iscus besitzen, wie wir es auf ähn-
liche Weise verkappt in Wunsch, deutsch, hübsch und
rasch haben.

Diese Ableitung Mensch von Mann kann eben
deshalb, weil sie der Sprache, wie eben gezeigt, so un-
umgänglich nöthig war, nicht jenen tadelnden Nebenbe-
griff haben, wie die analogen Wörter weibisch und kin-
disch, obwohl andrerseits die Neigung dieser Endung zum
Ausdrucke des Tadels sich gleichfalls, im Gebrauche des
Wortes Mensch als Neutrum (welches Genus doch stets
das eigentlich Menschliche ausschließt), doch nur seit den
Zeiten des Neuhochdeutschen **), offenbart.

Also die Begriffe Welt und Mensch erklärt unsere
Sprache so zu sagen für solche, die aus dem Begriffe
Mann entstehen; die klassischen Sprachen thun das da-
gegen nicht, sondern haben für diese Begriffe in ihrem
kosmos, mundus, homo und anthropos***) ganz selbst-
ständige Ausdrücke. Dagegen einen andern Begriff, und
zwar den der Tugend, leiten jene Sprachen in ihrem
virlus und andria dorthin ab, indem sie ihrer mehr
sinnlich natürlichen Anschauung zufolge, zumal in den
ältern Zeiten, die Haupttugend in der Männlichkeit er-
blickten. Wir dagegen haben ein viel weiteres und sicher

*) Aehnlich leitet das Skr. ein Wort für Mensch von
Mann ab, nämlich manudscha = vom Manne erzeugt.
**) Mhd. daz kristen mensche u. A. hat noch keinen
Anstoß.
***) anthropos ist sicher zusammengesetzt aus anthos
mit dem häufigen Suffixe ro und ops und heißt also der mit
dem blühenden Gesichte, was noch mehr fast als das hebr.
adam (= edom. der rothe) eine auszeichnende Eigenschaft
des Menschen trifft.

Worte an dieſer Stelle zurückläßt. Dieſer Ausdruck
erſcheint als mennisco*) und in andern ähnlichen For-
men, im Nhd. als Menſch, von welchem Worte es
jetzt nach Widerlegung der falſchen Meinungen, z. B.
Adelungs, ſicher iſt, daß wir darin das Suffix isc,
griech. ἰσκός, lat. iscus beſitzen, wie wir es auf ähn-
liche Weiſe verkappt in Wunſch, deutſch, hübſch und
raſch haben.

Dieſe Ableitung Menſch von Mann kann eben
deshalb, weil ſie der Sprache, wie eben gezeigt, ſo un-
umgänglich nöthig war, nicht jenen tadelnden Nebenbe-
griff haben, wie die analogen Wörter weibiſch und kin-
diſch, obwohl andrerſeits die Neigung dieſer Endung zum
Ausdrucke des Tadels ſich gleichfalls, im Gebrauche des
Wortes Menſch als Neutrum (welches Genus doch ſtets
das eigentlich Menſchliche ausſchließt), doch nur ſeit den
Zeiten des Neuhochdeutſchen **), offenbart.

Alſo die Begriffe Welt und Menſch erklärt unſere
Sprache ſo zu ſagen für ſolche, die aus dem Begriffe
Mann entſtehen; die klaſſiſchen Sprachen thun das da-
gegen nicht, ſondern haben für dieſe Begriffe in ihrem
κοσμός, mundus, homo und ἄνϑρωπος***) ganz ſelbſt-
ſtändige Ausdrücke. Dagegen einen andern Begriff, und
zwar den der Tugend, leiten jene Sprachen in ihrem
virlus und ἀνδρία dorthin ab, indem ſie ihrer mehr
ſinnlich natürlichen Anſchauung zufolge, zumal in den
ältern Zeiten, die Haupttugend in der Männlichkeit er-
blickten. Wir dagegen haben ein viel weiteres und ſicher

*) Aehnlich leitet das Skr. ein Wort fuͤr Menſch von
Mann ab, naͤmlich manudscha = vom Manne erzeugt.
**) Mhd. daz kristen mensche u. A. hat noch keinen
Anſtoß.
***) ἄνϑρωπος iſt ſicher zuſammengeſetzt aus ἄνϑος
mit dem haͤufigen Suffixe ρο und ὤψ und heißt alſo der mit
dem bluͤhenden Geſichte, was noch mehr faſt als das hebr.
adam (= edom. der rothe) eine auszeichnende Eigenſchaft
des Menſchen trifft.
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[149/0153] Worte an dieſer Stelle zurückläßt. Dieſer Ausdruck erſcheint als mennisco *) und in andern ähnlichen For- men, im Nhd. als Menſch, von welchem Worte es jetzt nach Widerlegung der falſchen Meinungen, z. B. Adelungs, ſicher iſt, daß wir darin das Suffix isc, griech. ἰσκός, lat. iscus beſitzen, wie wir es auf ähn- liche Weiſe verkappt in Wunſch, deutſch, hübſch und raſch haben. Dieſe Ableitung Menſch von Mann kann eben deshalb, weil ſie der Sprache, wie eben gezeigt, ſo un- umgänglich nöthig war, nicht jenen tadelnden Nebenbe- griff haben, wie die analogen Wörter weibiſch und kin- diſch, obwohl andrerſeits die Neigung dieſer Endung zum Ausdrucke des Tadels ſich gleichfalls, im Gebrauche des Wortes Menſch als Neutrum (welches Genus doch ſtets das eigentlich Menſchliche ausſchließt), doch nur ſeit den Zeiten des Neuhochdeutſchen **), offenbart. Alſo die Begriffe Welt und Menſch erklärt unſere Sprache ſo zu ſagen für ſolche, die aus dem Begriffe Mann entſtehen; die klaſſiſchen Sprachen thun das da- gegen nicht, ſondern haben für dieſe Begriffe in ihrem κοσμός, mundus, homo und ἄνϑρωπος ***) ganz ſelbſt- ſtändige Ausdrücke. Dagegen einen andern Begriff, und zwar den der Tugend, leiten jene Sprachen in ihrem virlus und ἀνδρία dorthin ab, indem ſie ihrer mehr ſinnlich natürlichen Anſchauung zufolge, zumal in den ältern Zeiten, die Haupttugend in der Männlichkeit er- blickten. Wir dagegen haben ein viel weiteres und ſicher *) Aehnlich leitet das Skr. ein Wort fuͤr Menſch von Mann ab, naͤmlich manudscha = vom Manne erzeugt. **) Mhd. daz kristen mensche u. A. hat noch keinen Anſtoß. ***) ἄνϑρωπος iſt ſicher zuſammengeſetzt aus ἄνϑος mit dem haͤufigen Suffixe ρο und ὤψ und heißt alſo der mit dem bluͤhenden Geſichte, was noch mehr faſt als das hebr. adam (= edom. der rothe) eine auszeichnende Eigenſchaft des Menſchen trifft.

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Zitationshilfe: Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 2. Solingen, 1844, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_turnkunst02_1844/153>, abgerufen am 27.04.2024.