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Sonntags-Blatt. Nr. 22. Berlin, 31. Mai 1868.

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[Beginn Spaltensatz] Landes außerhalb der Mauern der Stadt abgeschmeichelt, ihren Ge-
sang zum Ruhm ihrer Gönner und zur Verherrlichung ihres kleinen
Landsitzes mit um so kühnerem Schwung ertönen ließen.

Es waren ganz andere Menschen, diese ernsten Römer, wenn sie
die Staatsgeschäfte und das Treiben des gemeinen Haufens -- pro-
fanum vulgus
-- im Rücken hatten und nun am Morgen in ihren
prächtigen Lustgärten zwischen den thaufrischen Rosenhecken und unter
den weinumrankten Ulmen hinwandelten, oder im Schatten des säu-
selnden Platanus sich in der leichteren Muse eines griechischen oder
landsmännischen Dichters ergingen oder des ernsteren Philosophen
tieferen Gedanken nachsannen; sie hatten ganz den Stolz der Herren
der Welt abgelegt, die Lenker des Staats und der Schlachten, und
ergötzten sich in harmlos kindlichem Treiben, das unsere Zeit an ihren
Weisen kindisch finden würde; sie würfelten nach Kinderart mit
Sprungbeinen, sie saßen am Gestade des leuchtenden Meeres und
spielten während der Unterhaltung mit angespülten Muscheln und
weiß gewaschenen Kieseln, ja sie erfreuten sich wohl auch in derberem
Bedürfniß an dem weidlichen "Dreht Euch nicht um, der Knüppel
geht 'rum!"

Aber es ist nicht bloß diese kindliche Seite, die ihr behagliches
Stillleben auf dem Lande kennzeichnet; die Alten waren auch Ver-
ehrer des Weins und der Liebe, und wo konnten sie diesen Gottheiten
besser huldigen, als in ihren feenhaft eingerichteten Villen und Zauber-
gärten? Da lud sie des Dichters Gesang zu Gaste -- mit Bacchus
die meerentstiegene Cypria, und in ihrem Gefolge schwärmen die ge-
flügelten Liebesgötter herbei, und Faun und Satyr lugen lüstern aus
dem dunklen Gebüsch hervor. Wenn man sich die lustigen Zecher,
auf ihren Triklinien liegend, denkt, epheuumwunden das Haupt, rosen-
umkränzt den Becher, edlen Falerners voll, weinduftumhüllt und wonne-
erfüllt, wie sie in süßem Rausch das Weben milder Gottheiten um
sich spüren -- dann wird einem der Geist offenbar, der in den
Trink= und Liebesliedern des alten Horatius und seiner Brüder in
Apollo weht.

Zu allen Zeiten war das freilich nicht so gewesen; dem ernsten Re-
publikaner früherer Tage wäre solch Treiben ein Gräuel, diese Prunk-
liebe und Verschwendung in der Häuslichkeit ein Verbrechen gewesen;
sein Platz war das Forum, seine Beschäftigung die Sorge um die
öffentlichen Angelegenheiten. Aber die Zeiten waren vergangen, wo
man den Diktator vom Pfluge weggeholt hatte und wo fremdländische
Gesandte den Konsul, den sie bestechen wollten, in seiner ärmlichen
Behausung dabei trafen, wie er sich eigenhändig ein Gericht Rüben
zum Mittagsmahl kochte. Die Eroberung Griechenlands und des
Orients eröffnete den bedürfnißlosen Römern eine ganz andere Per-
spektive in das Leben mit seinen tausenderlei Genüssen, und mit
vollen Zügen genoß man bald, was man sich bisher aus Abscheu
versagt hatte. Grollenden Herzens gingen die wenigen Anhänger des
alten Systems umher und wetterten über das versumpfte Geschlecht,
das blindlings ins Verderben rann; aber was half's? Auf den Trüm-
mern der freien Republik baute sich die knechtende Kaiserherrschaft
auf, und während dieser entwickelte sich erst ein ausschweifender Luxus,
gegen welchen die Prunksucht früherer Tage ein Kinderspiel ge-
wesen war.

Jn frühester Zeit waren die Landgüter eben nichts, als Besitzun-
gen, auf denen man an Früchten erbaute, was des Leibes Nahrung
und Nothdurft erheischte; die dazu gehörigen Wohn= und Wirthschafts-
gebäude trugen durchaus keinen anderen Charakter, als den der Ein-
fachheit und des Bedürfnisses. Das Leben war der Arbeit gewidmet,
der Müßiggang forderte noch nicht Reihen glänzender Zimmer und
Säle, um sich darin breit machen zu können; nach des Tages Mühen
schmeckte das frugale Mahl mit gemeinem Sabinerwein, wenn besseres
Gewächs mangelte, zwischen den schlichten vier Wänden eben so vor-
trefflich, wie ein lukullisches Diner in marmorgetäfeltem Triklinium.
So war denn auch, wenn überhaupt ein besonderes Herrenhaus vor-
handen, das dann gewöhnlich nicht in unmittelbarer Verbindung mit
den Wirthschaftsgebäuden, sondern etwas abseits, umgeben von Obst-
und Weinplantagen, stand, die Hauptsache die Meierei ( villa rustica ) ,
ein Häuserkomplex, welcher einen großen Oekonomiehof einschloß, in
dessen Mitte sich da, wo wir in unseren landwirthschaftlichen Etablisse-
ments eine größere oder kleinere Dungstätte gewahren, ein Wasser-
bassin zum Baden und Tränken des Viehs befand. Neben dem Ein-
gang in den Hof lag die Wohnung des Verwalters ( villicus ) , den
man, wenn die Meierei nicht von einem Freigelassenen bewirthschaftet
wurde, aus den tüchtigeren Sklaven wählte. Dieser mußte, wenn die
Wirthschaft nicht groß genug war, um einen eigenen Rechnungsführer
zu beschäftigen, die Buchführung zugleich mit besorgen; war aber ein
solcher vorhanden, so hatte er seine Wohnung im oberen Stockwerk.

Neben dem Verwalter, damit er es immer zur Hand hatte, war
das aus männlichen und weiblichen Sklaven zusammengesetzte Gesinde
untergebracht, und in unmittelbarer Nachbarschaft der Gesindestuben
und Kammern lag ein Schuppen zur Aufbewahrung der landwirth-
schaftlichen Geräthe. Die Küche, in anspruchsvolleren Zeiten die
[Spaltenumbruch] Werkstatt einer hochgeschätzten und ausgebildeten Kunst, lag nach dem
Hof hinaus; in ihr führten Sklavinnen das Regiment, bis es ihnen
vom männlichen Geschlecht entrissen wurde, das das nach dem Hunger
berechnet gewesene Kochen nun zu einer Kunst erhob, deren Jünger,
wenn sie Meister in ihrem Fach, zu den theuersten Sklaven eines
römischen Hauswesens gehörten. Die gewöhnlich ziemlich geräumige
Küche diente dem Gesinde zugleich als Speisesaal, und versammelte
dasselbe wohl auch um ihres Herdes gesellige Flamme nach gethaner
Arbeit, und im Winter, wenn diese ruhte, zu traulicher Unterhaltung.
Neben der Küche lagen Speise= und Vorrathskammern, und diesen
reihten sich die Hühner= und Viehställe an. Den Tauben hatte man,
wenn sie nicht eigene Taubenhäuser oder Thürme bewohnten, ein
Unterkommen in oberen Stockwerken angewiesen. Jm unteren Geschoß
befanden sich außerdem noch die Scheuern zur Aufnahme von Vieh-
futter, Stroh u. dergl. und Räumlichkeiten zur Aufbewahrung der
edleren Flüssigkeiten, des Oels, das im Haushalt der alten Welt eine
wichtige Rolle spielte, und des Weins, den man nicht, wie bei uns,
auf Fässer füllte und im Keller lagerte, sondern auf runde und
längliche zweihenklige thönerne Krüge zog und in einem gegen Norden
liegenden kühlen Raum ( cella vinaria ) barg, wo diese Amphoren,
etwa so wie unsere Weinflaschen, verkorkt, verpicht und vergipst, mit
Etiquetten, die den Namen des Konsuls als Zeichen des Jahrgangs
trugen, versehen, des Verbrauchs harrten. Während der Gährung
lag der Wein auf weitbauchigen Gefäßen, die man gern dem Rauch
aussetzte, weil dieser den Wein gelinde machen sollte. Daß man den-
selben übrigens vor dem Genuß noch einen Verdünnungsprozeß durch-
machen ließ, ist bekannt.

Das obere Stockwerk enthielt, außer der Wohnung des Buch-
führers, Speicher zur Aufbewahrung von Getreide und anderen
trocknen Früchten. Tenne, Mühle und Backhaus lagen am äußersten
Ende des Hofes.

So waren die Landgüter beschaffen, von denen aus in früherer
Zeit die Stadt mit Lebensmitteln versorgt wurde. Anders war's,
als die römischen Adler ihren Siegesflug über den ganzen bekannten
Erdkreis ausgedehnt und die fremden Völker tributpflichtig gemacht
hatten. Nun flossen ungeheure Reichthümer nach Rom, man brauchte
da nicht mehr das eigene Land im Schweiße seines Angesichts zu be-
bauen -- die Jnsel Sicilien war die Kornkammer Roms, und aus
dem fernen Aegypten kamen Ladungen goldner Frucht, die gar nicht
aufgezehrt werden zu können schienen. Was brauchte man da noch
die Felder mit Getreide zu bestellen? Es ließen sich viel besser Garten-
anlagen daraus machen. Was sollte der schlichte Meierhof, der zu
sehr an des Lebens gemeinste Bedürfnisse erinnerte? Das Klappern
der Dreschflegel auf der Tenne, das Knarren der Mühle verursachten
dem Herrn ein zu unliebsames Geräusch -- das mußte aufhören!
An Stelle des Bedürfnisses trat die Sinnenlust, statt der schlichten
Gebäulichkeiten erhoben sich stolze Paläste, rivalisirend mit denen in
der Stadt, verschwenderisch ausgestattet mit allen Mitteln der Kunst.
Jn Roms näherer und fernerer Umgebung entstanden in Masse jene
großartigen Anlagen, über die die Jahrhunderte freilich auch ver-
nichtend dahingegangen, und von denen die neue Zeit durch Aus-
grabungen nur noch wüste Trümmer zu Tage treten läßt, gleichsam
um zu zeigen, wie wenig des Menschen Kraft und Stolz der Zeit
gegenüber zu bedeuten haben. Am Ausfluß des Tiberstroms, am Ge-
stade des Meeres entlang, über ganz Jtalien verstreut lagen diese
großartigen Landsitze reicher Römer, deren Ländereien oft kleinen
Fürstenthümern gleichkamen, in deren einzelnen Lusthäusern -- es gab
Leute, die eine ganze Reihe solcher besaßen -- ganze Dorfschaften
von einigen Hundert Bewohnern Platz gefunden hätten. Mit un-
geheuren Kosten wurden oft ferne Bergquellen durch Aquädukte, die
zum Theil unsere großartigsten Eisenbahnbrücken an Höhe und Größe
übertrafen, dem Landhause zugeleitet, um frisches Badewasser zu haben,
und Bäder wurden angelegt, die sich mit den bedeutendsten Thermen
Roms messen konnten.

Mit welchen Entbehrungen ist bei uns zuweilen die Sommerfrische
bevorzugter Klassen verknüpft! Und gerade solche kleine Entbehrungen
erhöhen den Reiz dieser Genüsse; aber der blasirte Römer der Kaiser-
zeit übertrug die ganze Fülle der Stadtbedürfnisse auf das Land,
um dort ungestört in ausgesuchten Genüssen schwelgen zu können, die
ihm in Rom das neidische Auge unbemittelter Bürger beeinträchtigte.
Die römische Villa war allerdings auch nicht allein für den Sommer-
aufenthalt bestimmt; es waren auch Vorrichtungen getroffen, um den
Aufenthalt im Winter angenehm zu machen. Die Kunst theilte diese
Masse von Räumlichkeiten so ein, daß die Sommerwohnung nicht zu
sehr der Sonnenhitze ausgesetzt, die Winterwohnung nicht dem eisigen
Nordwind preisgegeben war. Verdeckte Galerien und offene Säulen-
gänge zogen sich um das Gebäude herum, luftige Pavillons luden
zu lieblichem Aufenthalt und zum Ausblick auf das Meer ein. Jm
Jnnern reihte sich Zimmer an Zimmer, zu leichterer oder ernsterer Be-
schäftigung bestimmt, Speisezimmer und Arbeitszimmer, Bibliothek-
säle -- denn eine solche zu besitzen gehörte in jener schreibseligen Zeit,
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] Landes außerhalb der Mauern der Stadt abgeschmeichelt, ihren Ge-
sang zum Ruhm ihrer Gönner und zur Verherrlichung ihres kleinen
Landsitzes mit um so kühnerem Schwung ertönen ließen.

Es waren ganz andere Menschen, diese ernsten Römer, wenn sie
die Staatsgeschäfte und das Treiben des gemeinen Haufens — pro-
fanum vulgus
— im Rücken hatten und nun am Morgen in ihren
prächtigen Lustgärten zwischen den thaufrischen Rosenhecken und unter
den weinumrankten Ulmen hinwandelten, oder im Schatten des säu-
selnden Platanus sich in der leichteren Muse eines griechischen oder
landsmännischen Dichters ergingen oder des ernsteren Philosophen
tieferen Gedanken nachsannen; sie hatten ganz den Stolz der Herren
der Welt abgelegt, die Lenker des Staats und der Schlachten, und
ergötzten sich in harmlos kindlichem Treiben, das unsere Zeit an ihren
Weisen kindisch finden würde; sie würfelten nach Kinderart mit
Sprungbeinen, sie saßen am Gestade des leuchtenden Meeres und
spielten während der Unterhaltung mit angespülten Muscheln und
weiß gewaschenen Kieseln, ja sie erfreuten sich wohl auch in derberem
Bedürfniß an dem weidlichen „Dreht Euch nicht um, der Knüppel
geht 'rum!“

Aber es ist nicht bloß diese kindliche Seite, die ihr behagliches
Stillleben auf dem Lande kennzeichnet; die Alten waren auch Ver-
ehrer des Weins und der Liebe, und wo konnten sie diesen Gottheiten
besser huldigen, als in ihren feenhaft eingerichteten Villen und Zauber-
gärten? Da lud sie des Dichters Gesang zu Gaste — mit Bacchus
die meerentstiegene Cypria, und in ihrem Gefolge schwärmen die ge-
flügelten Liebesgötter herbei, und Faun und Satyr lugen lüstern aus
dem dunklen Gebüsch hervor. Wenn man sich die lustigen Zecher,
auf ihren Triklinien liegend, denkt, epheuumwunden das Haupt, rosen-
umkränzt den Becher, edlen Falerners voll, weinduftumhüllt und wonne-
erfüllt, wie sie in süßem Rausch das Weben milder Gottheiten um
sich spüren — dann wird einem der Geist offenbar, der in den
Trink= und Liebesliedern des alten Horatius und seiner Brüder in
Apollo weht.

Zu allen Zeiten war das freilich nicht so gewesen; dem ernsten Re-
publikaner früherer Tage wäre solch Treiben ein Gräuel, diese Prunk-
liebe und Verschwendung in der Häuslichkeit ein Verbrechen gewesen;
sein Platz war das Forum, seine Beschäftigung die Sorge um die
öffentlichen Angelegenheiten. Aber die Zeiten waren vergangen, wo
man den Diktator vom Pfluge weggeholt hatte und wo fremdländische
Gesandte den Konsul, den sie bestechen wollten, in seiner ärmlichen
Behausung dabei trafen, wie er sich eigenhändig ein Gericht Rüben
zum Mittagsmahl kochte. Die Eroberung Griechenlands und des
Orients eröffnete den bedürfnißlosen Römern eine ganz andere Per-
spektive in das Leben mit seinen tausenderlei Genüssen, und mit
vollen Zügen genoß man bald, was man sich bisher aus Abscheu
versagt hatte. Grollenden Herzens gingen die wenigen Anhänger des
alten Systems umher und wetterten über das versumpfte Geschlecht,
das blindlings ins Verderben rann; aber was half's? Auf den Trüm-
mern der freien Republik baute sich die knechtende Kaiserherrschaft
auf, und während dieser entwickelte sich erst ein ausschweifender Luxus,
gegen welchen die Prunksucht früherer Tage ein Kinderspiel ge-
wesen war.

Jn frühester Zeit waren die Landgüter eben nichts, als Besitzun-
gen, auf denen man an Früchten erbaute, was des Leibes Nahrung
und Nothdurft erheischte; die dazu gehörigen Wohn= und Wirthschafts-
gebäude trugen durchaus keinen anderen Charakter, als den der Ein-
fachheit und des Bedürfnisses. Das Leben war der Arbeit gewidmet,
der Müßiggang forderte noch nicht Reihen glänzender Zimmer und
Säle, um sich darin breit machen zu können; nach des Tages Mühen
schmeckte das frugale Mahl mit gemeinem Sabinerwein, wenn besseres
Gewächs mangelte, zwischen den schlichten vier Wänden eben so vor-
trefflich, wie ein lukullisches Diner in marmorgetäfeltem Triklinium.
So war denn auch, wenn überhaupt ein besonderes Herrenhaus vor-
handen, das dann gewöhnlich nicht in unmittelbarer Verbindung mit
den Wirthschaftsgebäuden, sondern etwas abseits, umgeben von Obst-
und Weinplantagen, stand, die Hauptsache die Meierei ( villa rustica ) ,
ein Häuserkomplex, welcher einen großen Oekonomiehof einschloß, in
dessen Mitte sich da, wo wir in unseren landwirthschaftlichen Etablisse-
ments eine größere oder kleinere Dungstätte gewahren, ein Wasser-
bassin zum Baden und Tränken des Viehs befand. Neben dem Ein-
gang in den Hof lag die Wohnung des Verwalters ( villicus ) , den
man, wenn die Meierei nicht von einem Freigelassenen bewirthschaftet
wurde, aus den tüchtigeren Sklaven wählte. Dieser mußte, wenn die
Wirthschaft nicht groß genug war, um einen eigenen Rechnungsführer
zu beschäftigen, die Buchführung zugleich mit besorgen; war aber ein
solcher vorhanden, so hatte er seine Wohnung im oberen Stockwerk.

Neben dem Verwalter, damit er es immer zur Hand hatte, war
das aus männlichen und weiblichen Sklaven zusammengesetzte Gesinde
untergebracht, und in unmittelbarer Nachbarschaft der Gesindestuben
und Kammern lag ein Schuppen zur Aufbewahrung der landwirth-
schaftlichen Geräthe. Die Küche, in anspruchsvolleren Zeiten die
[Spaltenumbruch] Werkstatt einer hochgeschätzten und ausgebildeten Kunst, lag nach dem
Hof hinaus; in ihr führten Sklavinnen das Regiment, bis es ihnen
vom männlichen Geschlecht entrissen wurde, das das nach dem Hunger
berechnet gewesene Kochen nun zu einer Kunst erhob, deren Jünger,
wenn sie Meister in ihrem Fach, zu den theuersten Sklaven eines
römischen Hauswesens gehörten. Die gewöhnlich ziemlich geräumige
Küche diente dem Gesinde zugleich als Speisesaal, und versammelte
dasselbe wohl auch um ihres Herdes gesellige Flamme nach gethaner
Arbeit, und im Winter, wenn diese ruhte, zu traulicher Unterhaltung.
Neben der Küche lagen Speise= und Vorrathskammern, und diesen
reihten sich die Hühner= und Viehställe an. Den Tauben hatte man,
wenn sie nicht eigene Taubenhäuser oder Thürme bewohnten, ein
Unterkommen in oberen Stockwerken angewiesen. Jm unteren Geschoß
befanden sich außerdem noch die Scheuern zur Aufnahme von Vieh-
futter, Stroh u. dergl. und Räumlichkeiten zur Aufbewahrung der
edleren Flüssigkeiten, des Oels, das im Haushalt der alten Welt eine
wichtige Rolle spielte, und des Weins, den man nicht, wie bei uns,
auf Fässer füllte und im Keller lagerte, sondern auf runde und
längliche zweihenklige thönerne Krüge zog und in einem gegen Norden
liegenden kühlen Raum ( cella vinaria ) barg, wo diese Amphoren,
etwa so wie unsere Weinflaschen, verkorkt, verpicht und vergipst, mit
Etiquetten, die den Namen des Konsuls als Zeichen des Jahrgangs
trugen, versehen, des Verbrauchs harrten. Während der Gährung
lag der Wein auf weitbauchigen Gefäßen, die man gern dem Rauch
aussetzte, weil dieser den Wein gelinde machen sollte. Daß man den-
selben übrigens vor dem Genuß noch einen Verdünnungsprozeß durch-
machen ließ, ist bekannt.

Das obere Stockwerk enthielt, außer der Wohnung des Buch-
führers, Speicher zur Aufbewahrung von Getreide und anderen
trocknen Früchten. Tenne, Mühle und Backhaus lagen am äußersten
Ende des Hofes.

So waren die Landgüter beschaffen, von denen aus in früherer
Zeit die Stadt mit Lebensmitteln versorgt wurde. Anders war's,
als die römischen Adler ihren Siegesflug über den ganzen bekannten
Erdkreis ausgedehnt und die fremden Völker tributpflichtig gemacht
hatten. Nun flossen ungeheure Reichthümer nach Rom, man brauchte
da nicht mehr das eigene Land im Schweiße seines Angesichts zu be-
bauen — die Jnsel Sicilien war die Kornkammer Roms, und aus
dem fernen Aegypten kamen Ladungen goldner Frucht, die gar nicht
aufgezehrt werden zu können schienen. Was brauchte man da noch
die Felder mit Getreide zu bestellen? Es ließen sich viel besser Garten-
anlagen daraus machen. Was sollte der schlichte Meierhof, der zu
sehr an des Lebens gemeinste Bedürfnisse erinnerte? Das Klappern
der Dreschflegel auf der Tenne, das Knarren der Mühle verursachten
dem Herrn ein zu unliebsames Geräusch — das mußte aufhören!
An Stelle des Bedürfnisses trat die Sinnenlust, statt der schlichten
Gebäulichkeiten erhoben sich stolze Paläste, rivalisirend mit denen in
der Stadt, verschwenderisch ausgestattet mit allen Mitteln der Kunst.
Jn Roms näherer und fernerer Umgebung entstanden in Masse jene
großartigen Anlagen, über die die Jahrhunderte freilich auch ver-
nichtend dahingegangen, und von denen die neue Zeit durch Aus-
grabungen nur noch wüste Trümmer zu Tage treten läßt, gleichsam
um zu zeigen, wie wenig des Menschen Kraft und Stolz der Zeit
gegenüber zu bedeuten haben. Am Ausfluß des Tiberstroms, am Ge-
stade des Meeres entlang, über ganz Jtalien verstreut lagen diese
großartigen Landsitze reicher Römer, deren Ländereien oft kleinen
Fürstenthümern gleichkamen, in deren einzelnen Lusthäusern — es gab
Leute, die eine ganze Reihe solcher besaßen — ganze Dorfschaften
von einigen Hundert Bewohnern Platz gefunden hätten. Mit un-
geheuren Kosten wurden oft ferne Bergquellen durch Aquädukte, die
zum Theil unsere großartigsten Eisenbahnbrücken an Höhe und Größe
übertrafen, dem Landhause zugeleitet, um frisches Badewasser zu haben,
und Bäder wurden angelegt, die sich mit den bedeutendsten Thermen
Roms messen konnten.

Mit welchen Entbehrungen ist bei uns zuweilen die Sommerfrische
bevorzugter Klassen verknüpft! Und gerade solche kleine Entbehrungen
erhöhen den Reiz dieser Genüsse; aber der blasirte Römer der Kaiser-
zeit übertrug die ganze Fülle der Stadtbedürfnisse auf das Land,
um dort ungestört in ausgesuchten Genüssen schwelgen zu können, die
ihm in Rom das neidische Auge unbemittelter Bürger beeinträchtigte.
Die römische Villa war allerdings auch nicht allein für den Sommer-
aufenthalt bestimmt; es waren auch Vorrichtungen getroffen, um den
Aufenthalt im Winter angenehm zu machen. Die Kunst theilte diese
Masse von Räumlichkeiten so ein, daß die Sommerwohnung nicht zu
sehr der Sonnenhitze ausgesetzt, die Winterwohnung nicht dem eisigen
Nordwind preisgegeben war. Verdeckte Galerien und offene Säulen-
gänge zogen sich um das Gebäude herum, luftige Pavillons luden
zu lieblichem Aufenthalt und zum Ausblick auf das Meer ein. Jm
Jnnern reihte sich Zimmer an Zimmer, zu leichterer oder ernsterer Be-
schäftigung bestimmt, Speisezimmer und Arbeitszimmer, Bibliothek-
säle — denn eine solche zu besitzen gehörte in jener schreibseligen Zeit,
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[175/0007] 175 Landes außerhalb der Mauern der Stadt abgeschmeichelt, ihren Ge- sang zum Ruhm ihrer Gönner und zur Verherrlichung ihres kleinen Landsitzes mit um so kühnerem Schwung ertönen ließen. Es waren ganz andere Menschen, diese ernsten Römer, wenn sie die Staatsgeschäfte und das Treiben des gemeinen Haufens — pro- fanum vulgus — im Rücken hatten und nun am Morgen in ihren prächtigen Lustgärten zwischen den thaufrischen Rosenhecken und unter den weinumrankten Ulmen hinwandelten, oder im Schatten des säu- selnden Platanus sich in der leichteren Muse eines griechischen oder landsmännischen Dichters ergingen oder des ernsteren Philosophen tieferen Gedanken nachsannen; sie hatten ganz den Stolz der Herren der Welt abgelegt, die Lenker des Staats und der Schlachten, und ergötzten sich in harmlos kindlichem Treiben, das unsere Zeit an ihren Weisen kindisch finden würde; sie würfelten nach Kinderart mit Sprungbeinen, sie saßen am Gestade des leuchtenden Meeres und spielten während der Unterhaltung mit angespülten Muscheln und weiß gewaschenen Kieseln, ja sie erfreuten sich wohl auch in derberem Bedürfniß an dem weidlichen „Dreht Euch nicht um, der Knüppel geht 'rum!“ Aber es ist nicht bloß diese kindliche Seite, die ihr behagliches Stillleben auf dem Lande kennzeichnet; die Alten waren auch Ver- ehrer des Weins und der Liebe, und wo konnten sie diesen Gottheiten besser huldigen, als in ihren feenhaft eingerichteten Villen und Zauber- gärten? Da lud sie des Dichters Gesang zu Gaste — mit Bacchus die meerentstiegene Cypria, und in ihrem Gefolge schwärmen die ge- flügelten Liebesgötter herbei, und Faun und Satyr lugen lüstern aus dem dunklen Gebüsch hervor. Wenn man sich die lustigen Zecher, auf ihren Triklinien liegend, denkt, epheuumwunden das Haupt, rosen- umkränzt den Becher, edlen Falerners voll, weinduftumhüllt und wonne- erfüllt, wie sie in süßem Rausch das Weben milder Gottheiten um sich spüren — dann wird einem der Geist offenbar, der in den Trink= und Liebesliedern des alten Horatius und seiner Brüder in Apollo weht. Zu allen Zeiten war das freilich nicht so gewesen; dem ernsten Re- publikaner früherer Tage wäre solch Treiben ein Gräuel, diese Prunk- liebe und Verschwendung in der Häuslichkeit ein Verbrechen gewesen; sein Platz war das Forum, seine Beschäftigung die Sorge um die öffentlichen Angelegenheiten. Aber die Zeiten waren vergangen, wo man den Diktator vom Pfluge weggeholt hatte und wo fremdländische Gesandte den Konsul, den sie bestechen wollten, in seiner ärmlichen Behausung dabei trafen, wie er sich eigenhändig ein Gericht Rüben zum Mittagsmahl kochte. Die Eroberung Griechenlands und des Orients eröffnete den bedürfnißlosen Römern eine ganz andere Per- spektive in das Leben mit seinen tausenderlei Genüssen, und mit vollen Zügen genoß man bald, was man sich bisher aus Abscheu versagt hatte. Grollenden Herzens gingen die wenigen Anhänger des alten Systems umher und wetterten über das versumpfte Geschlecht, das blindlings ins Verderben rann; aber was half's? Auf den Trüm- mern der freien Republik baute sich die knechtende Kaiserherrschaft auf, und während dieser entwickelte sich erst ein ausschweifender Luxus, gegen welchen die Prunksucht früherer Tage ein Kinderspiel ge- wesen war. Jn frühester Zeit waren die Landgüter eben nichts, als Besitzun- gen, auf denen man an Früchten erbaute, was des Leibes Nahrung und Nothdurft erheischte; die dazu gehörigen Wohn= und Wirthschafts- gebäude trugen durchaus keinen anderen Charakter, als den der Ein- fachheit und des Bedürfnisses. Das Leben war der Arbeit gewidmet, der Müßiggang forderte noch nicht Reihen glänzender Zimmer und Säle, um sich darin breit machen zu können; nach des Tages Mühen schmeckte das frugale Mahl mit gemeinem Sabinerwein, wenn besseres Gewächs mangelte, zwischen den schlichten vier Wänden eben so vor- trefflich, wie ein lukullisches Diner in marmorgetäfeltem Triklinium. So war denn auch, wenn überhaupt ein besonderes Herrenhaus vor- handen, das dann gewöhnlich nicht in unmittelbarer Verbindung mit den Wirthschaftsgebäuden, sondern etwas abseits, umgeben von Obst- und Weinplantagen, stand, die Hauptsache die Meierei ( villa rustica ) , ein Häuserkomplex, welcher einen großen Oekonomiehof einschloß, in dessen Mitte sich da, wo wir in unseren landwirthschaftlichen Etablisse- ments eine größere oder kleinere Dungstätte gewahren, ein Wasser- bassin zum Baden und Tränken des Viehs befand. Neben dem Ein- gang in den Hof lag die Wohnung des Verwalters ( villicus ) , den man, wenn die Meierei nicht von einem Freigelassenen bewirthschaftet wurde, aus den tüchtigeren Sklaven wählte. Dieser mußte, wenn die Wirthschaft nicht groß genug war, um einen eigenen Rechnungsführer zu beschäftigen, die Buchführung zugleich mit besorgen; war aber ein solcher vorhanden, so hatte er seine Wohnung im oberen Stockwerk. Neben dem Verwalter, damit er es immer zur Hand hatte, war das aus männlichen und weiblichen Sklaven zusammengesetzte Gesinde untergebracht, und in unmittelbarer Nachbarschaft der Gesindestuben und Kammern lag ein Schuppen zur Aufbewahrung der landwirth- schaftlichen Geräthe. Die Küche, in anspruchsvolleren Zeiten die Werkstatt einer hochgeschätzten und ausgebildeten Kunst, lag nach dem Hof hinaus; in ihr führten Sklavinnen das Regiment, bis es ihnen vom männlichen Geschlecht entrissen wurde, das das nach dem Hunger berechnet gewesene Kochen nun zu einer Kunst erhob, deren Jünger, wenn sie Meister in ihrem Fach, zu den theuersten Sklaven eines römischen Hauswesens gehörten. Die gewöhnlich ziemlich geräumige Küche diente dem Gesinde zugleich als Speisesaal, und versammelte dasselbe wohl auch um ihres Herdes gesellige Flamme nach gethaner Arbeit, und im Winter, wenn diese ruhte, zu traulicher Unterhaltung. Neben der Küche lagen Speise= und Vorrathskammern, und diesen reihten sich die Hühner= und Viehställe an. Den Tauben hatte man, wenn sie nicht eigene Taubenhäuser oder Thürme bewohnten, ein Unterkommen in oberen Stockwerken angewiesen. Jm unteren Geschoß befanden sich außerdem noch die Scheuern zur Aufnahme von Vieh- futter, Stroh u. dergl. und Räumlichkeiten zur Aufbewahrung der edleren Flüssigkeiten, des Oels, das im Haushalt der alten Welt eine wichtige Rolle spielte, und des Weins, den man nicht, wie bei uns, auf Fässer füllte und im Keller lagerte, sondern auf runde und längliche zweihenklige thönerne Krüge zog und in einem gegen Norden liegenden kühlen Raum ( cella vinaria ) barg, wo diese Amphoren, etwa so wie unsere Weinflaschen, verkorkt, verpicht und vergipst, mit Etiquetten, die den Namen des Konsuls als Zeichen des Jahrgangs trugen, versehen, des Verbrauchs harrten. Während der Gährung lag der Wein auf weitbauchigen Gefäßen, die man gern dem Rauch aussetzte, weil dieser den Wein gelinde machen sollte. Daß man den- selben übrigens vor dem Genuß noch einen Verdünnungsprozeß durch- machen ließ, ist bekannt. Das obere Stockwerk enthielt, außer der Wohnung des Buch- führers, Speicher zur Aufbewahrung von Getreide und anderen trocknen Früchten. Tenne, Mühle und Backhaus lagen am äußersten Ende des Hofes. So waren die Landgüter beschaffen, von denen aus in früherer Zeit die Stadt mit Lebensmitteln versorgt wurde. Anders war's, als die römischen Adler ihren Siegesflug über den ganzen bekannten Erdkreis ausgedehnt und die fremden Völker tributpflichtig gemacht hatten. Nun flossen ungeheure Reichthümer nach Rom, man brauchte da nicht mehr das eigene Land im Schweiße seines Angesichts zu be- bauen — die Jnsel Sicilien war die Kornkammer Roms, und aus dem fernen Aegypten kamen Ladungen goldner Frucht, die gar nicht aufgezehrt werden zu können schienen. Was brauchte man da noch die Felder mit Getreide zu bestellen? Es ließen sich viel besser Garten- anlagen daraus machen. Was sollte der schlichte Meierhof, der zu sehr an des Lebens gemeinste Bedürfnisse erinnerte? Das Klappern der Dreschflegel auf der Tenne, das Knarren der Mühle verursachten dem Herrn ein zu unliebsames Geräusch — das mußte aufhören! An Stelle des Bedürfnisses trat die Sinnenlust, statt der schlichten Gebäulichkeiten erhoben sich stolze Paläste, rivalisirend mit denen in der Stadt, verschwenderisch ausgestattet mit allen Mitteln der Kunst. Jn Roms näherer und fernerer Umgebung entstanden in Masse jene großartigen Anlagen, über die die Jahrhunderte freilich auch ver- nichtend dahingegangen, und von denen die neue Zeit durch Aus- grabungen nur noch wüste Trümmer zu Tage treten läßt, gleichsam um zu zeigen, wie wenig des Menschen Kraft und Stolz der Zeit gegenüber zu bedeuten haben. Am Ausfluß des Tiberstroms, am Ge- stade des Meeres entlang, über ganz Jtalien verstreut lagen diese großartigen Landsitze reicher Römer, deren Ländereien oft kleinen Fürstenthümern gleichkamen, in deren einzelnen Lusthäusern — es gab Leute, die eine ganze Reihe solcher besaßen — ganze Dorfschaften von einigen Hundert Bewohnern Platz gefunden hätten. Mit un- geheuren Kosten wurden oft ferne Bergquellen durch Aquädukte, die zum Theil unsere großartigsten Eisenbahnbrücken an Höhe und Größe übertrafen, dem Landhause zugeleitet, um frisches Badewasser zu haben, und Bäder wurden angelegt, die sich mit den bedeutendsten Thermen Roms messen konnten. Mit welchen Entbehrungen ist bei uns zuweilen die Sommerfrische bevorzugter Klassen verknüpft! Und gerade solche kleine Entbehrungen erhöhen den Reiz dieser Genüsse; aber der blasirte Römer der Kaiser- zeit übertrug die ganze Fülle der Stadtbedürfnisse auf das Land, um dort ungestört in ausgesuchten Genüssen schwelgen zu können, die ihm in Rom das neidische Auge unbemittelter Bürger beeinträchtigte. Die römische Villa war allerdings auch nicht allein für den Sommer- aufenthalt bestimmt; es waren auch Vorrichtungen getroffen, um den Aufenthalt im Winter angenehm zu machen. Die Kunst theilte diese Masse von Räumlichkeiten so ein, daß die Sommerwohnung nicht zu sehr der Sonnenhitze ausgesetzt, die Winterwohnung nicht dem eisigen Nordwind preisgegeben war. Verdeckte Galerien und offene Säulen- gänge zogen sich um das Gebäude herum, luftige Pavillons luden zu lieblichem Aufenthalt und zum Ausblick auf das Meer ein. Jm Jnnern reihte sich Zimmer an Zimmer, zu leichterer oder ernsterer Be- schäftigung bestimmt, Speisezimmer und Arbeitszimmer, Bibliothek- säle — denn eine solche zu besitzen gehörte in jener schreibseligen Zeit,

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Zitationshilfe: Sonntags-Blatt. Nr. 22. Berlin, 31. Mai 1868, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_sonntagsblatt22_1868/7>, abgerufen am 05.06.2024.