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Sonntags-Blatt. Nr. 22. Berlin, 31. Mai 1868.

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[Beginn Spaltensatz]

An solchen Beispielen ersieht man, ob ein Dichter wirkliche Natur-
anschauung besessen, oder seine Poesie bloß am Schreibtisch ausgeheckt
hat; es muß sich die Probe darauf machen lassen.

Auf einem völlig gebahnten Wege, den die Eisenbahn=Direktion mit
großer Sorgfalt noch stetig bessern läßt, gelangt man zur Roßtrappe und
hat nun einen Ueberblick über das ganze großartige Phänomen, in dem sich
seit Jahrtausenden Bestehendes mit frisch lebendig wirkender Naturkraft,
Starres und sprudelnd Flüssiges, Gestein, Wald und Strom zu einem
erhabenen Bilde und rauschendem Konzert vereinen.

( Schluß folgt. )



Zur Geschichte des Ringes.
Kulturhistorische Skizze.

Nicht viel, aber doch manches "Naturmenschliche" hat sich für unsere
Gegenwart erhalten, die sonst in raschem Galopp immer weiter
und weiter das Ursprüngliche hinter sich läßt. Aus der para-
diesischen Periode ist uns noch die Liebe geblieben, als un-
vergängliches Erbtheil der ersten Braut= und Eheleute Adam und
Eva; aber auch der Haß, dessen erster Repräsentant bekanntlich
der böse Kain war, der den guten Abel zum "ersten Todten der
Welt" machte, ist uns geblieben und wird -- man mag sich nur ein
wenig in der Welt umschauen -- als gutes Kapital in unserer Zeit
kultivirt, um auch von diesem Leidenschaftskapital die ergiebigsten
Zinsen zu ziehen. Lassen wir aber diese geistigen Ueberkommnisse,
die uns zu weit in das bittere Meer des Ernsten führen dürften, bei
Seite, und wenden wir uns zu etwas Materiellem, und noch dazu recht
Glänzendem -- einem Thema, das wir in dem Buche eines gemüthlichen
Holländers behandelt finden, und hier mit einigen Varianten wiedergeben.
Als Verehrer Lessings wollen wir ihm nachahmen und nur eine Ge-
schichte, nicht nur von einem Ringe, sondern von der ganzen Fa-
milie dieses, die Ewigkeit ohn' Anfang und Ende repräsentirenden
Schmuckes erzählen.

Das Wohlgefallen, das die kindlichen Naturmenschen schon beim
Anblick des "Blanken", des Glänzenden empfanden, ist bekanntlich
auch uns bis auf den heutigen Tag geblieben. Mit wie sehnsüchtigen
Blicken schauen wir noch heutzutage auf Gold und Silber, die beiden
Magnete für die Menschheit, denen nur etwa Brillanten und --
Kassen=Anweisungen Konkurrenz machen. Aus diesen, eben durch
ihren Glanz die anderen überragenden Metalle -- das Kupfer nicht
zu vergessen -- wurden im Alterthum die ersten Schmuckgegenstände,
Ringe, Spangen, Broches, Nadeln, Haken u. s. w., verfertigt, und
als allgemein begehrte Putzsachen bald ein Ersatz= und Ausgleichungs-
mittel beim Tauschhandel. Hatte Jemand z. B. ein Schaf, eine
Lanze, ein Beil, ein Wamms nöthig und dagegen keine Butter, kein
Messer, kein Kalb oder dergleichen zu offeriren, oder war der Tausch
nicht anders auszugleichen, so war nichts leichter, als eines der gol-
denen, silbernen oder kupfernen Geräthe zum Tauschkauf anzubieten.
Das war wohl der Uranfang des Handels, und in dieser naiv-
kindlichen Form hat er sich sogar noch in dem zivilisirten negozirenden
Berlin und auch in anderen großen Städten bis auf den heutigen
Tag erhalten, nämlich bei den -- Jungen, die bekanntlich in ersterer
Stadt in der Frühlingszeit auf diese Weise einen lebhaften Handel
treiben mit -- Maikäfern gegen Stecknadeln.

Jn alter Zeit legte man daher sein Vermögen größtentheils in
goldenen und silbernen Schmucksachen an; man darf aber aus den
bedeutenden, hier und dort gefundenen Schätzen der Art keine vor-
eiligen Schlüsse auf den Reichthum ihrer ehemaligen Besitzer ziehen;
es war eben nur das, was jetzt die Staatspapiere und Aktien
sind. Am längsten hat sich diese Art von Kapital=Anlage bei
den Friesen erhalten, wo noch zu Anfang dieses Jahrhunderts die
Mägde alle ihre Ersparnisse auf Leinensachen verwandten, die sie zeit-
lebens nicht verbrauchten, dann auf eine silber= oder goldgestickte
Bügeltasche -- die jetzt wieder bei den Damen als " Margarethen-
tasche " auftaucht -- die nur bei feierlichen Gelegenheiten umgehängt
wurde, auf Blutkorallen mit einem goldenen Krönlein, auf gewichtige
silberne Schnallen, schwere goldene Ringe und andere derartige
Kleinodien, die aber nie getragen wurden, und auf große Schau-
münzen, Potstücke genannt, weil sie stets wohlverwahrt im zinnernen
oder blechernen Spartopf lagen. Dieser also angelegte Reservefond
ward von den Besitzerinnen nur dann angegriffen, wenn eine Krank-
heit außergewöhnliche Pflegekosten verursachte, oder hohe Jahre und
Schwächlichkeit das Arbeiten nicht mehr erlaubten, und vor Allem,
um nach dem Tode ein anständiges Begräbniß, einen schönen Sarg
und Leichentücher zu haben.

Aehnliches kommt bei den Holländerinnen vor, deren Sinnen und
Trachten von Jugend auf nach der originell nach hinten den Kopf
umschließenden breiten Goldspange geht, die auf beiden Schläfen-
seiten in eine Scheuklappe ausläuft. Ein ächtes Münchener Bürger-
[Spaltenumbruch] mädchen, bis zu den Dienstmädchen hinab, legt ihr erstes erworbenes
Kapital in einem seltsam geformten, goldgestickten, mit Perlen ver-
zierten "Ringelhäubchen" und in dem silbernen oder goldenen " Ge-
schnür " an; dies sind Ketten mit Spangen und Haken, mittels welcher
das schwarzseidene Mieder über dem Busen geschnürt wird. Für solche
Sachen werden ein Hundert oder auch wohl ein paar Hundert Gulden
verausgabt, die zinslos mit Stolz zur Schau getragen, oft selbst
im Tode nicht abgelegt werden. Das alte Mütterchen verordnet,
wenn der Tod an die Thür klopft, daß man sie mit ihrem lieben
Ringelhäubchen und saubern Geschnür begraben solle Dasselbe gilt
auch von den schönen Passauerinnen und Linzerinnen, deren helm-
artige Goldhauben in Norddeutschland wohl nur von der Bühne be-
kannt sind. Den Wiener "Madeln", und auch wohl denen in
München, Passau und Linz, hat leider in neuerer Zeit die Kultur
diesen hübschen nationalen Schmuck größtentheils genommen.

Unter den Zierrathen, welche sich als Schmuck am meisten
empfahlen, spielt von jeher der Ring eine Hauptrolle. Als Schmuck
war er am leichtesten anzufertigen und am leichtesten anzubringen;
man trug Ringe um die Haarflechten, um die Stirn, um den Hals,
um die Arme, Kniee, die Knöchel, um die Waden und Finger --
man scheute sogar den Schmerz der Verwundung nicht und fügte
auch Ringe in Ohren, Nase und Lippen ein; endlich trug man
auch ein Metall=Bandelier für das Schwert um den Leib. Alle
diese Ringe, bald groß, bald klein, bald dick, bald dünn, sowohl von
massivem Gold, auch dies mit Silber verbunden, dann von Kupfer
oder Bronze, stellten in ihren verschiedenen Gewicht= und Werthgraden
vom goldfunkelnden Ring=Diadem bis zum rothschillernden Kupfer-
ring, als Münzen betrachtet, ein ziemlich vollständiges Münz-
system
dar, zumal die spiralen Ringe dadurch einen großen Vortheil
für den Verkehr gewährten, da man kleine Partikel von ihnen ab-
trennen konnte, ohne daß dadurch der ganze Schmuck im Wesentlichen
unbrauchbar wurde. So gestaltete sich bei fast allen Völkern der
Ring, und zwar für beide Geschlechter, zum ältesten Schmuck und
zur ältesten Münze.

Dies bestätigt Julius Cäsar, der uns erzählt, daß die Britannier
außer Goldstücken auch eiserne Ringe, die man einander nach dem
Gewicht zurechnete, als Münze gebrauchten. Auf den von den
Engländern mit unersättlicher gelehrter Raubsucht von der Heimath-
stätte entführten Stücken von Grabdenkmälern in Theben sieht man
in Stein gemeißelte Kaufleute, die sich Ringe als Geld einander
zuwiegen. Und noch jetzt gelten Ringe oft als Geld, sei es, daß
für manchen Bräutigam der von der Braut erhaltene Verlobungsring
oder Ehering eine gewichtige Aussteuer werth ist, oder umgekehrt,
daß manches Mädchen, die sich entschließt, einen dummen Mann zu
heirathen, dabei wohl erwägt, daß diese Dummheit einen großen
Werth durch den an den Ring geknüpften Reichthum des "geliebten
Gatten" erhält. Einen reelleren Ring=Tauschhandel treiben die
Engländer an der afrikanischen Küste, wo sie für Elfenbein und
Palmenholz den schmucklüsternen Schwarzen Finger= und Armringe
geben, die zu Birmingham wohlfeil aus Eisen und Kupfer fabrizirt
werden. Wer chinesische Münzen, inmitten mit einem Loch, so daß
sie also eigentlich flache Ringe sind, gesehen hat, wird die Ansicht
theilen, daß auch diese zu den Ringmünzen gehören, die die " Be-
wohner der Mitte" durch die mittleren Löcher an einander reihen, wie in
einigen Städten die runden gebackenen Ringbretzeln zum Verkauf
ausgeboten werden, freilich nicht gegen Ringe, sondern gegen baare
Münze ohne Löcher.

Münzen sind bei uns civilisirten Leuten ein Vorzug, den man
wohlverwahrt in Kasten und Beuteln aufbewahrt. Es giebt aber
auch noch europäische Länder, wo man sie öffentlich als Zierrathen
braucht. Jn Baiern z. B. halten die Bauern etwas darauf, an der
Weste und auch öfter am Rock blanke Zwanzigkreuzerstücke, recht
reiche Bauern auch Guldenstücke statt der Knöpfe zu tragen. Jn
Holland tragen die Bauern häufig Fünfstüberstücke in den Ohren
und an den silbernen Uhrketten, und in Griechenland und der Türkei
flechten sich die Mädchen Ketten, aus kleinen Goldstücken bestehend,
ins Haar. Jn neuerer Zeit haben unsere Damen auch Gefallen
gefunden an Bracelets, die aus türkischen Dukaten an einander
gereiht sind.

( Schluß folgt. )



Römische Landhäuser.

Ein unumgängliches Bedürfniß für den vornehmen Römer, na-
mentlich der Kaiserzeit, war der Besitz eines Landguts, auf
welchem er seine Villegiatur halten konnte; es war ein Ver-
langen des Herzens, welches sich ein irgend vermögender Mann
nicht gern versagte, es war die stille Sehnsucht unbemittelter Ritter
vom Geist, die, wenn sie einem hochmögenden Mäcen eine Scholle
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz]

An solchen Beispielen ersieht man, ob ein Dichter wirkliche Natur-
anschauung besessen, oder seine Poesie bloß am Schreibtisch ausgeheckt
hat; es muß sich die Probe darauf machen lassen.

Auf einem völlig gebahnten Wege, den die Eisenbahn=Direktion mit
großer Sorgfalt noch stetig bessern läßt, gelangt man zur Roßtrappe und
hat nun einen Ueberblick über das ganze großartige Phänomen, in dem sich
seit Jahrtausenden Bestehendes mit frisch lebendig wirkender Naturkraft,
Starres und sprudelnd Flüssiges, Gestein, Wald und Strom zu einem
erhabenen Bilde und rauschendem Konzert vereinen.

( Schluß folgt. )



Zur Geschichte des Ringes.
Kulturhistorische Skizze.

Nicht viel, aber doch manches „Naturmenschliche“ hat sich für unsere
Gegenwart erhalten, die sonst in raschem Galopp immer weiter
und weiter das Ursprüngliche hinter sich läßt. Aus der para-
diesischen Periode ist uns noch die Liebe geblieben, als un-
vergängliches Erbtheil der ersten Braut= und Eheleute Adam und
Eva; aber auch der Haß, dessen erster Repräsentant bekanntlich
der böse Kain war, der den guten Abel zum „ersten Todten der
Welt“ machte, ist uns geblieben und wird — man mag sich nur ein
wenig in der Welt umschauen — als gutes Kapital in unserer Zeit
kultivirt, um auch von diesem Leidenschaftskapital die ergiebigsten
Zinsen zu ziehen. Lassen wir aber diese geistigen Ueberkommnisse,
die uns zu weit in das bittere Meer des Ernsten führen dürften, bei
Seite, und wenden wir uns zu etwas Materiellem, und noch dazu recht
Glänzendem — einem Thema, das wir in dem Buche eines gemüthlichen
Holländers behandelt finden, und hier mit einigen Varianten wiedergeben.
Als Verehrer Lessings wollen wir ihm nachahmen und nur eine Ge-
schichte, nicht nur von einem Ringe, sondern von der ganzen Fa-
milie dieses, die Ewigkeit ohn' Anfang und Ende repräsentirenden
Schmuckes erzählen.

Das Wohlgefallen, das die kindlichen Naturmenschen schon beim
Anblick des „Blanken“, des Glänzenden empfanden, ist bekanntlich
auch uns bis auf den heutigen Tag geblieben. Mit wie sehnsüchtigen
Blicken schauen wir noch heutzutage auf Gold und Silber, die beiden
Magnete für die Menschheit, denen nur etwa Brillanten und —
Kassen=Anweisungen Konkurrenz machen. Aus diesen, eben durch
ihren Glanz die anderen überragenden Metalle — das Kupfer nicht
zu vergessen — wurden im Alterthum die ersten Schmuckgegenstände,
Ringe, Spangen, Broches, Nadeln, Haken u. s. w., verfertigt, und
als allgemein begehrte Putzsachen bald ein Ersatz= und Ausgleichungs-
mittel beim Tauschhandel. Hatte Jemand z. B. ein Schaf, eine
Lanze, ein Beil, ein Wamms nöthig und dagegen keine Butter, kein
Messer, kein Kalb oder dergleichen zu offeriren, oder war der Tausch
nicht anders auszugleichen, so war nichts leichter, als eines der gol-
denen, silbernen oder kupfernen Geräthe zum Tauschkauf anzubieten.
Das war wohl der Uranfang des Handels, und in dieser naiv-
kindlichen Form hat er sich sogar noch in dem zivilisirten negozirenden
Berlin und auch in anderen großen Städten bis auf den heutigen
Tag erhalten, nämlich bei den — Jungen, die bekanntlich in ersterer
Stadt in der Frühlingszeit auf diese Weise einen lebhaften Handel
treiben mit — Maikäfern gegen Stecknadeln.

Jn alter Zeit legte man daher sein Vermögen größtentheils in
goldenen und silbernen Schmucksachen an; man darf aber aus den
bedeutenden, hier und dort gefundenen Schätzen der Art keine vor-
eiligen Schlüsse auf den Reichthum ihrer ehemaligen Besitzer ziehen;
es war eben nur das, was jetzt die Staatspapiere und Aktien
sind. Am längsten hat sich diese Art von Kapital=Anlage bei
den Friesen erhalten, wo noch zu Anfang dieses Jahrhunderts die
Mägde alle ihre Ersparnisse auf Leinensachen verwandten, die sie zeit-
lebens nicht verbrauchten, dann auf eine silber= oder goldgestickte
Bügeltasche — die jetzt wieder bei den Damen als „ Margarethen-
tasche “ auftaucht — die nur bei feierlichen Gelegenheiten umgehängt
wurde, auf Blutkorallen mit einem goldenen Krönlein, auf gewichtige
silberne Schnallen, schwere goldene Ringe und andere derartige
Kleinodien, die aber nie getragen wurden, und auf große Schau-
münzen, Potstücke genannt, weil sie stets wohlverwahrt im zinnernen
oder blechernen Spartopf lagen. Dieser also angelegte Reservefond
ward von den Besitzerinnen nur dann angegriffen, wenn eine Krank-
heit außergewöhnliche Pflegekosten verursachte, oder hohe Jahre und
Schwächlichkeit das Arbeiten nicht mehr erlaubten, und vor Allem,
um nach dem Tode ein anständiges Begräbniß, einen schönen Sarg
und Leichentücher zu haben.

Aehnliches kommt bei den Holländerinnen vor, deren Sinnen und
Trachten von Jugend auf nach der originell nach hinten den Kopf
umschließenden breiten Goldspange geht, die auf beiden Schläfen-
seiten in eine Scheuklappe ausläuft. Ein ächtes Münchener Bürger-
[Spaltenumbruch] mädchen, bis zu den Dienstmädchen hinab, legt ihr erstes erworbenes
Kapital in einem seltsam geformten, goldgestickten, mit Perlen ver-
zierten „Ringelhäubchen“ und in dem silbernen oder goldenen „ Ge-
schnür “ an; dies sind Ketten mit Spangen und Haken, mittels welcher
das schwarzseidene Mieder über dem Busen geschnürt wird. Für solche
Sachen werden ein Hundert oder auch wohl ein paar Hundert Gulden
verausgabt, die zinslos mit Stolz zur Schau getragen, oft selbst
im Tode nicht abgelegt werden. Das alte Mütterchen verordnet,
wenn der Tod an die Thür klopft, daß man sie mit ihrem lieben
Ringelhäubchen und saubern Geschnür begraben solle Dasselbe gilt
auch von den schönen Passauerinnen und Linzerinnen, deren helm-
artige Goldhauben in Norddeutschland wohl nur von der Bühne be-
kannt sind. Den Wiener „Madeln“, und auch wohl denen in
München, Passau und Linz, hat leider in neuerer Zeit die Kultur
diesen hübschen nationalen Schmuck größtentheils genommen.

Unter den Zierrathen, welche sich als Schmuck am meisten
empfahlen, spielt von jeher der Ring eine Hauptrolle. Als Schmuck
war er am leichtesten anzufertigen und am leichtesten anzubringen;
man trug Ringe um die Haarflechten, um die Stirn, um den Hals,
um die Arme, Kniee, die Knöchel, um die Waden und Finger —
man scheute sogar den Schmerz der Verwundung nicht und fügte
auch Ringe in Ohren, Nase und Lippen ein; endlich trug man
auch ein Metall=Bandelier für das Schwert um den Leib. Alle
diese Ringe, bald groß, bald klein, bald dick, bald dünn, sowohl von
massivem Gold, auch dies mit Silber verbunden, dann von Kupfer
oder Bronze, stellten in ihren verschiedenen Gewicht= und Werthgraden
vom goldfunkelnden Ring=Diadem bis zum rothschillernden Kupfer-
ring, als Münzen betrachtet, ein ziemlich vollständiges Münz-
system
dar, zumal die spiralen Ringe dadurch einen großen Vortheil
für den Verkehr gewährten, da man kleine Partikel von ihnen ab-
trennen konnte, ohne daß dadurch der ganze Schmuck im Wesentlichen
unbrauchbar wurde. So gestaltete sich bei fast allen Völkern der
Ring, und zwar für beide Geschlechter, zum ältesten Schmuck und
zur ältesten Münze.

Dies bestätigt Julius Cäsar, der uns erzählt, daß die Britannier
außer Goldstücken auch eiserne Ringe, die man einander nach dem
Gewicht zurechnete, als Münze gebrauchten. Auf den von den
Engländern mit unersättlicher gelehrter Raubsucht von der Heimath-
stätte entführten Stücken von Grabdenkmälern in Theben sieht man
in Stein gemeißelte Kaufleute, die sich Ringe als Geld einander
zuwiegen. Und noch jetzt gelten Ringe oft als Geld, sei es, daß
für manchen Bräutigam der von der Braut erhaltene Verlobungsring
oder Ehering eine gewichtige Aussteuer werth ist, oder umgekehrt,
daß manches Mädchen, die sich entschließt, einen dummen Mann zu
heirathen, dabei wohl erwägt, daß diese Dummheit einen großen
Werth durch den an den Ring geknüpften Reichthum des „geliebten
Gatten“ erhält. Einen reelleren Ring=Tauschhandel treiben die
Engländer an der afrikanischen Küste, wo sie für Elfenbein und
Palmenholz den schmucklüsternen Schwarzen Finger= und Armringe
geben, die zu Birmingham wohlfeil aus Eisen und Kupfer fabrizirt
werden. Wer chinesische Münzen, inmitten mit einem Loch, so daß
sie also eigentlich flache Ringe sind, gesehen hat, wird die Ansicht
theilen, daß auch diese zu den Ringmünzen gehören, die die „ Be-
wohner der Mitte“ durch die mittleren Löcher an einander reihen, wie in
einigen Städten die runden gebackenen Ringbretzeln zum Verkauf
ausgeboten werden, freilich nicht gegen Ringe, sondern gegen baare
Münze ohne Löcher.

Münzen sind bei uns civilisirten Leuten ein Vorzug, den man
wohlverwahrt in Kasten und Beuteln aufbewahrt. Es giebt aber
auch noch europäische Länder, wo man sie öffentlich als Zierrathen
braucht. Jn Baiern z. B. halten die Bauern etwas darauf, an der
Weste und auch öfter am Rock blanke Zwanzigkreuzerstücke, recht
reiche Bauern auch Guldenstücke statt der Knöpfe zu tragen. Jn
Holland tragen die Bauern häufig Fünfstüberstücke in den Ohren
und an den silbernen Uhrketten, und in Griechenland und der Türkei
flechten sich die Mädchen Ketten, aus kleinen Goldstücken bestehend,
ins Haar. Jn neuerer Zeit haben unsere Damen auch Gefallen
gefunden an Bracelets, die aus türkischen Dukaten an einander
gereiht sind.

( Schluß folgt. )



Römische Landhäuser.

Ein unumgängliches Bedürfniß für den vornehmen Römer, na-
mentlich der Kaiserzeit, war der Besitz eines Landguts, auf
welchem er seine Villegiatur halten konnte; es war ein Ver-
langen des Herzens, welches sich ein irgend vermögender Mann
nicht gern versagte, es war die stille Sehnsucht unbemittelter Ritter
vom Geist, die, wenn sie einem hochmögenden Mäcén eine Scholle
[Ende Spaltensatz]

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[174/0006] 174 An solchen Beispielen ersieht man, ob ein Dichter wirkliche Natur- anschauung besessen, oder seine Poesie bloß am Schreibtisch ausgeheckt hat; es muß sich die Probe darauf machen lassen. Auf einem völlig gebahnten Wege, den die Eisenbahn=Direktion mit großer Sorgfalt noch stetig bessern läßt, gelangt man zur Roßtrappe und hat nun einen Ueberblick über das ganze großartige Phänomen, in dem sich seit Jahrtausenden Bestehendes mit frisch lebendig wirkender Naturkraft, Starres und sprudelnd Flüssiges, Gestein, Wald und Strom zu einem erhabenen Bilde und rauschendem Konzert vereinen. ( Schluß folgt. ) Zur Geschichte des Ringes. Kulturhistorische Skizze. Nicht viel, aber doch manches „Naturmenschliche“ hat sich für unsere Gegenwart erhalten, die sonst in raschem Galopp immer weiter und weiter das Ursprüngliche hinter sich läßt. Aus der para- diesischen Periode ist uns noch die Liebe geblieben, als un- vergängliches Erbtheil der ersten Braut= und Eheleute Adam und Eva; aber auch der Haß, dessen erster Repräsentant bekanntlich der böse Kain war, der den guten Abel zum „ersten Todten der Welt“ machte, ist uns geblieben und wird — man mag sich nur ein wenig in der Welt umschauen — als gutes Kapital in unserer Zeit kultivirt, um auch von diesem Leidenschaftskapital die ergiebigsten Zinsen zu ziehen. Lassen wir aber diese geistigen Ueberkommnisse, die uns zu weit in das bittere Meer des Ernsten führen dürften, bei Seite, und wenden wir uns zu etwas Materiellem, und noch dazu recht Glänzendem — einem Thema, das wir in dem Buche eines gemüthlichen Holländers behandelt finden, und hier mit einigen Varianten wiedergeben. Als Verehrer Lessings wollen wir ihm nachahmen und nur eine Ge- schichte, nicht nur von einem Ringe, sondern von der ganzen Fa- milie dieses, die Ewigkeit ohn' Anfang und Ende repräsentirenden Schmuckes erzählen. Das Wohlgefallen, das die kindlichen Naturmenschen schon beim Anblick des „Blanken“, des Glänzenden empfanden, ist bekanntlich auch uns bis auf den heutigen Tag geblieben. Mit wie sehnsüchtigen Blicken schauen wir noch heutzutage auf Gold und Silber, die beiden Magnete für die Menschheit, denen nur etwa Brillanten und — Kassen=Anweisungen Konkurrenz machen. Aus diesen, eben durch ihren Glanz die anderen überragenden Metalle — das Kupfer nicht zu vergessen — wurden im Alterthum die ersten Schmuckgegenstände, Ringe, Spangen, Broches, Nadeln, Haken u. s. w., verfertigt, und als allgemein begehrte Putzsachen bald ein Ersatz= und Ausgleichungs- mittel beim Tauschhandel. Hatte Jemand z. B. ein Schaf, eine Lanze, ein Beil, ein Wamms nöthig und dagegen keine Butter, kein Messer, kein Kalb oder dergleichen zu offeriren, oder war der Tausch nicht anders auszugleichen, so war nichts leichter, als eines der gol- denen, silbernen oder kupfernen Geräthe zum Tauschkauf anzubieten. Das war wohl der Uranfang des Handels, und in dieser naiv- kindlichen Form hat er sich sogar noch in dem zivilisirten negozirenden Berlin und auch in anderen großen Städten bis auf den heutigen Tag erhalten, nämlich bei den — Jungen, die bekanntlich in ersterer Stadt in der Frühlingszeit auf diese Weise einen lebhaften Handel treiben mit — Maikäfern gegen Stecknadeln. Jn alter Zeit legte man daher sein Vermögen größtentheils in goldenen und silbernen Schmucksachen an; man darf aber aus den bedeutenden, hier und dort gefundenen Schätzen der Art keine vor- eiligen Schlüsse auf den Reichthum ihrer ehemaligen Besitzer ziehen; es war eben nur das, was jetzt die Staatspapiere und Aktien sind. Am längsten hat sich diese Art von Kapital=Anlage bei den Friesen erhalten, wo noch zu Anfang dieses Jahrhunderts die Mägde alle ihre Ersparnisse auf Leinensachen verwandten, die sie zeit- lebens nicht verbrauchten, dann auf eine silber= oder goldgestickte Bügeltasche — die jetzt wieder bei den Damen als „ Margarethen- tasche “ auftaucht — die nur bei feierlichen Gelegenheiten umgehängt wurde, auf Blutkorallen mit einem goldenen Krönlein, auf gewichtige silberne Schnallen, schwere goldene Ringe und andere derartige Kleinodien, die aber nie getragen wurden, und auf große Schau- münzen, Potstücke genannt, weil sie stets wohlverwahrt im zinnernen oder blechernen Spartopf lagen. Dieser also angelegte Reservefond ward von den Besitzerinnen nur dann angegriffen, wenn eine Krank- heit außergewöhnliche Pflegekosten verursachte, oder hohe Jahre und Schwächlichkeit das Arbeiten nicht mehr erlaubten, und vor Allem, um nach dem Tode ein anständiges Begräbniß, einen schönen Sarg und Leichentücher zu haben. Aehnliches kommt bei den Holländerinnen vor, deren Sinnen und Trachten von Jugend auf nach der originell nach hinten den Kopf umschließenden breiten Goldspange geht, die auf beiden Schläfen- seiten in eine Scheuklappe ausläuft. Ein ächtes Münchener Bürger- mädchen, bis zu den Dienstmädchen hinab, legt ihr erstes erworbenes Kapital in einem seltsam geformten, goldgestickten, mit Perlen ver- zierten „Ringelhäubchen“ und in dem silbernen oder goldenen „ Ge- schnür “ an; dies sind Ketten mit Spangen und Haken, mittels welcher das schwarzseidene Mieder über dem Busen geschnürt wird. Für solche Sachen werden ein Hundert oder auch wohl ein paar Hundert Gulden verausgabt, die zinslos mit Stolz zur Schau getragen, oft selbst im Tode nicht abgelegt werden. Das alte Mütterchen verordnet, wenn der Tod an die Thür klopft, daß man sie mit ihrem lieben Ringelhäubchen und saubern Geschnür begraben solle Dasselbe gilt auch von den schönen Passauerinnen und Linzerinnen, deren helm- artige Goldhauben in Norddeutschland wohl nur von der Bühne be- kannt sind. Den Wiener „Madeln“, und auch wohl denen in München, Passau und Linz, hat leider in neuerer Zeit die Kultur diesen hübschen nationalen Schmuck größtentheils genommen. Unter den Zierrathen, welche sich als Schmuck am meisten empfahlen, spielt von jeher der Ring eine Hauptrolle. Als Schmuck war er am leichtesten anzufertigen und am leichtesten anzubringen; man trug Ringe um die Haarflechten, um die Stirn, um den Hals, um die Arme, Kniee, die Knöchel, um die Waden und Finger — man scheute sogar den Schmerz der Verwundung nicht und fügte auch Ringe in Ohren, Nase und Lippen ein; endlich trug man auch ein Metall=Bandelier für das Schwert um den Leib. Alle diese Ringe, bald groß, bald klein, bald dick, bald dünn, sowohl von massivem Gold, auch dies mit Silber verbunden, dann von Kupfer oder Bronze, stellten in ihren verschiedenen Gewicht= und Werthgraden vom goldfunkelnden Ring=Diadem bis zum rothschillernden Kupfer- ring, als Münzen betrachtet, ein ziemlich vollständiges Münz- system dar, zumal die spiralen Ringe dadurch einen großen Vortheil für den Verkehr gewährten, da man kleine Partikel von ihnen ab- trennen konnte, ohne daß dadurch der ganze Schmuck im Wesentlichen unbrauchbar wurde. So gestaltete sich bei fast allen Völkern der Ring, und zwar für beide Geschlechter, zum ältesten Schmuck und zur ältesten Münze. Dies bestätigt Julius Cäsar, der uns erzählt, daß die Britannier außer Goldstücken auch eiserne Ringe, die man einander nach dem Gewicht zurechnete, als Münze gebrauchten. Auf den von den Engländern mit unersättlicher gelehrter Raubsucht von der Heimath- stätte entführten Stücken von Grabdenkmälern in Theben sieht man in Stein gemeißelte Kaufleute, die sich Ringe als Geld einander zuwiegen. Und noch jetzt gelten Ringe oft als Geld, sei es, daß für manchen Bräutigam der von der Braut erhaltene Verlobungsring oder Ehering eine gewichtige Aussteuer werth ist, oder umgekehrt, daß manches Mädchen, die sich entschließt, einen dummen Mann zu heirathen, dabei wohl erwägt, daß diese Dummheit einen großen Werth durch den an den Ring geknüpften Reichthum des „geliebten Gatten“ erhält. Einen reelleren Ring=Tauschhandel treiben die Engländer an der afrikanischen Küste, wo sie für Elfenbein und Palmenholz den schmucklüsternen Schwarzen Finger= und Armringe geben, die zu Birmingham wohlfeil aus Eisen und Kupfer fabrizirt werden. Wer chinesische Münzen, inmitten mit einem Loch, so daß sie also eigentlich flache Ringe sind, gesehen hat, wird die Ansicht theilen, daß auch diese zu den Ringmünzen gehören, die die „ Be- wohner der Mitte“ durch die mittleren Löcher an einander reihen, wie in einigen Städten die runden gebackenen Ringbretzeln zum Verkauf ausgeboten werden, freilich nicht gegen Ringe, sondern gegen baare Münze ohne Löcher. Münzen sind bei uns civilisirten Leuten ein Vorzug, den man wohlverwahrt in Kasten und Beuteln aufbewahrt. Es giebt aber auch noch europäische Länder, wo man sie öffentlich als Zierrathen braucht. Jn Baiern z. B. halten die Bauern etwas darauf, an der Weste und auch öfter am Rock blanke Zwanzigkreuzerstücke, recht reiche Bauern auch Guldenstücke statt der Knöpfe zu tragen. Jn Holland tragen die Bauern häufig Fünfstüberstücke in den Ohren und an den silbernen Uhrketten, und in Griechenland und der Türkei flechten sich die Mädchen Ketten, aus kleinen Goldstücken bestehend, ins Haar. Jn neuerer Zeit haben unsere Damen auch Gefallen gefunden an Bracelets, die aus türkischen Dukaten an einander gereiht sind. ( Schluß folgt. ) Römische Landhäuser. Ein unumgängliches Bedürfniß für den vornehmen Römer, na- mentlich der Kaiserzeit, war der Besitz eines Landguts, auf welchem er seine Villegiatur halten konnte; es war ein Ver- langen des Herzens, welches sich ein irgend vermögender Mann nicht gern versagte, es war die stille Sehnsucht unbemittelter Ritter vom Geist, die, wenn sie einem hochmögenden Mäcén eine Scholle

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Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

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Zitationshilfe: Sonntags-Blatt. Nr. 22. Berlin, 31. Mai 1868, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_sonntagsblatt22_1868/6>, abgerufen am 22.07.2024.